Ölkatastrophe "Deepwater Horizon":Der Deckel muss vom Fass

Durch eine spektakuläre Aktion im Senat hat Aktivistin Diane Wilson auf den Irrsinn eines US-Gesetzes hingewiesen: Ölfirmen müssen für ihre Fehler nur mit bis zu 75 Millionen Dollar haften - ein lächerlicher Betrag im Vergleich zu ihren Gewinnen.

Barbara Vorsamer

"Ich bin eine Fischerin in der vierten Generation", schrie die dunkelhaarige Frau im pinken Top, als die US-Senatorin zu sprechen begann. "Wir Fischer im Golf von Mexiko haben genug davon, dass ständig Dreck über uns ausgekippt wird!" Um ihr Argument zu unterstreichen, kippte sie sich eine zähe, dunkle Flüssigkeit über die Haare. So darf man eine Senatsanhörung zur Ölkatastrophe im Golf natürlich nicht stören. Binnen Sekunden wurde Diane Wilson in Handschellen abgeführt. In einem Monat muss sie vor Gericht erscheinen, im schlimmsten Falle droht ihr ein Jahr Haft.

Eklat bei Anhörung zur Sicherheit von Offshore-Bohrungen

Öldusche im Senat: Aktivistin Diane Wilson

(Foto: dpa)

Ihr Ziel hat sie trotzdem erreicht. Zahlreiche Medien berichteten über die Fischerin, die sich im US-Kongress mit Öl begoss - und damit schrieben sie auch über die Anhörung zur Ölkatastrophe, die ansonsten sehr viel weniger Aufmerksamkeit bekommen hätte. Es sei selbstverständlich kein Öl gewesen, erklärte Wilson nach ihrem Stunt in verschiedenen TV-Shows, sondern nur dickflüssiger Sirup.

Auch die Behauptung, eine Fischerin zu sein, ist - wenn nicht falsch - zumindest nicht ganz richtig. Wilson stammt zwar aus einer Fischerfamilie an der texanischen Küste des Golfs von Mexiko. Bekannt ist sie jedoch eher als Aktivistin und Publizistin, die sich bereits seit Jahrzehnten für Umweltschutz und strengere Auflagen für Firmen in und am Golf von Mexiko einsetzt. Nach ihrer angeblichen Öldusche im Senat könnte sie für Umweltschützer zu einer ähnlichen Symbolfigur werden, wie es Soldatenmutter Cindy Sheehan für die Gegner des Irakkriegs ist.

"Alle berechtigten Forderungen"

Bei der Anhörung, die sie störte, war es um die maximale Haftung für Ölfirmen gegangen. Geltendes US-Recht besagt nämlich, dass Ölfirmen nur für 75 Millionen Dollar Schaden einstehen müssen - entsteht mehr, bezahlt der Staat. Im Vergleich zu den Summen, die die "großen Vier" BP, Exxon, Chevron und Shell umsetzen, ist dieser Betrag lächerlich. Alleine BP machte im ersten Quartal 2010 5,6 Milliarden Dollar Gewinn.

Über die öffentliche Wirkung solcher Vergleiche ist man sich bei BP im Klaren, weswegen der Vorstandsvorsitzende von BP, Tony Hayward, bereits kurz nach der Explosion seiner Tiefseeplattform Deepwater Horizon im Gespräch mit US-Präsident Barack Obama versprach, "alle berechtigten Forderungen" zu begleichen. Doch wer genau definiert, was "alle berechtigten Forderungen" bedeutet? Und wie viel ist ein solches Versprechen in einem Gerichtsverfahren wert?

Nach jüngsten Schätzungen strömen derzeit bis zu 8200 Tonnen Öl pro Tag ins Meer. BP ist es bislang nicht gelungen, das Leck zu stopfen. 1,6 Milliarden Dollar hat der Konzern bisher freiwillig für seine Rettungsversuche ausgegeben, Kosten von 14 Milliarden Dollar werden erwartet. Die Investmentbank Merrill Lynch rechnet sogar mit dem Doppelten.

Die US-Demokraten wollen in Zukunft bei Ölkatastrophen nicht vom guten Willen der Konzerne abhängig sein und streben deswegen ein Ende der Haftungsbeschränkung an. "Wenn ich oder Sie einen Unfall verursachen, dann sind wir verantwortlich für den ganzen Schaden", sagte Barbara Boxer, demokratische Senatorin aus Kalifornien. "Da gibt es keine Deckelung. Und für die Ölfirmen sollte es auch keine Deckelung mehr geben."

Ein De-facto-Monopol für "Big Oil"

Die republikanischen Senatoren jedoch sträuben sich gegen ein Ende der Haftungsbeschränkung. Ihr Argument: Es würde den vier großen Ölfirmen ein De-facto-Monopol verschaffen. Kleinere Unternehmer könnten sich das Risiko der Offshore-Bohrungen nicht mehr leisten. Möglicherweise würden Offshore-Bohrungen sogar unrentabel, woraufhin dann nur noch die staatlichen Ölfirmen aus Russland, China und Venezuela im Golf von Mexiko bohren würden. Es gehe nur um sicher oder unsicher, entgegnen die Demokraten darauf.

Viele republikanische Senatoren befürworten den Vorschlag ihres Parteikollegen David Vitter aus Louisiana, der die Beschränkung nur für BP und das Deepwater-Horizon-Debakel aufheben will. Eine solche Ungleichbehandlung ist jedoch höchstwahrscheinlich nicht verfassungsgemäß und könnte vom Obersten Gerichtshof der USA wieder gekippt werden.

Noch gibt es kein Gesetz, über das abgestimmt wird, noch diskutieren die Senatoren nur über die verschiedenen Möglichkeiten, auf die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zu reagieren. Diane Wilson, die Fischerstocher aus Texas hat aber dafür gesorgt, dass die Politiker das nicht mehr unbeobachtet tun.

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