Obama bleibt Präsident:Schöne Geste für den großen Gast

Willkommen, Barack Obama! Angela Merkel und der wiedergewählte US-Präsident wollen sich in Berlin treffen - doch neben Europa wird er sich außenpolitisch vor allem auf Iran und Israel konzentrieren. Leichter wird die Politik nicht, die USA müssen erstmals ihre neuen Grenzen in der Welt verstehen.

Stefan Kornelius

Chancellor Merkel Meets With Barack Obama

Angela Merkel und Barack Obama im Juli 2008 in Berlin. 

(Foto: Getty Images)

Auch nach dem Wahltag ändert sich Barack Obamas größtes außenpolitisches Problem erst einmal nicht: die Innenpolitik in Amerika. Selbst wenn sich mindestens seit Ronald Reagan alle Präsidenten vor ihm in ihrer zweiten Amtsperiode zu großen Außenpolitikern entfalten konnten - Obama wird diese Chance zunächst wohl verwehrt bleiben. Denn bei allen Beschwörungen amerikanischer Stärke und Führungsfähigkeit, auch in der Wahlnacht: Die USA durchlaufen unter Barack Obama einen schmerzlichen Lernprozess, in dem sie erstmals ihre neuen Grenzen in der Welt verstehen müssen. Da wirken historische Kräfte, die stärker sind als jede Abrüstungsinitiative.

Obama hat dazu alles Nötige vor der Wahl gesagt - seiner ersten wohlgemerkt, im Jahr 2008: Amerika wird draußen in der Welt erst wieder stark sein, wenn es im Inneren stark ist. Und im Inneren drücken nach wie vor ein gewaltiges Haushaltsdefizit, ein nicht mehr zu finanzierendes Budget, der aufgeblähte Militärapparat und die zähe wirtschaftliche Lage. So lange es den USA ökonomisch nicht besser geht, wird sich Obama außenpolitischen Einfluss zumindest nicht erkaufen können. Und nach militärischen Einsätzen steht der Nation nach dem 6. November genauso wenig der Sinn wie vor dem Wahltag. Das haben auch die Wahlnachfragen an den Urnen ergeben.

Wann genau wird die rote Linie überschritten sein?

Es gibt eine wichtige Ausnahme: Iran. Inzwischen darf man Obama abnehmen, dass er einen Durchbruch Teherans beim Bau der Bombe nicht akzeptieren und im Zweifel zuvor mit gezielten Militärschlägen das Bauprogramm zurückwerfen wird. Nur: Wann genau wird die rote Linie überschritten sein? Und ist Iran sich seiner Lage bewusst? Vor der Wahl machte Teheran unmissverständlich deutlich, dass man nun das Gespräch mit den USA suche - Obama wird auf die Offerte reagieren müssen. Dabei wird er aber größte Schwierigkeiten haben, die Ernsthaftigkeit Irans einzuschätzen. Die Verhandlungsgeschichte über die vergangenen Jahre hat wenig Vertrauen entstehen lassen.

Obama wird auch nicht umhin kommen, in der zweiten Amtsperiode nach Israel zu reisen - in den ersten vier Jahren hat er sich in Jerusalem nicht blicken lassen. Nun will sich die US-Regierung wieder stärker in die mühsame Suche nach Frieden einmischen - und vielleicht kommt dem Präsidenten dabei der israelische Wahlkalender zu Hilfe. Premier Benjamin Netanjahu, mit dem er mehr als eine Rechnung offen hat, steht im Januar zur Wieder-, oder eben zur Abwahl.

Überhaupt haben die Fachleute in den USA erkannt, dass die Zeiten als Ordnungsmacht in der arabischen Welt vorbei sind. Obama wird mit den neuen Regierungen in Tunesien und Ägypten Beziehungen aufbauen müssen, er wird weiter versuchen, den Bürgerkrieg in Syrien politisch zu lösen. Befürworter einer militärischen Intervention gibt es nicht. Vielleicht bieten da auch die Iran-Gespräche einen Hebel, über das Nuklearthema hinaus die Sorgen Teherans über die künftige Machtbalance in der Region zu mildern. All das riecht nach Mühsal und taugt nicht für Schlagzeilen.

