Obama und der Nahe Osten:Wer Israel helfen will, der hilft Syrien

Yes, you can: Wenn US-Präsident Barack Obama will, kann er sehr schnell Frieden zwischen Damaskus und Jerusalem vermitteln.

Avi Primor

Nachdem George W. Bush im Januar 2001 Präsident der Vereinigten Staaten geworden war, stellte sich sein neuer Außenminister Colin Powell den wichtigsten Kollegen weltweit telefonisch vor. Der britische Außenminister erzählte danach, Powell habe ihm zwanzig Minuten lang seine Ideen unterbreitet.

Obama und der Nahe Osten: Der gewählte US-Präsident Barack Obama als Hoffnungsträger für den Nahen Osten.

Der gewählte US-Präsident Barack Obama als Hoffnungsträger für den Nahen Osten.

(Foto: Foto: AFP)

Als er zu Ende gekommen war, fragte ihn der britische Kollege, warum er den Nahen Osten nicht erwähnt habe. Powell erwiderte, der Nahe Osten interessiere die neue Regierung nicht wirklich.

Der Vorgänger im Weißen Haus, Bill Clinton, habe sich jahrelang um Frieden dort bemüht, und die neue amerikanische Regierung sei nicht gewählt worden, um die gescheiterte Politik Clintons fortzusetzen. Die einzige Angelegenheit im Nahen Osten, die die neue Regierung interessiere, sei der Irak. Darüber aber werde er mit ihm unter vier Augen sprechen.

Die Haltung der neuen Bush-Regierung war nichts Außergewöhnliches. Neue US-Präsidenten widmen sich in der Regel zunächst der Innenpolitik. Und wenn sie sich dann für die Außenpolitik interessieren, wollen sie zunächst die Finger vom brisanten Nahen Osten lassen. In der Regel hält diese Einstellung aber nicht lange an. Irgendwann haben alle Präsidenten verstanden, dass das Nahostproblem eines jener Weltprobleme ist, das wichtige amerikanische Interessen berührt und nicht übersehen werden kann.

Dennoch tun sie wenig. Sie bemühen sich zwar seit Jimmy Carter, einen Frieden zwischen Israelis und den Arabern zu ermutigen, bleiben aber im Bereich der verbalen Bekenntnisse und bringen ihr Gewicht nicht ein. Auch Obama wird mit einer US-Bevölkerung rechnen müssen, die in ihrer großen Mehrheit Israel fast bedingungslos unterstützt, sich jedoch keine aktive Einmischung in den Friedensprozess wünscht.

Etwas in Bewegung setzen

Zweifellos wird sich Obama anfänglich mit dringenderen Problemen beschäftigen müssen, vor allem mit der Wirtschaftskrise. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass er wie all seine Vorgänger innerhalb kurzer Zeit zur Überzeugung kommen wird, dass er im Nahen und Mittleren Osten doch etwas in Bewegung setzen muss. Die Frage ist, was.

Seine Iran-Politik wird sich wahrscheinlich nicht wesentlich von derjenigen unterscheiden, die auch sein Vorgänger schon in Betracht gezogen hatte. Einen Militärangriff erwägt auch Bush offensichtlich nicht mehr, er schien sich für die Aufnahme teildiplomatischer Beziehungen mit Teheran entschieden zu haben (also die wechselseitige Einrichtung von Interessenvertretungen).

Auch im Irak wird Obama wenig ändern, weil sich die Situation dort verbessert und sich das Ende der US-Besatzung bereits am Horizont abzeichnet. Afghanistan ist ein Problem für ihn, doch abgesehen von einer verstärkten amerikanischen Intervention hat er dazu vorerst keine neuen Ideen eingebracht. Was bleibt, ist der Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarn.

Im israelisch-palästinensischen Konflikt gibt es wenig Neues zu erfinden. Wie ein Friedensvertrag zwischen Israel und den Palästinensern aussehen soll, liegt seit geraumer Zeit auf der Hand. Alle Friedensinitiativen, -projekte und -entwürfe ähneln, ja wiederholen sich. Weitere Gipfelkonferenzen werden nichts Neues bringen.

