Vormarsch der Isis-Miliz:Jordanien verstärkt Grenzschutz zum Irak

Wegen des Vormarschs der Isis-Kämpfer mobilisiert Jordanien Soldaten an der Grenze zum Irak. Die Dschihadisten sollen den einzigen irakisch-jordanischen Grenzübergang eingenommen haben. Berichten zufolge haben sie im Westirak 21 Menschen exekutiert.

  • Jordanien verstärkt Schutz der Grenze zum Irak
  • Dschihadisten erobern weitere Städte und sollen dort 21 Menschen exekutiert haben
  • Isis erobert wichtigen Grenzposten an irakisch-syrischer Grenze. Heftige Kämpfe um Tikrit
  • Ayatollah Ali Chamenei lehnt ausländische Intervention in Irak ab

Jordanien verstärkt Schutz der Grenze zum Irak

Angesichts des Vormarschs der extremistischen Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) verstärkt Jordanien den Grenzschutz zum benachbarten Irak. Armee-Einheiten entlang der mehr als 180 Kilometer langen Grenze seien in Alarmbereitschaft versetzt worden, sagte ein Militärvertreter zur Nachrichtenagentur Reuters. Inzwischen werde der einzige Grenzübergang auf irakischer Seite von sunnitischen Stammeskämpfern kontrolliert, verlautet aus jordanischen Sicherheitskreisen weiter. Die sunnitische Extremisten-Gruppe Isis hatte am Freitag bereits einen Grenzübergang zu Syrien eingenommen.

Dschihadisten erobern weitere Städte

Die Isis-Miliz hat am Sonntag ihre Kontrolle über den Nordwesten des Irak gefestigt und weitere Städte in der Grenzprovinz Anbar eingenommen. Die islamistischen Aufständischen hatten die westirakischen Städte Rawa und Ana gestürmt. Dort sollen sie 21 Menschen hingerichtet haben, wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Offiziere und Ärzte mitteilte. Die Exekutionen sollen demnach am Samstag und Sonntag erfolgt sein. Bei den Getöteten handele es sich den Angaben zufolge um Repräsentanten der bisherigen Autoritäten.

US-Außenminister Kerry steckt Kurs in Irak-Krise ab

Bei Gesprächen in Ägypten und Jordanien berät US-Außenminister John Kerry über Wege, die Isis-Miliz zu stoppen. Kein Land sei vor dieser Art von Terror sicher, sagt er in der ägyptischen Hauptstadt Kairo und verweist dabei zugleich auf die Unzufriedenheit der Sunniten, Kurden und auch einiger Schiiten mit der Regierung des schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Zur Lösung der Krise müssten konfessionelle Interessen in den Hintergrund rücken, mahnte Kerry.

Irakische Armee bereitet Sturm auf Tikrit vor

Nach großen Gebietsverlusten und dem Desertieren Tausender Soldaten will die irakische Regierung den Vormarsch der islamistischen Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (Isis) etwa 100 Kilometer vor Bagdad stoppen. In dem Gebiet zog das Militär nach Angaben von Regierungsmitarbeitern Truppen zusammen, die zum Gegenschlag gegen Isis ausholen sollen. Der Provinz-Gouverneur Abdulla al-Dschiburi forderte in einer vom irakischen Fernsehen übertragenen Ansprache an die Soldaten nahe Samarra, die Provinzhauptstadt Tikrit zurückzuerobern. Nach seinen Worten wurden im Raum Samarra etwa 50 000 Soldaten zusammengezogen.

De facto ist der Irak in drei Teile zerfallen. Neben den Siedlungsgebieten der Schiiten im Süden sind dies die von Sunniten bewohnten Regionen entlang des Tigris-Tals sowie die Kurden-Gebiete im Nordosten des Landes. Im Süden des Landes haben sich mittlerweile viele Freiwillige zu den Waffen gemeldet, um die sunnitischen Isis-Kämpfer zu stoppen.

Geistliches Oberhaupt Irans sagt Nein zu ausländischer Intervention

Das geistliche Oberhaupt Irans, Ayatollah Ali Chamenei, hat sich entschieden gegen jegliches Eingreifen ausländischer Mächte im Irak-Konflikt ausgesprochen und den USA vorgeworfen, den Konflikt ausnutzen zu wollen. Was derzeit im Irak geschehe, sei kein Krieg zwischen Sunniten und Schiiten, erklärte Chamenei auf seiner Website. Die USA wollten die Lage im Irak destabilisieren. Washington bedrohe die territoriale Integrität Iraks und wolle "Nutzen ziehen aus der Tätigkeit fanatischer und nichtswissender Elemente". Die Iraker seien selbst in der Lage, die Gewalt in ihrem Land zu stoppen, sagte Chamenei der iranischen Nachrichtenagentur Irna zufolge.

