NSU-Prozess:Wohllebens Anwalt will Präsentation von verräterischem Shirt verhindern

Wohlleben fordert Neustart des NSU-Prozesses

Welche Aussagekraft hat ein T-Shirt? Ralf Wohlleben Anfang März im NSU-Prozess

(Foto: dpa)
  • Ralf Wohllebens Anwalt will verhindern, dass ein für den Angeklagten unangenehmer Fund im Gericht präsentiert wird.
  • Es geht um ein T-Shirt mit der Aufschrift "Eisenbahnromantik" und einem Bild der Zufahrt zum Konzentrationslager Auschwitz.
  • Der Anwalt der Hauptangeklagten Zschäpe sieht keinen Beweis dafür, dass seine Mandantin nach dem Anschlag in der Kölner Keupstraße 2004 verdächtige TV-Aufzeichnungen gemacht haben soll.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

An diesem 272. Tag im NSU-Prozess wird es mal wieder grundsätzlich. Olaf Klemke, der Anwalt des Angeklagten Ralf Wohlleben, stellt den Antrag, das Verfahren gegen seinen Mandanten abzutrennen und den Prozess auszusetzen. Er müsste neu beginnen.

Zunächst aber will Klemke an diesem Donnerstag verhindern, dass eine Beamtin als Zeugin aussagen kann, die einen für Wohlleben unangenehmen Fund aus dessen Wohnung präsentieren soll: ein T-Shirt mit dem Schriftzug "Eisenbahnromantik" und offenbar einem Bild der Zufahrt zum Konzentrationslager Auschwitz. Klemke behauptet unverdrossen, das Shirt lasse "verschiedene Deutungen" zu.

In jedem Falle würde das Kleidungsstück, das Ende 2011 bei Wohlleben gefunden wurde, nichts über die Gesinnung seines Mandanten aussagen, behauptet Klemke. Und mit den hier angeklagten Taten habe es auch nichts zu tun, zumal keines der NSU-Opfer "mosaischen Glaubens" sei. So redet der Rechtsanwalt Olaf Klemke. Er weiß, was er gerade noch sagen darf und was nicht. Dass er zu jenen gehört, die mit besonderem Eifer Angeklagte aus der rechten Szene verteidigen, wird immer wieder deutlich.

Nur: Das nützt seinem Mandanten bisher wenig. Mit großem Tamtam haben Klemke und seine Kollegen etliche Befangenheitsanträge gegen die Richter gestellt oder verlangt, Wohlleben aus der Haft zu entlassen. Doch Erfolg hatten sie damit nicht. Und so wird nun wohl auch der neue Antrage Klemkes ins Leere gehen - ebenso wie seine scharfen Vorwürfe gegen die Bundesanwaltschaft. Diese würde "aus sachfremden Erwägungen Stimmung gegen unseren Mandanten" machen wollen, behauptet Klemke. Die Staatsanwälte würden nach Gutdünken Material zu den Gerichtsakten reichen.

Klemke hat einen kleinen Erfolg erzielt

Offensichtlich ist mit dem T-Shirt ein wunder Punkt getroffen. Der frühere NPD-Funktionär Wohlleben, dem Beihilfe zu Mord in neun Fällen vorgeworfen wird, hatte vor Gericht versucht, von sich das Bild eines braven Patrioten zu zeichnen, der mit Gewalt nie etwas zu tun gehabt habe. Das wirkte wenig glaubwürdig. Nun kommt auch noch das T-Shirt dazu.

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten weist die Vorwürfe Klemkes ebenso kühl wie souverän zurück. Er erklärt, warum das T-Shirt, das zunächst nicht für verfahrensrelevant gehalten wurde, nun doch eingeführt werden soll. Denn Wohlleben habe ja selbst in seiner Aussage unter anderem einen Film zeigen lassen, um seine Gesinnung darzustellen. Weingarten führt den Verteidigern vor Augen, dass sie sich selbst in eine Sackgasse begeben haben.

Einen kleinen Erfolg aber hat Klemke nun erzielt. Die Beamtin, die als Zeugin über das T-Shirt sprechen sollte (es wäre dann sicherlich, zumindest auf Fotos, auch im Gerichtssaal gezeigt worden) kommt an diesem Tag nicht mehr an die Reihe. Und jetzt geht das Gericht erst einmal in die Osterpause.

Stammen verdächtige TV-Aufnahmen von Zschäpe?

