Obamas Europa-Besuch:Koalition der Willigen, zweiter Teil

Geht es mit Obama ähnlich wie mit Bush? Europäer und Amerikaner streiten vor den Gipfeltreffen miteinander.

Jackson Janes

Jackson Janes leitet das American Institute for Contemporary German Studies, das die John-Hopkins-Universität (Baltimore) in Washington betreibt.

Obamas Europa-Besuch: Barack Obama hat einiges zu besprechen, mit den Europäern.

Barack Obama hat einiges zu besprechen, mit den Europäern.

(Foto: Foto: Reuters)

Barack Obama bereitet sich auf seinen Europa-Besuch vor, und die Agenda wird keine leichte sein. Beim Treffen der G20 in London und beim Jubiläumsgipfel der Nato in Straßburg und Kehl gibt es gleich mehrere Streitfragen. Obama wird - ganz wie zu Hause - versuchen, seine Popularitäts-Schecks einzulösen, um seine Anliegen voranzubringen. Er muss hoffen, dass nicht einige Schecks platzen.

Die Debatte über ein globales Konjunkturpaket. Die erste Herausforderung für die G20 wird sein, eine Balance zwischen zwei verschiedenen Antworten auf die Krise zu finden: zwischen Konjunkturanreizen sowie der Reform jener Strukturen, die die Rezession nicht verhindern konnten. Kompliziert wird das Ganze dadurch, dass die Europäer nicht mal untereinander einen Konsens haben. Vor allem Deutschland will nicht noch mehr Geld in das System pumpen, ohne vorher zu wissen, wie groß der Effekt der ersten Konjunkturpakete überhaupt war. Deutschland hat jene Länder kritisiert, die es an Disziplin mangeln ließen und sich jetzt von Europas reichster Volkswirtschaft Hilfe erhoffen. Andererseits wissen die Deutschen, dass die Ordnung in Europa nur zu erhalten ist, wenn die von der Rezession besonders schwer getroffenen Länder einen Kollaps à la Island verhindern können - und dass sie dazu Hilfe brauchen. Die Frage ist nun, wie ein solcher Kurs gesteuert werden kann.

Der Streit um Lösungen. Die Europäer wehren sich gegen den amerikanischen Druck, noch mehr Geld zur Konjunkturbelebung in die Wirtschaft zu pumpen. Sie weisen darauf hin, wie viel Geld bereits in die Wohlfahrtssysteme fließt, die in Europa die Leidtragenden der Rezession wesentlich stärker auffangen als in den USA. Den Amerikanern, so die verbreitete Ansicht, fehlt es nicht nur an einem solchen System, sondern auch an den Instrumenten zur Regulierung - und dies habe schließlich zu den weltweiten Problemen geführt. Die US-Antwort ist sarkastisch: Deutschland entwerfe Pläne für eine neue Feuerwache, während gleich nebenan die Brände wüten. Die deutsche Wirtschaft hängt vom Export ab, und deshalb argumentiert das Obama-Team, dass die Bundesrepublik eine besondere Verantwortung habe, die globale Nachfrage auf ausreichendem Niveau zu halten. Die Deutschen antworten nicht weniger sarkastisch. Sie werfen den Amerikanern vor, sich um angemessene Reformen zu drücken und hätten das selbst dann noch vor, wenn die Abwärtsspirale erst einmal gestoppt sei. Als Beleg führen die Deutschen die Bemühungen von Kanzlerin Angela Merkel während ihrer EU-Ratspräsidentschaft an, Hedgefonds einer stärkeren Kontrolle zu unterwerfen. Die USA und Großbritannien hatten sie damals abblitzen lassen. Am Ende wird jedoch beides nötig sein: strengere Regulierung und fortgesetzte Konjunkturprogramme. Über den Umfang und die Abfolge wird aber gestritten werden, auch unter dem Einfluss von nationalen Interessen, Wahlen sowie persönlichen Konflikten zwischen den nervösen Staatsmännern. Einige Deutsche sind derweil besonders beunruhigt durch die schleppende Zusammenstellung des Obama-Teams. Das trifft vor allem auf das Finanzministerium zu, wo Minister Timothy Geithner von der Strategie-Entwicklung bis zum Telefondienst alles selbst zu machen scheint, ohne adäquate Unterstützung - und unter dem zunehmenden Druck des Kongresses, endlich seine Pläne vorzulegen.