Iran ist ein Verbündeter des schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki, doch drängt er ihn seit langem, die Sunniten stärker einzubinden. Zudem ist Teheran bemüht, den Konflikt nicht als Kampf der Konfessionen, sondern als Kampf gegen den Extremismus darzustellen. Die militärischen Erfolge der Isis-Dschihadisten hatten zunächst zu einer vorsichtigen Annäherung zwischen den USA und Iran geführt, nachdem dessen Präsident Hassan Rohani die Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Kampf gegen die Extremisten signalisiert hatte.

US-Pentagon schließt Invasion des Irak aus und spricht von Kurzeinsatz

Der Einsatz von bis zu 300 US-Soldaten als Berater im Irak soll nach Angaben des Pentagon zügig beendet werden. "Wir führen amerikanische Truppen nicht für einen langen Aufenthalt zurück in den Irak, und sicherlich nicht, um an Kampfhandlungen teilzunehmen", sagt Pentagon-Sprecher John Kirby. Es handle sich um eine "diskrete, gemäßigte, vorübergehende Regelung", um sich ein besseres Bild von der Lage im Land zu machen. "Es ist keine Besetzung, es ist keine Invasion", sagte Kirby. Einen Zeitrahmen für den Einsatz gebe es allerdings noch nicht. Die Berater sollen im Lauf der kommenden Woche im Irak ankommen.

Iran schickt Agenten in den Irak

Iran hat nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums eine "kleine Zahl" von Agenten zur Unterstützung des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki ins Land geschickt. "Es gibt einige iranische revolutionäre Agenten im Irak, aber ich habe keine Anzeichen für Bodentruppen oder größere Einheiten gesehen", sagte Sprecher Kirby.

Dschihadisten bekämpfen sich untereinander

Bei Kämpfen in der irakischen Region Kirkuk haben interne Konflikte zwischen sunnitischen Aufständischen zu Gewalt und mehreren Toten geführt. Kämpfer der Miliz Isis und der Dschaisch al-Tarika al-Nakschbandia (JRTN) richteten in Hawija die Waffen aufeinander, dabei wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen vom Samstag 17 Menschen getötet. Die Gründe für den Gewaltausbruch sind noch unklar.

Irakischer Schiitenführer Al-Sistani fordert Einheitsregierung

Der einflussreiche Schiitenführer Ali al-Sistani ruft die gesamte Bevölkerung zum Kampf gegen Isis auf. Er fordert außerdem die Bildung einer neuen Regierung, die auch Sunniten und Kurden einbezieht. Gebraucht werde eine "effiziente" Regierung, "die auf nationaler Ebene akzeptiert wird und die Fehler der Vergangenheit vermeidet", sagte ein Sprecher von Großayatollah Ali al-Sistani. In dem Appell steckt Kritik am schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki, dem vorgeworfen wird, durch eine Diskriminierung der sunnitischen Minderheit die Spaltung des Landes vorangetrieben zu haben. Al-Malikis Partei hat die Parlamentswahl Ende April gewonnen und bemüht sich derzeit um die Bildung einer neuen Regierung. Zuvor hat schon die Opposition in Bagdad eine "Regierung der nationalen Einheit" gefordert, an der alle Volksgruppen beteiligt sein sollen.

Auch von außen wächst der Druck auf Maliki: Viele Politiker in Washington scheinen hinter den Kulissen an einem Rücktritt des Premiers interessiert zu sein (ein Überblick über dessen Herausforderungen) - darunter Außenminister John Kerry, Vizepräsident Joe Biden und - deutlicher - die Demokratin Dianne Feinstein sowie der republikanische Senator John McCain. Die Fortführung der Regierung Malikis wird allgemein als größtes Hindernis für jede politische Lösung des Konflikts zwischen Schiiten und Sunniten in Irak betrachtet.

Saddams einstige Chemiewaffenfabrik besetzt

Die Islamistengruppe Isis habe den Komplex Al-Muthanna besetzt, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki. Allerdings gehe man nicht davon aus, dass Isis in der Lage ist, dort Chemiewaffen zu produzieren, weil das dort lagernde Material veraltet ist. Der Komplex liegt etwa 70 Kilometer nordwestlich von Bagdad. Unter der Herrschaft Saddam Husseins waren dort nach Angaben des US-Geheimdienstes CIA Chemiewaffen wie Senfgas und das Nervengas Sarin produziert worden.

Linktipps:

Eine Geschichte des Irak - zusammengestellt von SZ-Autor Tim Neshitov.

Welche Rolle spielen deutsche Dschihadisten im Ausland - ein Überblick von Marie Delhaes.

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