Obama in Kairo:Ein bisschen Frieden

Amerikas Präsident Barack Obama zeigt in Kairo guten Willen - doch er formuliert auch klar die Interessen einer Supermacht.

Tomas Avenarius

Entweder war es einfach sehr gut inszeniert oder aber doch ein Timing-Fehler im präsidialen Ablaufplan: Während das Publikum noch die gerade durch den Saal laufende US-Außenministerin Hillary Clinton beklatschte, erschien schon der Redner - ohne eine Ankündigung, anfangs von den meisten unbemerkt. Alleine, aus einem Seiteneingang der Bühne auf das Rednerpult zuschreitend, war Barack Obama plötzlich da, nahm unvermittelt den Raum ein und begann zu sprechen.

Obama AP

US-Präsident Barack Obama.

(Foto: Foto: AP)

Wahrscheinlich war dies die einzig angemessene Form des Auftakts einer solchen Ansprache. Immerhin sollte sie außerhalb des Saales der Kairo-Universität mit der samtrot verhängten Bühne und den versammelten Würdenträgern und Prominenten auch noch ein Publikum von 1,3 Milliarden Menschen überzeugen. Und der Mann müsste quasi vom Himmel fallen, der diese übermenschliche Aufgabe erfüllen könnte.

"Assalamu alaikum" also zum Auftakt, der arabische Friedensgruß gesprochen von US-Präsident Obama. Und dann eine 50-minütige Tour de Force durch die Befindlichkeiten der islamischen Welt. Und die betreffen inzwischen auch die Befindlichkeiten so ziemlich aller anderen Menschen auf dieser Welt. Von der Palästina-Frage über die Kriege im Irak und Afghanistan und dem iranischen Atomprogramm bis hin zur Demokratisierung und der Frauenfrage sowie den Problemen zwischen Muslimen und Christen im Nahen Osten - Obama ließ kein Thema aus.

Er warb um Verständnis. Er zeigte Einsicht in Fehler des Westens, zollte den Errungenschaften der islamischen Kultur Respekt. Er würzte das ganze kräftig mit Zitaten aus dem Koran, mischt dezentere Verweise auf Bibel und Thora darunter. Kurz: Der Mann aus dem Weißen Haus präsentierte keine Allheilmittel und Lösungen, wo es keine gibt, sondern er warb um mehr Offenheit.

"Ich bin hierhergekommen, um einen Neubeginn zu suchen zwischen den USA und den Muslimen rund um die Welt. Einen Neubeginn, der auf gegenseitigem Respekt beruht. Einen Neubeginn, der auf der Wahrheit fußt, dass sich Amerika und der Islam nicht ausschließen und nicht im Wettstreit stehen müssen."

Kairo war gut vorbereitet für den Acht-Stunden-Besuch des US-Präsidenten. Cafés und Geschäfte wurden geschlossen, Fassaden und Mauern entlang der Protokoll-Strecke Obamas noch schnell geweißelt, ein paar Oppositionelle vorsorglich inhaftiert und in der ganzen Stadt Polizisten postiert.

Ein Treffen mit Präsident Hosni Mubarak stand am Anfang der Obama-Visite, dann ein Besuch der Pyramiden und des Ägyptischen Museums, ein Gespräch mit Oppositionellen und Intellektuellen. Der Höhepunkt und erkennbare Zweck der Reise aber war die Rede an der Universität.

Mit seiner Botschaft aus der Hochschule heraus wollte der US-Präsident beweisen, dass die Vereinigten Staaten und die westliche Welt den Ausgleich suchen mit den Menschen in der arabischen und islamischen Welt, dass sie Frieden wollen in einer Zeit, die von Krieg und Terror geprägt ist. Wobei die Rede nicht der ganz große Wurf war.

So, wie Obamas Kopf im gleichmäßigen Schwung von links nach rechts und von rechts nach links wanderte, um den Text auf den weit vor ihm versteckten Bildschirmen abzulesen, schwankte seine Rede zwischen nüchterner Analyse der Gegensätze und ehrlichem Gefühl für die Gemeinsamkeiten, zwischen einem Appell an das Verbindende und dem klar formulierten Standpunkt der Supermacht, sich weiter jeder Bedrohung mit Härte widersetzen zu wollen.

Aber im Fernsehzeitalter werden Reden in ihre Einzelteile zerbrochen. Es sind diese Bruchstücke, die die Menschen überzeugen. Und von solchen nützlichen Bruchstücken gab es genug in Obamas Botschaft. Weshalb es auch zu begeisterten "Obama"-Rufen kam an der Kairoer Universität.

Der Applaus der etwa 3000 geladenen Gäste war Hinweis darauf, was ankam und was nicht an dieser Rede des politischen Sowohl-als-auch. "Der Heilige Koran sagt: Wer einen Unschuldigen tötet, tötet die Menschheit, wer einen einzelnen Menschen rettet, rettet die Menschheit." Sehr großer Beifall.

Dann zum Streit zwischen Israelis und Palästinensern: "Ohne jeden Zweifel - die Lage der Palästinenser ist nicht tolerabel." Lauter Applaus. Es müsse Schluss sein mit der israelischen Siedlungspolitik und dem amerikanischen Gefangenenlager Guantanamo - ebenso großer Beifall.

Als es dann um Israel ging, um den Anspruch des jüdischen Staats auf Sicherheit und darum, dass den Holocaust niemand leugnen könne, da entstand deutlich weniger Bewegung im Saal. Dafür wuchs die Begeisterung wieder, als der US-Präsident klarstellte, dass jede Frau für sich entscheiden müsse, ob sie einen Schleier tragen wolle und dass Bildung für die muslimischen Frauen weit wichtiger sei als jede Kleiderfrage: "Wir dürfen Feindseligkeit gegenüber welcher Religion auch immer nicht tarnen als angeblichen Liberalismus."

Kurz gesagt legte Barack Obama in Kairo keinen Fahrplan vor für eine neue US-Nahost-Politik.

Er stellte nicht dar, was - außer erkennbar gutem Willen - seine Politik wirklich unterscheiden könnte von der seines Vorgängers George W. Bush, welcher der islamischen Welt verhasst bleibt. Er präsentierte sich aber als Politiker, der Einsicht zeigt und eben Willen.

Schwer zu sagen ob er die arabische und islamische Welt mit dieser Rede überzeugen konnte. Zumindest hat er sein Publikum, 1,3 Milliarden Menschen, nicht vor den Kopf gestoßen - wie es sein Vorgänger immer getan hatte. Das macht vielleicht noch keine historische Rede aus, aber es ist angesichts des schwierigen Verhältnisses zwischen der islamischen und der westlichen Welt schon ziemlich viel.

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