Obama beim Klimagipfel in Kopenhagen:"Die Welt beobachtet uns"

Mitreißend und rhetorisch brillant: US-Präsident Obama warnt beim Weltklimagipfel vor einem Scheitern der Verhandlungen - bleibt aber neue Angebote schuldig. Die Gespräche könnten allerdings in die Verlängerung gehen.

US-Präsident Barack Obama hat beim Weltklimagipfel in einer mitreißenden und rhetorisch gewohnt brillanten Rede vor einem Scheitern der Verhandlungen gewarnt. "Die Welt beobachtet uns, und unsere Handlungsfähigkeit steht in Zweifel", sagte Obama vor 192 vertretenen Delegationen in Kopenhagen. "Der Klimawandel ist eine große und wachsende Gefahr für unsere Völker." Er bedeute eine Gefahr für Sicherheit, Wirtschaft und den Planeten.

Obama, Klimagipfel

Obama in Kopenhagen: rhetorisch stark, aber ohne neue Angebote.

(Foto: Foto: Reuters, AFP)

Die Frage sei nun, ob die Weltgemeinschaft es schaffe, gemeinsam zu handeln. Als zweitgrößter Produzent gefährlicher Treibhausgase seien die USA bereit, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Nach zweiwöchigen Verhandlungen müssten die Grundlage eines Abkommens klar sein, sagte Obama."Wir brauchen entschiedene nationale Taten, um unsere Emissionen zu senken", sagte Obama - ohne allerdings neue konkrete Angebote zu machen.

Der US-Präsident lobte die großen Schwellenländer, die allesamt ehrgeizige Ziele vorgelegt hätten, forderte allerdings Tranzparenz ein. "Wir müssen einen Kontrollmechanismus haben, ob wir die Klimaziele erfüllen." Jede Übereinkunft ohne mögliche Überprüfungen bestehe aus leeren Worthülsen. "Das macht keinen Sinn."

Obama betonte, die Zeit laufe aus. Es sei die Frage, ob man jetzt auseinanderlaufe oder gemeinsam handle. Amerika habe sich entschlossen. Die USA seien bereit, dieses Abkommen noch am Freitag zustande zu bringen. Es müsse aber Bewegung auf allen Seiten geben.

Kurz vor Obamas Rede verlautete aus der Delegation der dänischen Gastgeber, dass der Gipfel möglicherweise verlängert wird: "Es gibt für dieses Treffen keinen Zeitpunkt für ein Ende." Die New York Times berichtete in ihrer Internetausgabe, dass sogar eine Verlängerung bis Sonntag möglich sei. Plangemäß soll das Treffen mit Vertretern aus 192 Staaten am Freitagnachmittag enden.

Deutschland schöpft beim Weltklimagipfel wieder Hoffnung. "Wir haben jetzt keinen Stillstand mehr, sondern wir haben Bewegung in die richtige Richtung", sagte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). Die Runde von etwa 30 Staats- und Regierungschefs habe ein neues Papier vorgelegt, das den Anforderungen besser gerecht werde. Es enthalte das Ziel von weniger als zwei Grad Erderwärmung und klare Finanzzusagen. Zudem sei die Verantwortung der Schwellenländern festgeschrieben. Er warf China vor, nicht genug Angebote vorzulegen.

Zuvor waren die Verhandlungen ins Stocken geraten. In einer nächtlichen Verhandlungsrunde gelang es Unterhändlern einer Kerngruppe der wichtigsten Staaten und Regionen nicht, eine Linie in die wichtigsten Streitpunkte zu bringen. Sichtlich gestresst verließen Minister und Delegierte in den frühen Morgenstunden den Verhandlungssaal im Kongresszentrum.

Der schwedische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt sagte dem Fernsehsender SVT: "Die Lage ist sehr ernst". Es gebe eine Gruppe beim Gipfel, die sich "nicht konstruktiv" verhalte und verwies auf Schwellenländer wie China und Indien.

