Obamas militärische Unterstützung in Syrien:Dramatisches Zeichen der Schwäche

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US-Präsident Barack Obama versucht die Glaubwürdigkeit Amerikas zu retten.

(Foto: AFP)

US-Präsident Barack Obama will nun doch Militärgerät an die Aufständischen liefern lassen: Kleinwaffen und Munition. Aber keine Flugabwehrraketen. Das ist so, als verschriebe ein Arzt einem schwerkranken Tuberkulose-Patienten Hustensaft.

Ein Kommentar von Hubert Wetzel

Vom großen Meister Rembrandt van Rijn gibt es ein Werk aus dem Jahre 1632, das "Die Anatomiestunde des Dr. Nicolaes Tulp" zeigt. Auf dem Gemälde ist eine Gruppe hochmögender Herren zu sehen, die sich um einen Leichnam auf einem Tisch scharen. Ein weiterer hochmögender Herr, eben jener Doktor Nicolaes Tulp, erklärt den Zuschauern die Muskulatur des Unterarmes.

Die Syrien-Politik des Westens - allen voran der USA - erinnert derzeit stark an Rembrandts Gemälde. Viele hochmögende Herren schauen besorgt, zuweilen sogar angewidert auf das Gemetzel, das sich in Syrien abspielt. Aber zu mehr, als die hässliche Lage der Aufständischen - und von Millionen wehrloser Zivilisten - mit Bedauern zu kommentieren, haben die Herren sich bisher nicht durchringen können. Syriens Diktator Baschar al-Assad und seine Verbündeten in Moskau und Teheran haben weniger Skrupel. Sie feuern aus allen Rohren. Geht es so weiter, dann wird es nicht mehr lange dauern, und die syrische Rebellion ist so tot und kalt wie der Leichnam auf Rembrandts Tisch.

Aufgeschreckt durch das Eingreifen der libanesischen Hisbollah in Syrien und den Einsatz von Giftgas durch Assads Truppen, will US-Präsident Barack Obama nun doch Militärgerät an die Aufständischen liefern lassen; dem Vernehmen nach Kleinwaffen und Munition, vielleicht Panzer-, aber keine Flugabwehrraketen. Das ist so, als verschriebe ein Arzt einem schwerkranken Tuberkulose-Patienten Hustensaft. Assads Armee schießt mit schwerer Artillerie, mit Panzern und Scud-Raketen, sie setzt Kampfjets und Hubschrauber ein - und offenbar bei einzelnen Angriffen auch das Nervengas Sarin. Ein paar neue Kalaschnikows für die Rebellen, mit besten Grüßen von der CIA, werden die militärische Lage nicht drehen. Um die Rebellion zu retten, ist die in Aussicht gestellte Hilfe aus Amerika vermutlich unzureichend - zu wenig, zu spät.

Der Präsident schämt sich

Das könnte auch für Obamas Versuch gelten, Amerikas Glaubwürdigkeit zu retten. Der US-Präsident hat den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien als game changer bezeichnet, sprich: als ein Ereignis, dessen Eintreten die gesamte Einschätzung der Lage ändern, die Karten neu mischen und eine wie auch immer geartete, auf jeden Fall aber heftige amerikanische Reaktion auslösen würde. Doch die geplanten Waffenlieferungen sind davon weit entfernt. Obama schämt sich ihrer anscheinend so, dass er sie in der Erklärung des Weißen Hauses nicht einmal offen erwähnen ließ.

Den game changer gibt es nun - doch Barack Obama zögert weiter, darauf entsprechend zu antworten. Er bleibt ein Beobachter, ein Doktor Tulp, der nach dem Exitus kompetent erklären wird, woran der Patient verstorben ist.

Obamas Zurückhaltung mag im Syrien-Poker mit Moskau irgendwie von Vorteil sein. Aber sie hinterlässt auch einen dramatischen Eindruck der Schwäche. Regierungen in aller Welt, Amerikas Feinde wie Freunde, werden diese Schwäche genau registrieren - mit Freude oder Entsetzen.

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