Öffnung der SPD zur Linken:"Wir haben die Tabu-Frage überwunden"

Der linke Flügel der SPD feiert die Öffnung zur Linken als "Quantensprung". Andere befürchten hingegen, dass die Partei damit langfristig ihren eigenen Abstieg zementiert.

Der linke Flügel der SPD feiert die Öffnung zur Linken als "Quantensprung" für die Bündnismöglichkeiten der Partei. "Wir haben die Tabu-Frage überwunden", sagte der Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21 der SPD, Björn Böhning, der Passauer Neuen Presse.

Björn Böhning, dpa

Der SPD-Linke Björn Böhning begrüßt die Öffnung seiner Partei zur Linken.

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"Die SPD ist jetzt in der Lage, nach lokalen Gegebenheiten und Sachfragen zu entscheiden, ob sie eine Koalition links der Mitte macht oder nicht. Das ist ein Quantensprung."

Böhning sagte, die Öffnung bewahre die Partei davor, Hürden aufzubauen, die längst nicht mehr verstanden würden. "Hessen ist ein Sonderfall: Es kann nicht sein, dass Roland Koch jahrelang geschäftsführend im Amt bleibt. Wir müssen alles daran setzen, dass er abgelöst wird, notfalls eben mit den Stimmen der Linkspartei. Das ist kein Wortbruch, sondern der Wählerauftrag." Für den Bund sei Rot-Rot aber "aus inhaltlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen".

Dagegen lehnt die reformorientierte SPD-Parteiströmung "Netzwerk" die Öffnung scharf ab. "Netzwerk"-Sprecher Christian Lange sagte der Welt: "Wir haben uns immer darauf verlassen, dass Andrea Ypsilanti und Kurt Beck ihr Wort halten. Die Öffnung zur Linken ist strategisch falsch."

"Massives Glaubwürdigkeitsproblem"

Die Linke ziehe in immer mehr Landtage im Westen ein, die SPD bekomme dadurch aber keine neue Machtoption. Die Möglichkeit einer rot-grün-gelben Ampelkoalition werde dagegen verspielt. "Die SPD gerät von einer babylonischen Gefangenschaft der CDU in die nächste babylonische Gefangenschaft der Linken. Und auf dem Weg dorthin verlieren wir Grüne und FDP, die wir für eine Ampelkoalition brauchen", sagte Lange.

Auch Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner kritisierte den Beschluss des SPD-Vorstands, den hessischen Sozialdemokraten freie Hand gegeben, Ypsilanti am 5. April mit den Stimmen der Linken zur Regierungschefin wählen zu lassen. "Sollten sich in Ländern wie Hessen Modelle mit der Linken ergeben, haben wir bei der Bundestagswahl 2009 ein massives Glaubwürdigkeitsproblem", sagte die SPD-Politikerin.

Der bayerische SPD-Fraktionschef Franz Maget schloss wenige Tage vor der Kommunalwahl in Bayern eine Zusammenarbeit der SPD im Freistaat mit der Linken aus. "Ich kann auch Brief und Siegel geben, dass die SPD in allen bayerischen Städten und die SPD auf Landesebene eine solche Kooperation weder suchen noch anstreben, noch eingehen wird", sagte Maget dem Bayerischen Rundfunk.

Zugleich verteidigte Maget die Öffnung der SPD zur Linkspartei. "Einige Landesverbände arbeiten ja schon zusammen mit der Linkspartei wie in Berlin. Und dort ist der Kommunismus ja nicht ausgebrochen", erklärte er.

Niedersachsens SPD-Chef Garrelt Duin rechnet damit, dass der Streit über den Umgang mit der Linkspartei zu einer Dauerbelastung für die SPD wird. "Ich gehe jedenfalls davon aus, dass uns dieses Thema noch lange beschäftigen wird", sagte Duin der in Hannover erscheinenden Neuen Presse.

Duin kritisierte, dass die SPD keine einheitliche Linie mehr verfolge. Er hatte am Montag als einziger im Bundesvorstand den Öffnungsbeschluss zur Linkspartei abgelehnt. Die SPD verabschiede sich mit der Öffnung nach Links von dem Ziel, zu alter Stärke zurückzukehren, sagte Duin.

"Mehr Zeit für Inhalte"

"Wer Koalitionen mit der Linkspartei nicht ausschließt, wird dafür sorgen, dass die SPD über 30 Prozent nicht mehr hinauskommt", sagte Duin. Sein Ziel sei es, Ergebnisse von mehr als 35 Prozent der Stimmen anzustreben. Doch dafür sei es "wichtig, dass wir uns mehr Zeit nehmen für die inhaltliche Ausrichtung als für Koalitionsfragen".

Bislang scheint die Debatte um rot-rote Bündnisse einer Umfrage zufolge jedenfalls weder der SPD noch den Linken genutzt zu haben. Nach der wöchentlichen Befragung des Forsa-Instituts für das Magazin Stern und den Fernsehsender RTL verlor die SPD im Vergleich zur Vorwoche 1 Punkt und kam auf 28 Prozent. Auch die Linkspartei gab 1 Punkt ab und fiel auf 12 Prozent.

Union und FDP legten dagegen jeder einen Punkt zu: CDU/CSU erreichten 36 Prozent, die FDP 10 Prozent. Die Grünen kamen wie in der Woche zuvor auf 9 Prozent. Für "sonstige Parteien" votierten unverändert 5 Prozent der Wähler.

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