OECD-Bildungsbericht:Loben, lächeln, nicken

Deutsche Politiker sehen sich durch das Bildungs-Zeugnis bestätigt. Demnach gelingt es gut, junge Leute in den Arbeitsmarkt zu bringen.

Von Johann Osel, Ulrike Nimz und Katrin Langhans, Berlin/München

Die eine nickt bestätigend, die andere lächelt. Die Bildungschancen in Deutschland haben sich verbessert, da sind sich Bundesministerin Johanna Wanka und die Chefin der Kultusministerkonferenz, Brunhild Kurth aus Sachsen, einig. Die beiden CDU-Politikerinnen stehen in diesem Jahr an der Spitze der Bildungsrepublik Deutschland, bei gemeinsamen Auftritten spielen sie sich gern die Bälle zu, kein Bund-Länder-Stunk wie sonst so oft. Erst recht, wenn es Positives zu vermelden gibt, wie am Dienstag in Berlin. Da stellen sie den Bericht "Bildung auf einen Blick" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vor. Mehr als die Hälfte der Zweijährigen und mehr als 90 Prozent der Dreijährigen nehmen frühkindliche Förderung wahr, referiert Wanka, Kurth nickt. "Der Übergang zum Arbeitsmarkt verläuft reibungslos", sagt Wanka, Kurth lächelt. Man kennt das. Die OECD, die mit ihren Pisa-Studien zu einem Gradmesser der Schulsysteme weltweit geworden ist, stellt Deutschland ein vortreffliches Zeugnis aus. Tenor: beste Chancen für junge Leute. So war 2014 der Anteil der jungen Menschen, die weder in Arbeit noch in Ausbildung standen, in Deutschland so gering wie in kaum einem anderen Land: bei 10,1 Prozent der 20- bis 24-Jährigen, der Durchschnitt vom OECD-Staaten liegt bei 18 Prozent. In den USA (17,5), Frankreich (18,3), Spanien (29) und Italien (34) lag die Quote derjenigen ohne Integration ins Erwerbsleben höher, eine bessere Quote hatten nur Luxemburg und Island. Auch beim Anteil der Menschen, die das Abitur oder einen beruflichen Abschluss machen, liegt Deutschland deutlich über dem Durchschnitt. Laut der OECD trägt "die gute Konjunktur, aber auch die leistungsfähige berufliche Bildung" zu den Erfolgen bei.

Deutschland habe außerdem in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte auf dem Weg hin zu mehr Chancengleichheit gemacht, insbesondere durch den Ausbau der frühkindlichen Bildung. Im Bericht werden auch die jüngsten Pisa-Ergebnisse aufgeführt. Gut 15 Jahre nach dem "Pisa-Schock" holten deutsche Schüler 2013 beim Rechnen und Lesen fast zu Ländern wie Finnland auf, die in den früheren Studien stets als Vorbilder gesehen wurden. Der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Schulerfolg liegt laut Pisa mittlerweile im Schnitt der Nationen.

"Der Bericht bescheinigt Deutschland ein gut funktionierendes und leistungsfähiges Bildungssystem", sagt Wanka. "In Deutschland stellt sich die Situation für junge Menschen viel günstiger dar als in den meisten anderen Ländern", freut sich Kurth. Es verwundert nicht, dass die beiden so geschlossen und zufrieden als Team auftreten. Und dennoch hat der Bericht Schattenseiten: Zum Beispiel, dass gut die Hälfte der deutschen Lehrer mindestens 50 Jahre alt ist, im OECD-Schnitt sind das nur ein Drittel; oder die vergleichsweise niedrigen Ausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt, vor allem in Grundschulen. Bildungsforscher mahnen seit Jahren an, Deutschland solle da mehr Geld investieren. Denn gerade in frühen Jahren ist es noch möglich, Nachteile aufgrund sozialer Herkunft und niedrigem Bildungsstand der Eltern auszugleichen. Darauf verweist am Dienstag auch der Verband Bildung und Erziehung, in dem viele Grundschullehrer organisiert sind: "Der allgemeine Konsens über die Schlüsselrolle der Grundschule wird durch die Finanzierung nach Schuhgröße der Schüler zerstört."

Mehr Geld fordert auch die Gewerkschaft GEW mit Blick auf die aktuelle Herausforderung: Hunderttausende schulpflichtige Flüchtlingskinder. Drei Milliarden Euro jährlich seien nötig, der Bund stehe in der Pflicht. "Auch die Haushaltspolitiker müssen einsehen, dass ihre Knauserigkeit extrem hohe Folgekosten hat", so GEW-Chefin Marlis Tepe. Hier bleiben die Ministerinnen in Berlin weniger konkret: "Die Integration der Flüchtlinge wird eine Herausforderung, mit Sprache allein ist es nicht getan", sagt Kurth, alle Länder nähmen Geld in die Hand. Wanka betont den Wert der frühkindlichen Betreuung als "Chance" für Flüchtlingskinder, und die OECD lobt das Angebot der beruflichen Bildung.

In Deutschland wird sogar darüber diskutiert, ob es zu viele Studenten gibt

Ohnehin das Duale System und die Akademikerquoten: Mehr als die Hälfte eines Jahrgangs beginnt in Deutschland inzwischen ein Studium; im OECD-Schnitt sind es zwar 60 Prozent, jedoch gibt es in den meisten Ländern kein Duales System. Bei früheren Berichten war es zu offenen Konflikten gekommen, da der Rückstand bei den Akademikeranteilen von den Studienautoren ausdrücklich betont wurde - als Makel. Wankas Vorgängerin Annette Schavan nannte die OECD-Thesen mal "völlig abwegig". Am Dienstag gibt es von der OECD nicht nur Lob für das Duale System, sondern auch den Hinweis der Bundesministerin: 40 Prozent der Studienanfänger beginnen im gefragten MINT-Bereich, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Wanka verweist darauf, dass es zwar in anderen Ländern wie Spanien mehr Akademiker gebe, dass es der Wirtschaft aber eher wenig nütze, wenn diese vor allem Fächer wie Sozialwissenschaften studiert hätten.

Längst gibt es jedoch hierzulande eine Debatte darüber, ob die Studentenzahlen schon zu hoch sind. Vertreter von Industrie- und Handelskammern oder des Handwerks, die über ausbleibenden Lehrlingsnachwuchs klagen, sprechen von Akademiker-Wahn oder Studentenschwemme. Sie werden beim Blick auf den Bildungsbericht wohl: lächeln und nicken.

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