Obamas Kampf gegen al-Qaida:Skalpell statt Hammer

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Geheimabkommen, Miet-Spione und heimliche Luftangriffe: Die "New York Times" beschreibt, wie Präsident Obama den verdeckten Kampf gegen Terroristen ausweitet. Prekäre Kollateralschäden und die Außerkraftsetzung der parlamentarischen Kontrolle nimmt er dabei in Kauf.

US-Präsident Barack Obama hat offenbar von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt "Schattenkriege" gegen Terroristen in Asien und Afrika deutlich verstärkt. "Was als verdeckter Krieg unter der Bush-Regierung begann, ist unter Präsident Obama ausgeweitet worden", schreibt die New York Times. Inzwischen führten die USA solche verdeckten Aktionen in circa einem Dutzend Länder aus.

Barack Obama (links) als oberster Befehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Kabul. Unter der Präsidentschaft Obamas soll die geheime Kriegsführung des Amtsvorgängers George W. Bush in circa Dutzend Ländern ausgeweitet worden sein. (Foto: REUTERS)

Operationsgebiete seien die Wüsten Nordafrikas, die Berge Pakistans und die Ex-Sowjetrepubliken Zentralasiens, von denen etliche durch ethnische und religiöse Konflikte destabilisiert werden. Im Gegensatz zur Ausweitung der militärischen Präsenz in Afghanistan, der eine umfassende politische Debatte voran gegangen war, sei praktisch keiner der "neuen, aggressiven Schritte" der US-Regierung öffentlich geworden.

Konkret habe das Weiße Haus Drohnen-Angriffe in Pakistan verstärkt, Angriffe auf Mitglieder des Terrornetzwerkes al-Qaida in Somalia autorisiert und Geheimoperationen aus Kenia heraus bewilligt.

Heikle Offensive im Jemen

Gemeinsam mit europäischen Verbündeten seien Terrorgruppen in Nordafrika ausgehoben worden. Das Pentagon habe zudem mit Hilfe von angeheuerten Privatfirmen Geheimdienstinformationen über Verstecke von militanten Extremisten in Pakistan gesammelt.

Im Jemen sei eine Militärkampagne gestartet worden, die offiziell nie bestätigt wurde, die in dem arabischen Land aber erhebliche Verwicklungen ausgelöst habe. Ein heimlicher Luftangriff auf eine Al-Qaida-Stellung in der Wüste der Provinz Marib im Mai sei mindestens der vierte geheime Einsatz des US-Militärs gegen al-Qaida im Jemen seit Dezember gewesen, schreibt die New York Times unter Berufung auf Mitglieder der US-Regierung.

Ein Toter, der Probleme macht

Dem Bericht zufolge wurde durch diesen Luftangriff auch der stellvertretende Gouverneur der Provinz Marib getötet. Der angesehene Politiker Jabir al-Schabwani habe zum Zeitpunkt des Angriffs mit den Islamisten Verhandlungen über ein Ende ihrer gewalttätigen Aktionen verhandelt, berichtete die Zeitung unter Berufung auf jemenitische Offizielle.

Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh habe danach die Verantwortung für den Tod des Vize-Gouverneurs übernehmen müssen und den aufgebrachten Stammesangehörigen ein "Blutgeld" gezahlt. Gleichwohl habe es eine Racheaktion gegen eine Öl-Pipeline gegeben. Für al-Qaida sei der Tod al-Schabwanis ein wunderbares Propaganda-Instrument auf der ganzen Arabischen Halbinsel gewesen, so die New York Times.

Die Zeitung zitiert Regierungsmitarbeiter, die auf die Vorteile eines verdeckten Krieges gegen das Terrornetzwerk al-Qaida und andere militante Gruppen verweisen. Denn die Erfahrungen in Afghanistan und im Irak hätten sich mit Blick auf schwindelerregende Kosten für Politiker und Wähler als sehr ernüchternd erwiesen. Derartige Einsätze erforderten die jahrelange Besetzung von Ländern und trügen zu einer Radikalisierung der Menschen in der islamischen Welt bei.

Den Paramilitärs immer ähnlicher

Statt eines "Hammers" setze man nun auf das "Skalpell", sagte im Mai Obamas Spitzenberater im Anti-Terror-Krieg, John Brennan.

Doch auch die "Schattenkriege" haben der New York Times zufolge problematische Konsequenzen. So würden etwa die Unterschiede zwischen Soldaten und Spionen verwischt. Dies wiederum werde möglicherweise den Schutz für Soldaten durch die Genfer Konventionen aushebeln. Die missbräuchliche Anwendung von Gewalt durch geheim operierende Kräfte unterlägen darüber hinaus nicht mehr der Kontrolle durch den US-Kongress, stattdessen begäben sich die amerikanischen Akteure vor Ort zunehmend in die Abhängigkeit von autoritären Herrschern mit zweifelhaften Loyalitäten.

Der neue Kurs der Regierung verwandele den US-Auslandsgeheimdienst CIA zudem zunehmend in eine paramilitärische Organisation, schreibt die Zeitung weiter.

Das Verteidigungsministerium werde zugleich der CIA immer ähnlicher, weil das Pentagon immer häufiger etwa im Nahen Osten zu Spionagemissionen eingesetzt werde.

Die New York Times zitiert Jack Devine, einen ehemaligen hochrangigen CIA-Geheimagenten, der bei Geheimaktionen im Afghanistan-Krieg der Sowjetunion in den achtziger Jahren beteiligt war. Obwohl er in Bezug auf die verdeckte Kriegsführung sicher kein "Windbeutel" sei, so Devine, sehe er die heimlichen Aktionen kritisch. Es bestehe die Gefahr, dass die die Kontrollmechanismen unterlaufen würden, die der US-Kongress wegen Fehlern in der Vergangenheit eingeführt hat. "Wir entwickeln gerade ein neues Modell, und ich mache mir Sorgen, dass es da keine klare Regeln gibt."

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