Obama schließt Guantanamo:Exekution per Federstrich

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US-Präsident Obama zufolge soll Guantanamo innerhalb eines Jahres geschlossen werden. Umstritten ist jedoch, was mit den offenbar gewaltbereiten Häftlingen passiert.

Christian Wernicke

Es war im Sommer 2006, als George W. Bush erstmals öffentlich Zweifel einräumte an einem Symbol seiner Politik. "Ich möchte Guantanamo schließen", gestand der 43. US-Präsident. Es sei, so fügte Bush hinzu, für ihn "keine Frage", dass das Militärcamp auf Kuba dem Image Amerikas schade.

Ein Wandel auch in Guantanamo: Austausch der Präsidentenfotos in der amerikanischen Militärbasis. (Foto: Foto: AP)

30 Monate ist dieses Geständnis alt, und am Dienstag flog Bush per Hubschrauber aus dem Amt, ohne seine Nation von dem Schandlager befreit zu haben. 48 Stunden später, an seinem zweiten vollen Arbeitstag als Präsident, soll das nun Barack Obama erledigen. Mit drei Federstrichen. Denn Amerikas Umkehr, im Weißen Haus per präsidentieller Verfügung exekutiert, besteht aus drei Teilen.

Lager-Schließung in drei Akten

Erstens wird die CIA angewiesen, endgültig die geheimen Gefangenenlager zu schließen, in dem die Supermacht einst bis zu 100 Terrorverdächtige ohne jeden Rechtschutz hin und herschob. Zweitens untersagt der Präsident seinem Geheimdienst von sofort an jegliche Folter: Auch die CIA muss sich fortan mit jenen 19 Verhörmethoden begnügen, die im Feldhandbuch der Armee genehmigt sind.

Und damit ist das weltweit inzwischen berüchtigte "Waterboarding", also das simulierte Ertränken eines gefesselten Häftlings, verboten - jedenfalls so lange, wie der Präsident es per neuer Verordnung notfalls nicht doch wieder erlaubt. Das sei, zum Beispiel im Fall der Ergreifung von Osama bin Laden, jederzeit möglich, hieß es aus Obamas Stab.

Der dritte Akt läutet das Ende für Guantanamo ein, samt der umstrittenen Militärkommission im karibischen Zelt- und Containerdorf von "Camp Justice": Obamas Verfügung gebietet, das Lager solle "so schnell wie möglich geschlossen werden, und nicht später als ein Jahr vom Datum dieser Anordnung." Also spätestens am 21. Januar 2010.

Guantanamo auf dem Festland

Diese Übergangsphase von maximal einem Jahr beansprucht die neue Regierung, um das Erbe von Guantanamo zu ordnen. Allen voran das Pentagon und das Justizministerium müssen entscheiden, was mit den 245 noch einsitzenden "feindlichen Kämpfern" geschehen soll.

Sie werden irgendwann aufs amerikanische Festland geflogen - aber es ist offen, ob die Obama-Administration geständige Drahtzieher der Anschläge vom 11. September wie etwa Khalid Scheich Mohammed dann vor ein Zivil- oder ein Militärgericht stellen will.

Heftig umstritten unter Obamas Beratern ist zudem die Frage, was mit ganz offenbar gewaltbereiten Verdächtigen geschehen soll, gegen die die Beweislage nicht zur Anklage reicht (oder deren Geständnisse wegen foltergleicher Verhörmethoden unzulässig sind): Auch demokratische Sicherheitsexperten fordern, solche Gefangene schlicht in präventiver Schutzhaft zu behalten, während Bürgerrechtler warnen, damit schaffe die Regierung nur "ein Guantanamo auf dem Festland".

Vergleichsweise leicht zu lösen ist das Schicksal jener mehr als 60 Gefangenen, die das Pentagon längst als ungefährlich einstuft. Sie sitzen nur fest, weil sie in Heimatländern wie China, Algerien oder Tunesien neue Folter fürchten müssen.

Obama braucht Aufnahme-Hilfe aus Europa - um diese Opfer von der Insel zu lassen, ohne sie nach bis zu sieben Jahren Haft in einer neuen Hölle schmoren zu lassen.

© SZ vom 23.01.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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