NSU-Prozess:Wohlleben schwer belastet

Das Geld für die Mordwaffe habe er vom Mitangeklagten erhalten, sagt Carsten S.

Von Annette Ramelsberger

Der NSU-Prozess wird vermutlich bis in den Herbst 2016 dauern. Das Oberlandesgericht München setzte am Mittwoch weitere 39 Verhandlungstage fest - über die bisherigen Termine bis zum 1. September hinaus. Theoretisch könnte der Prozess auch erst im Januar 2017 zu Ende gehen. Damit rechnet aber niemand, die Termine gelten als eine Art richterliche Vorratshaltung, um auf der sicheren Seite zu sein. Denn jederzeit ist mit neuen Befangenheitsanträgen zu rechnen, die den Prozess verzögern - insbesondere von der Verteidigung des Angeklagten Ralf Wohlleben, der sich offensichtlich in der Defensive sieht. Mittlerweile wurden bereits zwölf Befangenheitsanträge gegen das Gericht gestellt.

Der frühere NPD-Funktionär Wohlleben ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Carsten S. soll im Auftrag von Wohlleben die Tatwaffe für neun Morde des NSU besorgt und sie dem NSU-Trio übergeben haben. Das Geld dafür soll Carsten S. von Wohlleben bekommen haben.

Carsten S. war noch recht jung, als er in Jena in der rechten Szene war und dort Führungsaufgaben übernahm. Er galt als rechte Hand von Wohlleben, der später NPD-Funktionär wurde. Das Gericht hatte Wohlleben bereits vor ein paar Wochen mitgeteilt, dass es Teile seiner Erklärungen für unglaubwürdig hält. Nun ist er am Mittwoch erneut belastet worden. Der Angeklagte Carsten S., der sich schon vor Jahren von der Naziszene abgewandt hat, sagte zum wiederholten Male, er habe das Geld für die Tatwaffe des NSU von Wohlleben erhalten und von sonst niemandem. Das hatte Wohlleben bestritten. Wohlleben hatte vor Gericht versichert, er habe dieses Geld nicht gehabt und es Carsten S. auch nicht gegeben. Er habe gar nicht gewollt, dass die drei im Untergrund eine Waffe erhielten, aus Sorge, sie könnten sich damit erschießen - in dem Fall, dass sie von der Polizei entdeckt werden. Er habe Carsten S. nur den Tipp gegeben, in einen bestimmten Szeneladen zu gehen und dort nach einer Waffe zu fragen - er sei aber nicht davon ausgegangen, dass es dort Waffen gebe. Vielleicht habe Carsten S. das Geld dafür von Tino Brandt erhalten. Brandt war damals Anführer des Thüringer Heimatschutzes und V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes.

Carsten S. ergriff am Mittwoch dazu selbst das Wort: "Die Geschichte, er habe mir nur einen Tipp gegeben, ist Unsinn." Er habe nur das weitergegeben, was Wohlleben und die drei im Untergrund ihm aufgetragen hätten. Auch das Geld für die Waffe habe er von niemand anderem bekommen. "Das Geld habe ich von Herrn Wohlleben bekommen, da war kein Tino Brandt mit involviert", sagte Carsten S. Bei diesen Worten begann Wohlleben erregt mit seinen Anwälten zu sprechen.

Im Prozess sagten auch zwei Polizisten aus, die das Wohnmobil durchsucht hatten, in dem sich die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen hatten. Sie hatten darin eine Maschinenpistole auf einer Sitzbank und einen Revolver auf einem Bett gefunden, sowie eine Übungshandgranate und eine Schreckschusswaffe. Zwei Pumpguns und die Dienstwaffen der in Heilbronn überfallenen Polizisten waren da schon abtransportiert worden.

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