Dauerbaustellen China und Europa

Eine der ersten Aufgaben Obamas wird sein, den neuen Kongress auf die Welt draußen einzustimmen. Die größte Zäsur für die US-Außenpolitik brachte nämlich die Senatswahl, die eine völlig neue Generation von Außenpolitikern in die Verantwortung spülte: Bye-bye heißt es für die Veteranen Jon Kyl, Richard Lugar, Joe Lieberman oder Jim Webb, die Amerikas Oberhaus verlässlich auf internationalem Kurs gesteuert haben. Sie alle haben die glorreichen Jahre der Supermacht gestaltet, und nun sind sie nicht mehr dabei. Selbst John McCain, der bärbeißige Ersatz-Weltenlenker vom Capitol Hill, muss aus Verfahrensgründen den Vorsitzenden-Posten im Verteidigungsausschuss abgeben.

Obama hat sich im Wahljahr weitgehend von der Welt verabschiedet. Die Außenpolitik lag seit Sommer geradezu brach, sieht man ein wenig von der umtriebigen Hillary Clinton ab, die das Kabinett nun aber verlässt. Zwei Dauerbaustellen wird der Präsident sehr bald besichtigen müssen: China und Europa. Der gerade in Peking beginnende Machtwechsel bietet dabei die größten Chancen - aber auch Risiken. Chinas Außenpolitik und Amerikas pazifische Ambitionen müssen in Gleichklang gebracht werden, wenn die Welt sich einen neuen Großkonflikt ersparen will. Das erfordert viele Besuche und Gespräche. Obama wird das Thema nicht zu lange aufschieben.

Viele alte Bekannte, die sich nach Zuneigung sehnen

Und in Europa warten auf Obama viele alte Bekannte, die sich aber nach neuer Zuneigung sehnen. Die Beziehungen zu Russland liegen geradezu brach - Obama und der ewige Wiedergänger Putin werden sich etwas Neues jenseits der Re-Inszenierung vergangener Supermacht-Jahre einfallen lassen müssen, um den unbefriedigenden Status quo zu durchbrechen.

Bleibt die EU mit ihrer Währungs- und Schuldenkrise, die durchaus auch ein Problem für die USA darstellen. Auch aus Rücksicht auf die US-Wahl haben die europäischen Regierungschefs ihre Griechenland-Behandlung und die Veröffentlichung des Troika-Berichts verzögert. Nun wird es Zeit für eine transatlantische Bestandsaufnahme. Obama erwartet, dass Europa die wirtschaftliche Erholung der USA zumindest nicht gefährdet. Außerdem gibt es ein großes Projekt, das seit Jahren vor sich hindümpelt, weil entweder der Kongress oder Teile der EU keine Lust auf Neuerungen haben: eine transatlantische Freihandelszone. Obama muss nun nicht mehr auf die Gewerkschaften Rücksicht nehmen, die in den USA den größten Widerstand für das Handelsprojekt aufgebaut hatten. Und Europa? Da sitzt in François Hollande nun ein Gegner des Freihandels im Elysée - leichter wird die Politik nicht.

Eine Altlast wird mit Sicherheit abgeräumt: Die Planung sieht vor, dass Obama im nächsten Jahr - nach der Vereidigung und mit gebührendem Abstand zur Bundestagswahl - nach Berlin kommt. So ist es verabredet. Zweimal war er in der ersten Amtszeit in Deutschland gewesen, nie in der Hauptstadt. Nein, es stimmt nicht, dass er Angela Merkel noch zürnt, weil sie ihm den Wahlkampf-Auftritt am Brandenburger Tor verweigerte. Das liegt längst hinter den beiden. Aber der symbolische Besuch steht noch aus, und inzwischen haben sie auch im Umfeld Obamas erkannt, dass Deutschland einer der wenigen stabilen Anker in der EU ist.

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