NSU-Prozess:Vermeintliches NSU-Opfer soll gar nicht existieren

  • Als ein angebliches NSU-Opfer einen Prozesstermin nach dem anderen versäumt, wird der Richter misstrauisch.
  • Es stellt sich heraus: Die Frau existiert wohl gar nicht.
  • Ihr Anwalt legt sein Mandat nieder und sagt, er sei getäuscht worden.

Auch bei der dritten Vorladung nicht vor Gericht erschienen

Im Münchner NSU-Prozess ist eine Frau als vermeintliches Opfer und Nebenklägerin zugelassen, die "nach aktuellem Kenntnisstand gar nicht existent sein dürfte". Das hat einer der Nebenklage-Anwälte in dem Verfahren, Ralph Willms, am Freitag mitgeteilt.

Die Zeugin Meral Keskin, angeblich ein Opfer des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße im Jahr 2004, war am Dienstag auch bei ihrer dritten Vorladung nicht vor Gericht erschienen. Beim ersten Mal hatte Willms, der sie seit Beginn des NSU-Prozesses im Mai 2013 vertritt, gesagt, sie habe ihren Flug aus der Türkei verpasst, beim zweiten Mal war sie angeblich auf dem Weg zum Gericht zusammengebrochen. Beim dritten Mal wurde Richter Manfred Götzl misstrauisch und forderte Willms auf, mehr in Erfahrung zu bringen.

Ein anderer Nebenkläger soll den Anwalt getäuscht haben

Spiegel Online berichtet, der Zulassung Keskins als Nebenklägerin habe ein ärztliches Attest zu Grunde gelegen. Nun habe sich allerdings herausgestellt, dass dasselbe Attest - gleicher Inhalt, gleiche Handschrift, gleiches Datum, anderer Patientenname - auch für ein anderes Opfer eingereicht worden sei.

Willms teilte mit, er sei von einem anderen vermeintlichen Opfer des Bombenanschlags in Keupstraße getäuscht worden. Dieser Nebenkläger habe vorgegeben, Meral Keskin zu kennen, und habe Willms auch ein Foto von ihr gezeigt. "Zufällig" habe sich jetzt aber herausgestellt, dass der Nebenkläger dasselbe Foto auch einem anderen Anwalt gezeigt und mit einer anderen Identität versehen habe. In der Mitteilung ist von "betrügerischen Machenschaften" des Nebenklägers die Rede.

Spiegel Online berichtet, Willms habe am Freitag sein Mandat niedergelegt und gegen den Nebenkläger Strafanzeige erstattet, der ihn getäuscht haben soll. Willms habe zugegeben, dass er ihm für die Vermittlung des Mandats eine Provision gezahlt habe. Der Nebenkläger und sein Anwalt seien für eine Stellungnahme nicht erreichbar gewesen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: