Öffentlicher Dienst:Im Beamtentheater

Gewerkschafter wollen Aufmerksamkeit und spielen die Empörten.

Von Detlef Esslinger

Würde ein Gewerkschafter am Verhandlungstisch so polemisieren wie in der Öffentlichkeit, er würde nichts erreichen. Würde er umgekehrt in der Öffentlichkeit so konstruktiv sein wie am Verhandlungstisch, er würde seine Mitglieder nicht mobilisieren. Also muss der Verdi-Chef nach der zweiten Tarifrunde für die Beschäftigten von Bund und Kommunen den Arbeitgebern öffentlich "Blockadehaltung" vorwerfen; also muss sein Kollege vom Beamtenbund sagen, die Arbeitgeber bräuchten wohl einen "Weckruf" in Form von Warnstreiks.

Entgegen dem Anschein wird aber keiner von ihnen ein Angebot erwartet haben. Für den Bund führt das Innenministerium die Verhandlungen, und Thomas de Maizière konnte am letzten Tag seiner Amtszeit kaum Lohnsteigerungen anbieten, an die sein Nachfolger Horst Seehofer sodann in der entscheidenden Runde im April gebunden gewesen wäre. Keinem Gewerkschafter muss man so etwas erklären; im Gegenteil: Je weniger in der zweiten Runde vorangeht, umso einfacher ist es ja, zu Warnstreiks aufzurufen - die niemandem wehtun sollen, sondern als Mitgliederwerbeaktion gedacht sind.

Als der Verfassungsrichter Peter Müller noch das Saarland regierte, hielt er eine berühmt gewordene Rede zur "Darstellungskunst auf der politischen Bühne". Aufmerksamkeit werde durch theatralische Darstellung erreicht, sagte er. Bei Tarifrunden ist es genauso. Gewerkschafter brauchen Aufmerksamkeit, ergo tun sie empört. Alles okay

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