Auch die USA hätten "nicht genug getan", sagte Reinfeldt unmittelbar vor einem weiteren Sondertreffen der Kerngruppe, in der auch Kanzlerin Angela Merkel mitverhandelt.

Hoffnungen für einen Endspurt bei der Klimakonferenz ruhen auf einem Gespräch zwischen Obama und Chinas Regierungschef Wen Jiabao. Der Streit zwischen China und USA sowohl über Verminderungen von Treibhausgas-Emissionen wie auch über deren Kontrolle und Finanzhilfen an ärmere Länder war seit Beginn der Klimakonferenz vor fast zwei Wochen eines der wichtigsten Hindernisse für eine Einigung.

Die Stimmung bei dem Mammuttreffen mit mehr als 10.000 Delegierten sei schlecht, hieß es aus Verhandlungskreisen. Die Kerngruppe von gut zwei Dutzend Spitzenpolitikern soll eine politische Erklärung für die Plenums-Verhandlungen des Weltklimagipfels erarbeiten. "Wir brauchen die Zustimmung jeder einzelnen Delegation", betonte Japans Premierminister Yukio Hatoyama.

Den Plan, diesen Freitag einen rechtsverbindlichen Klimavertrag zu beschließen, der am 1. Januar 2013 das Kyoto-Protokoll ablösen und diesmal auch für die USA sowie alle Schwellen- und Entwicklungsländer gelten könnte, hat die Staatengemeinschaft angesichts der stockenden Vorverhandlungen schon vor Monaten aufgegeben.

Stattdessen soll ein politisch verbindliches Abkommen unterzeichnet werden, das aber bereits die wichtigsten Auflagen für jedes Land enthalten und in den Folgemonaten zum Vertrag weitergesponnen werden sollte.

Noch gegen Mitternacht hatte sich die Stimmung beim Klimagipfel vorübergehend gebessert, als sich nach einem Gala-Essen bei Königin Margrethe II. die Gruppe aus Staats- und Regierungschefs aus verschiedenen Kontinenten auf Initiative der EU zu einem improvisierten "Mini-Gipfel" traf.

Zu den Teilnehmerländern gehörten neben Deutschland und anderen maßgeblichen EU-Ländern auch Südafrika, Japan, Australien, und für die vom Klimawandel besonders hart betroffenen Länder Bangladesch und der Inselstaat Malediven. Die USA waren durch Außenministerin Hillary Clinton vertreten. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nahmen am nächtlichen Kopenhagener Mini-Gipfel teil. Dagegen fehlte Chinas Regierungschef Wen Jiabao.

Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg sagte: "Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und trotzdem gibt es keine Lösung." Zwar habe ein guter Ton und ein guter Wille geherrscht, aber man sei "eigentlich nicht weitergekommen". Er fürchte, dass es kein Abkommen geben werde.

SPD-Chef warnt vor Löchern in der Einigung

Der SPD-Chef und frühere Umweltminister Sigmar Gabriel warnte davor, ein Klimaschutzabkommen durch zu viele Ausnahmen zu verwässern. Bei der UN-Klimaschutzkonferenz in Kopenhagen müsse darauf geachtet werden, dass eine Einigung nicht durch allzu viele Ausnahmen "durchlöchert" werden könne, sagte Gabriel dem Deutschlandfunk.

Er geht nach eigenen Angaben nicht davon aus, dass es bei der Konferenz noch gelingen werde, dass die Industrieländer eine Verringerung ihres Ausstoßes klimaschädlicher Emissionen um 25 bis 40 Prozent zusagen. Dies sei aber aus wissenschaftlicher Sicht notwendig, um die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels deutlich einzudämmen.

Im Video: Beim Klimagipfel in Kopenhagen haben die Staats- und Regierungschefs von 26 einfulssreichen Staaten bis tief in die Nacht über einen Vertragsentwurf beraten

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