Der transatlantische Umgangston. Eine andere Sorge betrifft den Stil der Diskussion, der nach Meinung mancher einige unangenehme Erinnerungen an die Debatte über den Irak-Krieg hervorruft. Damals forderte die Bush-Regierung zum Kampf gegen die vermeintliche globale Bedrohung durch Saddam Hussein auf und wollte gar nicht hören, was Skeptiker zu sagen hatten. Heute könnte sich ein ähnlicher Streit über Mittel und Ziele zusammenbrauen, in erster Linie zwischen Washington und Berlin. Diesmal steht nicht in Zweifel, dass es eine klare und immanente Bedrohung gibt. Die Frage ist vielmehr, was man dagegen tun soll. Die Krise jedenfalls vermag in den transatlantischen Beziehungen sowohl spaltende als auch einende Kräfte zu entfalten. Welche werden wohl stärker sein?

Die Probleme der Nato in Afghanistan. Auf den G-20-Gipfel in London folgt der Nato-Gipfel in Straßburg. Auch hier wirken widerstrebende Kräfte auf die 60 Jahre alte Allianz. Im Zentrum der Debatte steht Afghanistan, das ein Testfall für die Nato werden soll. Obama hat bereits einen Maßstab gesetzt, indem er in seinen ersten Wochen im Amt neue Truppen schickte. Nun muss eine Einigung darüber her, wie alle Ressourcen gebündelt werden sollen, um das Land vor den Wahlen im August zu stabilisieren und hinterher im Gleichgewicht zu halten. Die Verteilung der Lasten innerhalb des Bündnisses bleibt dabei umstritten. Kürzlich rief ein Treffen all jener Staaten, deren Truppen im gefährlichen Süden eingesetzt sind, bei anderen Nationen Irritationen hervor. Die kleine Gruppe wollte das gemeinsame Vorgehen in Fragen koordinieren, die andere Mitglieder nicht betreffen - was gar kein gesundes Zeichen für ein Bündnis ist. Das Problem, sowohl Mittel als auch Ziele in Afghanistan neu zu justieren, bleibt auch wegen der ursprünglichen Aufteilung der Verantwortung ungelöst. Diese hat wiederum dazu beigetragen, eine schlüssige Politik zu unterhöhlen. Nun scheinen wir Schwierigkeiten zu haben, Solidarität und Synergie zu erreichen, obwohl wir genau jetzt beides dringend brauchen. Dass US-Verteidigungsminister Robert Gates sich nicht die Mühe macht, nach Straßburg zu reisen, könnte bedeuten, dass er einen Konsens für unerreichbar hält. Der Fall Afghanistan illustriert die Herausforderungen des Bündnisses, die die Partner nicht vorhergesehen haben, als die Nato einst gegründet wurde. Terrorismus, Attacken im Cyberspace, Klimawandel - das Wesen der Nato im 21. Jahrhundert muss neu definiert werden. Obama wird das in Straßburg deutlich machen.

Der Rockstar braucht konkreten Fortschritt. Als Präsidentschaftskandidat tourte Barack Obama vergangenen Sommer wie ein Rockstar durch Europa, so wurde er auf den Straßen von Berlin gefeiert. Als Präsident wird er sich diese Unterstützung natürlich erhalten wollen. Gleichzeitig wird er aber den Europäern sagen müssen, dass mehr als bisher getan werden muss. Es geht um konkrete Entscheidungen und Beschlüsse. Wir brauchen so viel Harmonie, wie wir nur bekommen können. Genau das wird Obama deutlicher als bisher aussprechen müssen. Die Gefahr besteht, dass sich eine andere, wohlbekannte Frage aufs Neue stellt: Wer ist dabei bei der Koalition der Willigen?

Übersetzung: Roman Deininger.

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