NSU-Prozess:Schulfreund schildert frühe Anzeichen von Fanatismus

Federal Prosecutor's Office Press Conference About Neo-Nazi Investigations

Vom Pazifisten zum Rechts-Terroristen: Ein Zeuge schildert Uwe Mundlos' Wandlung.

(Foto: Getty Images)
  • Im NSU-Prozess sagt an diesem Verhandlungstag ein Schulfreund von Uwe Mundlos, mutmaßliches Mitglied der Terrorgruppe NSU, aus.
  • Er berichtet, wie Mundlos immer weiter in die rechte Szene abdriftete und in Diskussionen über den Nationalsozialismus schon früh "eine gewisse Kälte und Erbarmungslosigkeit" gezeigt habe.
  • Auch an die Hauptangeklagte Beate Zschäpe kann sich der Zeuge erinnern. Sie reagiert verärgert auf seine Aussage.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz, München

In der Schule waren Andreas R. und Uwe Mundlos beste Freunde. Sie kannten sich seit der ersten Klasse, vielleicht sogar schon aus dem Kindergarten. Später verloren sie sich aus den Augen und Mundlos driftete immer weiter ab nach rechts.

Jetzt sitzt Andreas R. als Zeuge im NSU-Prozess, 41 Jahre alt, Verkaufsleiter in München. Er ist eloquent, wirkt reflektiert. Er sagt, er habe Glück gehabt, dass er nicht selbst in die rechte Szene gerutscht sei. Uwe Mundlos "hat mich nicht erwischt mit seinen rechten Parolen".

Bis etwa zur 5. oder 6. Klasse sei Mundlos "eher pazifistisch" gewesen. Habe langes Haar getragen ("Naturlocken") und selbstgestrickte Pullover. Mundlos sei gegen alles gewesen, was vom DDR-System gekommen sei. "Er war gegen die Armee, die Partei, und hat das zur Schau gestellt. Er war da schon was Besonderes", sagt Andreas R.

In der 6. oder 7. Klasse soll Mundlos dann damit begonnen haben, sich für die Zeit des Nationalsozialismus zu interessieren und davon zu schwärmen, was die Nazis Gutes gemacht hätten. Einwände habe er beiseite gewischt. Mundlos habe in solchen Diskussionen "eine gewisse Kälte und Erbarmungslosigkeit" gezeigt.

Kein Mitleid mit NS-Opfern

Ende der Achtzigerjahre, als Familie Mundlos in einen anderen Stadtteil von Jena, nach Winzerla, gezogen war, sei Uwe zur rechten Szene gestoßen. "Die Gedankengänge wurden immer radikaler, das fiel genau in die Zeit der Wende hinein."

Mundlos habe großes Talent zur Agitation gehabt. Der Zeuge zeichnet das Bild eines zwar faulen, aber schlauen Schülers mit frühen Anzeichen von Fanatismus: "Wenn er überzeugt war, dann hat er das zehnmal wiederholt, bis man endlich Ja gesagt hat. Die Fähigkeit, beharrlich auf einen einzureden, hat er absolut gehabt - bis zur Penetranz."

Bei einem Besuch der Schulklasse in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald habe Mundlos keinerlei Mitleid mit den Opfern gezeigt. Einige Jahre später marschierte Mundlos mit rechten Kameraden in brauner Uniform über das Gelände der Gedenkstätte und bekam Hausverbot.

Zeuge verärgert Zschäpe

Als junger Schüler soll Mundlos gerne die Musik von Udo Lindenberg gehört haben, später die Böhsen Onkelz. Er trug nun Bomberjacken und Springerstiefel, vom Begrüßungsgeld der Bundesrepublik nach dem Fall der Mauer kaufte er sich ein Messer, berichtet der Zeuge. Mundlos soll kleine Computerspiele programmiert haben, Ballerspiele, in denen Juden umgebracht werden mussten. Im Zimmer des Freundes aus Kindertagen will Andreas R. auch eine Reichskriegsflagge gesehen haben. "Das war schon teilweise sehr skurril ausgeschmückt."

Zschäpe wirkte "ein Stück weit obszön"

Schon früh soll sich Mundlos für den Untergrundkampf der RAF interessiert haben. Er habe auch von den Methoden der Rasterfahndung Ahnung gehabt, sagt Andreas R. Dieses Wissen sei für einen DDR-Jugendlichen ungewöhnlich gewesen. Im Bekennervideo des NSU gibt es eine Passage, in der die Neonazis die RAF verhöhnen. Der Weg der Linken in den Untergrund scheint Uwe Mundlos aber imponiert zu haben.

Sein Schulfreund erinnert sich auch daran, dass Mundlos bereits als Jugendlicher sehr gerne die Fernsehserie "Rosaroter Panther" gesehen habe. Das sei sein Humor gewesen, Mundlos habe Sprüche gebracht wie in der Serie. Die Trickfigur taucht ebenfalls in dem NSU-Bekennervideo auf.

Jahre vor dem Untertauchen des NSU-Trios lernte Andreas R. auch Beate Zschäpe als Jugendliche kennen. Gemeinsam verbrachten sie, Munddlos und andere ihre Zeit in einer Clique in Jena-Winzerla, aber die Sympathie des Zeugen für die junge Beate Zschäpe soll sehr gering gewesen sein. Zschäpe habe "ein Stück weit obszön" und primitiv auf Andreas R. gewirkt, und "sehr selbstbewusst" in der Gruppe. "Da waren mehrere Jungs in der Gruppe. Sie hat sich da ordentlich durchgesetzt und sich nichts gefallen lassen."

Zschäpe habe damals einen etwas älteren Freund gehabt, später sei sie mit Uwe Mundlos zusammengekommen. Über Uwe Böhnhardt kann Andreas R. gar nichts sagen. Den habe er bewusst nie kennengelernt.

Zschäpe sei in der Jugendclique nicht dadurch aufgefallen, dass sie politische Meinungen vertreten hätte. Sie habe viel geklaut, die Opfer sollen unter anderem vietnamesische Händler gewesen sein, denen Zschäpe und ihr damaliger Freund Zigaretten "regelrecht abgenommen" hätten. Das habe er aus den Gesprächen in der Clique mitbekommen, sagt der Zeuge. Selbst gesehen habe er es nicht. Als er von den Diebstählen erzählt, schüttelt Zschäpe offensichtlich verärgert den Kopf, ihre Arme sind verschränkt.

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