Öko-Partei:Sag mir, was das Grüne ist

Bundesparteitag der Grünen

Manchmal schnell Halbgares dahergeredet: Die Grünen-Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt (re.) und Anton Hofreiter auf dem Bundesparteitag.

(Foto: dpa)

Die Grünen reden viel von "Freiheit", die es zu gestalten gelte. Aber das soll nur den Prozess der inhaltlichen Entleerung kaschieren. Wo ist der harte politische Kern?

Kommentar von Heribert Prantl

Die Grünen sind dort angekommen, wo die Freien Demokraten einst aufgehört haben: Sie reden so eifrig von "Freiheit", wie es Westerwelle und Rösler in ihren besten Zeiten kaum besser konnten. "Freiheit Grün Gestalten" war der eigenartige Titel des Leitantrags des Bundesvorstands beim Parteitag in Hamburg.

Man konnte den Eindruck haben, als wolle die grüne Partei einen gelben Erbschein beantragen; das erstaunt deswegen, weil die Erbmasse der FDP nicht eben sehr massig ist. Von "Neuausrichtung" reden grüne Führungsleute ununterbrochen; davon, dass man die Freiheit "gestalten" müsse und man daher nun gegen Verbote sei. Es fehlt nur noch der Satz, dass die Partei "dereguliert" werden müsse.

Auf der Suche nach Positionen

Freiheitsrhetorik soll den Prozess der inhaltlichen Entleerung kaschieren. Das ist nun vielleicht ein wenig ungerecht gegenüber einer Partei, die nach einer Wahlniederlage vor einem guten Jahr und dem Abgang eines Teils der alten Führungsgarde sich im Stadium des Suchens und Findens befindet. Aber man hat ein merkwürdig hohles Gefühl bei solchem Gerede und Getue. Der Parteitag hatte es wohl auch.

Dieser Parteitag war besser, als es sein Motto hatte erwarten lassen; und er war differenzierter, als ihn die Parteiführung in ihren Interviews vorbereitet und eingestimmt hatte; er war nachdenklicher und tiefschürfender. Der Parteitag war nicht auf Krawall aus und nicht auf Abrechnung mit einzelnen Protagonisten; er war auf der Suche nach Positionen, hinter denen sich die verstörte Partei wieder versammeln kann.

Der Parteitag errichtete in der Art, wie er redete und diskutierte, so eine Art Gebrechlichkeitspflegschaft für die Partei- und Fraktionsführung. Bei den Abstimmungen zur Außenpolitik wurde schon sehr deutlich, dass der Protest gegen deren Militarisierung groß ist und die Partei Waffenlieferungen in den Irak nicht mitträgt.

Früher war die grüne Partei die Partei der Farbbeutel; das war nicht besonders gut. Wenn man die Äußerungen von Cem Özdemir oder Karin Göring-Eckardt in den vergangenen Monaten zum Maßstab nähme, wäre sie heute eine Partei der Spruchbeutel: Da wird schnell einmal irgendetwas Halbgares dahergeredet, da wird die grüne Partei als neue wirtschaftsfreundliche linksliberale Partei ausgerufen (Özdemir) oder, wegen der vom Bundespräsidenten angemahnten deutschen Verantwortung, der Einsatz deutscher Bodentruppen in Syrien propagiert (Göring-Eckardt). Das waren Spielereien mit den Essentials dieser Partei. Die Gleichung "Gauck + FDP = Grüne" geht nicht auf.

Erkennbare grüne Oppositionspolitik fehlt

Eine kreative oder auch nur halbwegs erkennbare Oppositionspolitik der Grünen im Bundestag gibt es bisher nicht. Dafür gibt es viel Regierungspolitik der Grünen in den Ländern - in derzeit sieben, demnächst wohl in acht Bundesländern; in der halben Republik regieren die Grünen mit.

Das ist gut für das Selbstbewusstsein der von ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl 2013 noch immer bedrückten Partei; das ist aber auch schlecht, weil eine grüne Regierungslinie quer durch die Länder der Republik, die sich zumal im Bundesrat zeigen müsste, einfach nicht erkennbar wird.

Politischer Kern nicht sichtbar

Es muss kein Nachteil sein, dass die Grünen in der Lage sind, Partner in verschiedensten Konstellationen zu sein: Rot-Grün, Grün-Rot, Schwarz-Grün und demnächst, in Thüringen, Rot-Rot-Grün. Aber es wird bei alledem das grüne Gemeinsame nicht sichtbar; man erkennt keinen politischen Kern, der den Grünen in all diesen Konstellationen wichtig ist. Grüne Regierungspolitik in den Ländern ist ein ziemlich undurchschaubarer Brei.

Auch deswegen ist das Abstimmungsverhalten des einzigen grünen Ministerpräsidenten bei der Änderung des Asylrechts so heikel für die Grünen: Kretschmanns Zustimmung zum Konzept der sicheren Herkunftsstaaten hat einen Kern bisheriger grüner Politik zerbissen. Die Grünen waren bisher kompromisslos gegen dieses Konzept, weil es (auch wenn Kretschmann das Gegenteil beschwört) das individuelle Asylrecht für die Betroffenen abschafft.

Kretschmann hat sich mit seiner Zustimmung auf den Asylkompromiss von CDU/CSU, SPD und FDP aus dem Jahr 1993 eingelassen. Dessen Ablehnung war Teil des grünen Selbstverständnisses. Wäre Kretschmann nicht der derzeit einzige Star der Partei: Der Parteitag hätte sich nicht mit der Beteuerung begnügt, dass man sich nach wie vor als Partei der Flüchtlingsrechte betrachte.

Es geht um das Unverwechselbare in der Politik: Der SPD ist es abhanden gekommen; bei der Union besteht es nur noch in der Person von Angela Merkel. Die Zukunft der Grünen hängt davon ab, ob es bei ihnen noch Inhalte gibt, die unverwechselbar grün und ihre sind. Ob da Agrarwende und gutes Essen reichen?

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