Nürnberg:Lebenslange Haft für "Reichsbürger"

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Das Landesgericht wertet tödliche Schüsse auf einen Polizisten als Mord. Bayerns Innenminister spricht von einem gerechten Urteil.

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Der sogenannte Reichsbürger Wolfgang P., der vor einem Jahr in der fränkischen Gemeinde Georgensgmünd einen Polizisten getötet und zwei weitere Beamte verletzt hatte, ist am Montag zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Landgericht Nürnberg-Fürth befand den 50-Jährigen des Mordes und des zweifachen versuchten Mordes für schuldig. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte das "harte Urteil" als "gerecht".

Bei dem Polizeieinsatz am 19. Oktober 2016 sollten die 31 Pistolen und Gewehre des Sportschützen sichergestellt werden. Wolfgang P. schoss dabei ohne Vorwarnung auf die Spezialeinsatzkräfte vor seiner Tür. Diese Tat rückte das Phänomen der "Reichsbürger"-Bewegung, das bis vor einem Jahr fast unbemerkt existierte, jäh ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik, ihre Gesetze und Amtsträger nicht an. Inzwischen werden sie verstärkt vom Verfassungsschutz überwacht. Allein in Bayern wurden seitdem etwa 3250 Personen der "Reichsbürger"-Szene zugeordnet.

Die Schwurgerichtskammer mit der Vorsitzenden Richterin Barbara Richter-Zeininger sah die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe erfüllt, aber keine besondere Schwere der Schuld. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung theoretisch möglich.

P.s Anwältin kündigte an, in Revision zu gehen. Der ermordete Polizist Daniel E. hatte als Technik-Spezialist den Auftrag gehabt, Wolfgang P.s Wohnungstür zu öffnen. Er war, anders als seine Kollegen, nicht durch einen Schild geschützt. Von den elf Schüssen, die P. abgab, schlugen sieben in seinen Körper und seine Ausrüstung ein. Der Polizist starb einen Tag nach dem Einsatz an den Folgen seiner Verletzungen. Die Richter hatten den Tathergang nachgestellt und waren sich sicher, dass Wolfgang P. durch die teilverglaste Tür seiner Wohnung nicht nur gesehen hat, dass da die Polizei stand, sondern auch, dass der Beamte, auf den er zielte, gebückt und wehrlos war. Für das Gericht war außerdem erwiesen, dass P. mit dem Einsatz gerechnet hatte.

Das Tatmotiv leitet sich aus Sicht des Gerichts aus P.s Weltbild ab. "Die Kammer ist davon überzeugt, dass sich der Angeklagte deshalb zur Schussabgabe berechtigt fühlte, weil sein von ihm geschaffenes Staatsgebiet angegriffen wurde", sagte Richter-Zeininger. Der bis dahin unauffällige Lebenslauf P.s sei 2015 durch die Folgen eines Verkehrsunfalls unterbrochen worden. Von da an habe er sich verändert: Er gab seinen Personalausweis ab, zahlte keine Steuern mehr, erklärte sein Grundstück zum Staat und umgab sich mit Bekannten, die derselben Ideologie anhängen. Trotz dieser Gedanken sei er nicht wahnhaft. "Der Angeklagte war bei der Tat voll schuldfähig."

In Halle läuft ein weiterer Prozess gegen einen mutmaßlichen Reichsbürger. Der frühere Mister Germany Adrian U. soll im August 2016 bei einer versuchten Zwangsräumung auf einen Beamten geschossen und diesen verletzt haben. Wolfgang P. hatte sich ein Video von dem Einsatz mehrmals angesehen und Kontakt zu U. aufgenommen.

© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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