Obamas Kehrtwende:Kapitulation in Nahost

Zur Halbzeit seiner Amtsperiode hat Barack Obama wohl nur noch eine Chance, als Nahost-Vermittler in die Geschichte einzugehen: als abschreckendes Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll.

Peter Münch

Wer zu den Sternen strebt, kann schnell im Staub landen. Denn je hochfliegender die Pläne sind, desto größer ist auch die Gefahr des Scheiterns. US-Präsident Barack Obama muss das gerade schmerzlich erleben - in Nahost, wo die Sterne funkeln, aber fast immer unerreichbar bleiben. Zur Halbzeit seiner Amtsperiode hat er wohl nur noch eine Chance, als Nahost-Vermittler in die Geschichte einzugehen: als abschreckendes Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll.

Barack Obama

Hatte große Hoffnungen für den Friedensprozess in Nahost geschürt: Barack Obama.

(Foto: AP)

Was hat dieser Präsident für Hoffnungen geschürt, was hat er nicht alles versprochen: der Welt den Frieden, den Palästinensern ihren eigenen Staat, den Israelis Sicherheit. Mit dem Nobelpreis als Vorschuss vermittelte Obama noch vor drei Monaten beim pompösen Auftakt neuer Nahost-Verhandlungen, dass schon in einem Jahr ein historisches Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern besiegelt sein werde. Danach war es lange still. Nun kam eine neue, dürre Meldung aus Washington. Sie besagt, dass die US-Regierung ihre Bemühungen aufgibt, Israel zu einem Siedlungsbaustopp zu bewegen. Im Klartext heißt das: Der Friedensprozess ist am Ende, der mächtigste Mann der Welt hat kapituliert vor einer Schar von Siedlern auf den Hügeln von Judäa und Samaria.

Der verworrene Streit um diesen Baustopp kann nun als Lehrstück für eine verfehlte Nahost-Politik herhalten. In den Zeiten vor Obama war in den grünen Hügeln kräftig gebaut worden, ohne dass dies die Verhandlungen am grünen Tisch blockiert hätte. Politisch korrekt war das nicht, denn der Siedlungsbau ist völkerrechtswidrig und er bedroht den Friedensprozess, weil am Ende kaum noch genug Land übrigbleibt für einen lebensfähigen Palästinenser-Staat. Doch letztlich hatten sich auch die Palästinenser nolens volens dem puren Pragmatismus gebeugt. Denn wenn nicht verhandelt wird, kann es auch keine Lösung geben.

Dann kam Obama - und dem realpolitischen Geschacher setzte er seine Vision und seine Prinzipien entgegen. Er forderte von Israel den Baustopp, und niemand kann es den Palästinensern verübeln, dass sie sich diese Position sogleich zu eigen machten. Sie nutzten die Leiter, die Obama ihnen hingestellt hat, klettern auf einen hohen Baum und verkündeten von dort oben, dass sie fortan nur noch mit Israel verhandeln wollen, wenn in den Siedlungen die Bagger stillstehen.

Abenteuerliches Zickzack

Bis hierher hätte die Geschichte noch ein glückliches Ende finden können. Denn man kann Obama gewiss nicht vorwerfen, dass er in der Siedlungsfrage Recht und Moral zum Maßstab gemacht hat. Doch wer dies tut, muss standhaft und bereit sein, die richtige Politik auch mit Druck durchzusetzen. Dem Präsidenten einer Weltmacht wäre dies durchaus zuzutrauen, zumal sich sowohl die Israelis als auch die Palästinenser de facto in kompletter Abhängigkeit von den USA befinden. Obama hält also alle nötigen Hebel in der Hand. Aber er hat leider gezeigt, dass er nicht in der Lage ist, sie zu bedienen. Angesichts des israelischen Widerstands gegen einen Baustopp hat er schlichtweg einen Kurswechsel vollzogen und seine eigene Forderung einkassiert. Statt von Prinzipien ist seine Politik nun von einem abenteuerlichen Zickzack geprägt.

In der Sprache der Diplomatie jedoch gibt es kein Scheitern, und deshalb verkündet Washington jetzt kein Ende der Friedensbemühungen, sondern einen Neustart. Alles auf Anfang also - und statt der Vision soll künftig wieder die Realpolitik regieren. Dies jedoch ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Denn die Weltpolitik funktioniert nicht nach dem Prinzip von trial and error. Obama hat seine Chance gehabt im Nahen Osten, und es ist kaum zu erwarten, dass er in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtsperiode eine zweite bekommt.

Schließlich wissen die Israelis nun, dass sie ihn nicht fürchten müssen. Sie haben ihn einfach ins Leere laufen lassen und vorgeführt nach allen Regeln der diplomatischen Kunst - seine Autorität ist dahin. Die Palästinenser auf der anderen Seite haben erfahren, dass sie ihm nicht vertrauen können. Denn waren sie im Glauben daran, dass er es ernst meint mit dem Siedlungsbaustopp, auf diesen hohen Baum geklettert - und dann hat er die Leiter weggezogen und sie allein zurückgelassen.

Es ist viel Schaden angerichtet worden auf diese Weise, und statt des verheißenen Friedensschlusses binnen eines Jahres droht nun eine Eskalation. Denn dieser Konflikt lässt sich nicht einfach einfrieren, er verlangt nach immer neuer Bewegung. Im freien Spiel der Kräfte, die nun kaum noch durch US-Vermittlung gebändigt werden können, dürfte in den Siedlungen des Westjordanlands und im arabischen Ostteil von Jerusalem ein Bauboom anbrechen. Als Reaktion auf diesen Kleinkrieg um das Land haben die Palästinenser bereits angekündigt, dass sie ihren Staat unabhängig von einem Abkommen mit Israel ausrufen könnten. Sie wollen dafür um Anerkennung bei den Vereinten Nationen werben, und die internationale Gemeinschaft wird so vor eine neue Zerreißprobe gestellt. Dies ist das Ergebnis einer amerikanischen Politik, die vielleicht gut gemeint war, aber keinesfalls gut gemacht wurde.

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