Zu Beginn des Prozesstages stand am Donnerstag zunächst nicht Ralf Wohlleben im Mittelpunkt, sondern Beate Zschäpe. Es ging um ein Indiz, das vor Kurzem bereits Aufsehen erregt hatte: um TV-Aufzeichnungen eines Anschlags.

Jemand muss aufmerksam vor einem Videorekorder gesessen und fleißig Sendungen des WDR und von n-tv aufgezeichnet haben, nachdem Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 9. Juni 2004 in Köln eine Nagelbombe gezündet hatten. Etwa um 16 Uhr explodierte die Bombe - und bereits zwei Stunden später wurden TV-Berichte über die Tat mitgeschnitten. So schnell konnten Mundlos und Böhnhardt nicht zurück in Zwickau sein.

Hat die Hauptangeklagte Zschäpe die Aufnahmen gemacht, die in Zwickau gefunden wurden? Und war sie damit stärker in den NSU eingebunden, als sie bisher zugegeben hat? Die Ermittlungen liefern dafür Indizien, aber Zschäpes Verteidiger Mathias Grasel tritt dem Eindruck entschieden entgegen.

Es sei vorstellbar, sagt Grasel, dass Mundlos und Böhnhardt selbst die Sendungen aufgezeichnet hätten, als sie noch in Köln unterwegs waren. Eventuell könnte ihnen auch ein Unterstützer geholfen haben. Prinzipiell könne doch jeder den Mitschnitt angefertigt haben. Es sei ja nicht einmal ein VHS-Rekorder in Zwickau gefunden worden, sagt Grasel.

Der Nebenklage-Anwalt Yavuz Narin wirft Zschäpes Verteidiger daraufhin vor, die Ergebnisse der Ermittlungen nur selektiv wahrzunehmen. So seien in Zwickau beispielsweise auch VHS-Kassetten gefunden worden. Wahrscheinlich sei der analoge Recorder entsorgt worden, als man auf digitale Geräte umstellte.

Offen bleibt, wie Zschäpe vom Tod von Mundlos und Böhnhardt erfahren hat

Eine BKA-Beamtin breitet ihre Recherchen aus. Daraus ergibt sich, dass sehr wahrscheinlich in der damaligen Wohnung von Zschäpe und ihren Freunden in Zwickau die Sender n-tv und WDR über Kabel empfangen werden konnten. Insgesamt zwölf Beiträge wurden noch am Tag des Anschlags per Video aufgenommen, dabei wurde offenbar zwischen den Kanälen hin und her geschaltet. Eine Mediathek gab es im Juni 2004 noch nicht.

"Es entstand für mich der Eindruck, dass jemand vor dem Gerät gesessen haben muss und die Sender gewechselt hat", sagt die Zeugin. Letztlich könne sie allerdings nicht die Frage beantworten, wer die Aufnahme gemacht hat. Theoretisch könnten die Sendungen auch an einem anderen Ort als in Zwickau mitgeschnitten worden sein.

Weiterhin offen bleibt zudem, wie Zschäpe am 4. November 2011 vom Tod ihrer Freunde Mundlos und Böhnhardt erfahren hat. Vor Gericht ließ sie im Dezember vortragen, sie habe davon aus dem Radio erfahren. Kann das sein? Zschäpe setzte die Wohnung an diesem Tag gegen 15 Uhr in Brand, zuvor surfte sie nachweislich im Internet und suchte dort offenbar auch nach Nachrichten über den Verbleib ihrer Freunde. Doch laut Ermittlungen hatten die Medien zu dem Zeitpunkt noch gar nicht über das Wohnmobil in Eisenach berichtet, in dem sich Mundlos und Böhnhardt töteten, nachdem die Polizei den Wagen entdeckt hatte.

Wie die BKA-Beamtin erläutert, stellte ein Kriminaltechniker fest, dass Zschäpe auch über das Internet Radio gehört haben kann, und zwar den Sender MDR. Doch zunächst sei auch dort nur über den Bankraub in Eisenach berichtet worden, und erst ab 15.30 Uhr vom Wohnmobil und den dort gefundenen Leichen. Oder gab es irgendwo doch eine Sendung, in der die Toten bereits erwähnt wurden? Zschäpes Anwalt sagt: Die Angaben seiner Mandantin seien keineswegs widerlegt. Die Angeklagte beharrt auf ihrer Version.

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