Erfolgschanchancen für Israel und Syrien

Das Problem ist nicht, einen Friedensvertrag zu entwerfen. Das Problem ist, ihn in die Tat umzusetzen. Und genau das ist unmöglich, weil es angesichts der Schwäche der palästinensischen Behörden niemanden gibt, der den Israelis nach einem Abzug aus dem Westjordanland Sicherheit gewährleisten kann. Auch Obama wird es sich aus innenpolitischen Erwägungen heraus nicht leisten können, nach dem Abzug der Israelis in den palästinensischen Gebieten die Verantwortung für ihre Sicherheit zu übernehmen.

Ein Thema, bei dem Obama mit einer Wende in der amerikanischen Politik gute Erfolgschancen hat (und zwar innerhalb einer relativ kurzen Zeit), ist die Frage des Friedens zwischen Israel und Syrien. Sowohl Syrien als auch Israel haben ein echtes Interesse an einem Friedensschluss. Beide kennen sehr wohl die wechselseitigen Bedingungen und Ansprüche und haben sich prinzipiell damit abgefunden.

Bereits seit Beginn der neunziger Jahre haben fünf israelische Ministerpräsidenten mehr oder weniger im Geheimen mit Syrien verhandelt. Das gegenseitige Interesse am Frieden ist mit der Zeit eher gewachsen. Israel braucht den Frieden mit Syrien, um die Kriegsgefahr mit dem Land ein für allemal zu bannen.

Die Kriegsgefahr besorgt die Israelis wie schon lange nicht mehr: Krieg würde heute Raketenkrieg bedeuten, der sich nicht auf die Front begrenzen, sondern alle Städte Israels betreffen würde. Andererseits ginge ein Frieden mit Syrien fast automatisch mit einem Frieden mit dem Libanon einher. Das wiederum würde bedeuten, dass Israel mit allen unmittelbaren Nachbarstaaten in Frieden lebt.

Ohne Syrien wird es keinen Krieg der Araber gegen Israel mehr geben können. Ohne Syrien würde auch die Hisbollah nicht mehr die Bedrohung darstellen, die sie heute ist. Und selbst die Hamas wäre ohne syrische Hilfe geschwächt. Syrien, das dann mit Israel und dadurch auch mit dem Westen verbunden wäre, würde in dem Fall auch ein wenig von Iran Abstand nehmen. Und damit würde für Israel auch die iranische Gefahr ein wenig geringer werden.

USA als Vermittler zwischen den Kontrahenten

Syrien braucht Israel, um die Isolation zu durchbrechen, in die es der Westen, aber auch die arabische Welt, gedrängt hat. Und natürlich will das Regime die Golan-Höhen zurückbekommen und damit seine innere Machtbasis stärken. Was fehlt, um den Wunsch der beiden Kontrahenten zu erfüllen, sind die Vereinigten Staaten. 1977 kam der ägyptische Präsident Sadat überraschend nach Israel, um einen Friedensprozess ins Leben zu rufen.

Schnell jedoch erwies sich, dass dazu ein Eingreifen Washingtons unentbehrlich war (Anfangs erfolgte dies nur zögerlich). Sadat brauchte wirtschaftliche, militärische und diplomatische US-Unterstützung, um sich die Trennung von seinen sowjetischen Verbündeten leisten zu können.

Genau so benötigt der syrische Präsident Assad heute massive Hilfe durch die USA - nicht nur, um aus seiner Isolation herauszukommen, sondern auch um sich von seinem einzigen Alliierten, Iran, trennen zu können. Diese Hilfe wollte Bush nie gewähren. Er zählt das syrische Regime noch immer zur Achse des Bösen, die beseitigt werden muss. Sollte Obama die Ausrichtung Amerikas hier ändern, so würde er eine so weit ausgereifte Situation vorfinden, dass er den Frieden quasi pflücken könnte.

Avi Primor ist Direktor des Zentrums für Europäische Studien an der Privatuniversität IDC Herzliya in Israel. Er war Botschafter des Staates Israel in der Bundesrepublik Deutschland.

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