NSU-Prozess:Gericht bedauert Verschiebung

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Nach dem Streit um die Platzvergabe droht dem Oberlandesgericht nun neuer Ärger: Einer der Nebenkläger-Anwälte hat die Videoübertragung in einen anderen Saal beantragt.

(Foto: AFP)

OLG-Präsident Huber bedauert die Verschiebung des NSU-Prozesses - und will für die zusätzlichen Kosten der Nebenkläger aufkommen. Der Vater eines Opfers dringt auf eine Videoübertragung des Verfahrens.

Der Präsident des Münchner Oberlandesgerichts, Karl Huber, hat die Verschiebung des NSU-Prozesses bedauert. Bei einem Besuch des türkischen Menschenrechtsbeauftragten, der eigens zum Prozessbeginn nach München gereist war, sagte Huber am Mittwoch, er habe es "sehr bedauert", dass der Prozess um drei Wochen verlegt werden musste. Ursache dafür sei gewesen, dass "die Akkreditierung der Medien "nicht optimal gelaufen" sei.

Huber sagte der SZ nach dem Gespräch, das Gericht tue alles, um nun dem Gleichheitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Auch werde das Gericht für die zusätzlichen Kosten der oft von weit her angereisten Nebenkläger aufkommen. Das Gespräch mit der türkischen Delegation sei gut und verständnisvoll gewesen.

Bayerns Justizministerin Beate Merk hatte bereits am Dienstag angekündigt, dass die Angehörigen der Mordopfer einen finanziellen Ausgleich erhalten sollen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer kündigte außerdem an, den türkischen Botschafter wegen des missglückten Prozessbeginns vor dem Münchner Oberlandesgericht zu einem Gespräch einzuladen.

Unterdessen hat ein Anwalt der Nebenklage eine Übertragung der Verhandlung in einen zweiten Saal beantragt. Der Antrag ist am MIttwoch beim 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts eingereicht worden, das hat Anwalt Alexander Kienzle Süddeutsche.de bestätigt. Er gehe davon aus, dass das Gericht vor dem neuen Termin für den Prozessbeginn am 6. Mai darüber entscheide.

Die Anwälte von Kienzles Kanzlei vertreten die Hinterbliebenen des Kasseler NSU-Opfers Halit Yozgat. Der damals 21-Jährige wurde im April 2006 in einem Internetcafé erschossen. Er war das neunte Opfer der Neonazis.

"100 Sitzplätze reichen nicht aus"

Insgesamt gibt es beim NSU-Prozess im Schwurgerichtssaal A 101 - dem größten Gerichtssaal in München - nur gut 100 Plätze für die Öffentlichkeit. Es wird davon ausgegangen, dass 50 davon auch in dem neuen Akkreditierungsverfahren für die Medien reserviert sein werden. Details dazu sind aber noch nicht bekannt.

"Wir sind der Überzeugung, dass die 100 Sitzplätze nicht ausreichen, um eine angemessene Öffentlichkeit im Gericht herzustellen", sagt Anwalt Kienzle.

Eigentlich hätte an diesem Mittwoch der Prozess beginnen sollen. Doch das Bundesverfassungsgericht hatte am vergangenen Freitag entschieden, dass das Oberlandesgericht München an ausländische Medien eine angemessene Zahl von Sitzplätzen vergeben müsse. Vorgeschlagen wurden drei zusätzliche Plätze - oder aber ein neues Verfahren der Sitzplatzvergabe.

Das Oberlandesgericht entschied daraufhin, das Akkreditierungsverfahren für Medienvertreter neu zu starten und verschob den Prozessbeginn auf den 6. Mai. Dennoch wird von mehreren Seiten weiterhin gefordert, das Kontingent für Journalisten zu erhöhen - beispielsweise durch eine Videoübertragung in einen zweiten Saal des Münchner Gerichts.

Das OLG lehnte eine Übertragung bislang ab - zu groß sei das Risiko, dass das Urteil dann einer Revision nicht standhalte. Auch der Präsident des Bundesgerichtshofs, Klaus Tolksdorf, hatte Bedenken gegen eine Videoübertragung geäußert: "Die rechtlichen Fragen einer solchen Übertragung sind hoch schwierig", erklärte er. Im Falle einer Revision beim NSU-Verfahren ist der BGH zuständig.

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