NSU-Prozess:Runen auf dem Bauch

NSU-Prozess: André Emingers Körper war wie eine nationalsozialistische Litfaßsäule. Inzwischen soll er alle strafbaren Tätowierungen unkenntlich gemacht haben.

André Emingers Körper war wie eine nationalsozialistische Litfaßsäule. Inzwischen soll er alle strafbaren Tätowierungen unkenntlich gemacht haben.

(Foto: Christof Stache/AFP)
  • Der Angeklagte André E. war ein enger Freund der NSU-Mitglieder.
  • Im NSU-Prozess schweigt der Neonazi, sein Äußeres ist jedoch auffällig.
  • Auf Antrag der Nebenklage entschlüsselte ein Experte nun die Runen-Tätowierungen des Angeklagten.

Von Annette Ramelsberger

Alles konzentriert sich auf die Hauptangeklagte Beate Zschäpe; dass da noch vier andere Menschen angeklagt sind, geht im NSU-Prozess häufig unter. Diese vier Männer sitzen da schweigend, oft wie unsichtbar zwischen ihren Anwälten. Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben spricht nicht, der Angeklagte Carsten S. hat sich die Kapuze ins Gesicht gezogen, solange Fotografen im Raum sind, und auch Holger G. ist nach einer kurzen Aussage am Anfang des Prozesses verstummt. Nur ganz vorne in der ersten Bank sitzt einer, der sich gerne lässig in die Bank fläzt und Freunde grüßt, die ihm von der Besuchertribüne aus zuwinken.

Der Mann in der ersten Reihe ist André E., ein überzeugter Skinhead und Neonazi aus dem Erzgebirge, der mit Beate Zschäpe und ihren Männern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bis zum letzten Tag eng befreundet war. Auch er spricht nicht, nur seinen Namen hat er ganz am Anfang gesagt. Mit dem Zusatz: Das war's dann aber auch.

Experte nutzt Runen-Alphabet

Doch am Mittwoch kam man André E. bei der Verhandlung näher, als man es sich wünscht. Geradezu hautnah. Auf Antrag der Nebenklage betrachtete das Gericht Fotos von André E.'s nackten Armen, seinem Nacken und seinem Bauch. Es waren recht bunte Bilder. Ein Mann, übersät von germanischen Runen, Adlern und Totenköpfen.

Auch wenn der Angeklagte vollständig bekleidet ist, kann man erkennen, welch große Freude er an Tattoos hat: Von Beginn des Prozesses an sah man auf seinen Fingern die Buchstaben F R E I H E I T prangen, im letzten Jahr ist ein großer schwarzer Totenkopf auf seinem rechten Handrücken hinzugekommen.

Doch interessanter sind die Tätowierungen, die man sonst nicht sieht. Ein Sachverständiger des Bundeskriminalamtes hatte die Aufgabe, die Runen auf Bauch und Armen zu entschlüsseln. Mit Hilfe eines Runen-Alphabets konnte er entziffern, dass auf dem Arm groß "Stolz" steht.

"Du bist nichts, dein Volk ist alles" um den Bauchnabel tätowiert

Schwieriger war es mit der Inschrift rund um den Bauchnabel: "Du bist nichts, dein Volk ist alles" - ein Programmspruch der Nationalsozialisten. Dazu zwei große Achten, sie bedeuten unter Neonazis HH, Heil Hitler, nach dem achten Buchstaben des lateinischen Alphabets. Auf der Brust hat der Angeklagte das Totenkopfbanner der nationalsozialistischen Terrortruppe SS tätowiert sowie die englischen Worte "Die Jew Die" (Stirb Jude Stirb).

André E. spricht zwar nicht vor Gericht, aber seine Erscheinung ist ein rechtsradikales Gesamtkunstwerk. Er macht immer wieder seine Gesinnung deutlich - nicht nur auf der Haut. Er trägt vor Gericht Kleidung, die Anstoß erregt - einmal ein Hemd mit einer Kalaschnikow drauf. In einem Saal, in dem wegen zehn rassistischer Morde verhandelt wird. Er musste aufstehen und sich fotografieren lassen.

André E. ist wegen Unterstützung der terroristischen Vereinigung NSU angeklagt, er soll Wohnmobile für den NSU angemietet und Beate Zschäpe bei der Flucht nach dem Brand in ihrer Wohnung geholfen haben.

Die Familie E. mit ihren zwei Kindern war eng mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt befreundet. Man traf sich zum Kaffeetrinken, die Kinder hatten Spielzeug in der Wohnung des Trios. Fast wie eine ganz normale Familie. Auf seinem Nacken hat er den Namen seiner Frau Susann tätowiert, und sie trägt seinen Namen am Hals. André E. sieht sich die Bilder interessiert an.

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