Odenwaldschule:Wegschauen, vertuschen, zusperren

Der Neuanfang ist gescheitert, das einstige Muster-Internat schließt. Gut so.

Von Tanjev Schultz

Die Odenwaldschule hat immer viel Wind um sich gemacht. Als der Reformpädagoge Paul Geheeb 1909 bei den Behörden den Antrag stellte, das Internat in Ober-Hambach zu gründen, versprach er "eine Musteranstalt". Lange hielt sich die Legende von einer besonders kindgerechten Schule. Erst hundert Jahre nach der Eröffnung fegte ein Skandal-Sturm über das stille Tal hinweg und deckte auf, was sich unter den Dächern der schönen Schulhäuser abgespielt hatte: sexuelle Gewalt. Nun ist das Internat am Ende. Es ist besser so.

Der Missbrauch an der Odenwaldschule war kein Betriebsunfall. Er zog sich über viele Jahre hin, war eingebunden in ein Klima der Entgrenzung und der Verantwortungslosigkeit. Es wurde weggeschaut und vertuscht. In den vergangenen fünf Jahren hat sich das Internat zwar bemüht, Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Doch das Trauma sitzt zu tief, und die umständlichen Abläufe und Gremien der Privatschule waren ungeeignet für einen echten Neuanfang. Immer wieder brachen alte Konflikte aus, neue kamen hinzu. Die falschen Leute bestimmten die Geschicke im Trägerverein und verspielten jeden Kredit. Das Risiko des Scheiterns hätte allen, die ihre Kinder weiterhin auf diese Schule schickten, klar sein müssen.

An der Odenwaldschule ist großes Unrecht geschehen. Die Täter konnten strafrechtlich nicht mehr belangt werden. Nun büßt die Institution.

© SZ vom 27.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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