NSU-Prozess:"Ich hatte mit den Morden nichts zu tun"

Beate Zschäpe lässt sprechen - und bestreitet jede Beteiligung an den Verbrechen der rechten Terrorgruppe.

Von Tanjev Schultz

Beate Zschäpe bestreitet, an den Morden und Anschlägen des rechtsextremen NSU beteiligt gewesen zu sein. Sie habe jeweils erst im Nachhinein von den Taten erfahren. Sie sei fassungslos und entsetzt gewesen. "Ich fühle mich moralisch schuldig, dass ich nicht in der Lage war, auf Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt einzuwirken, unschuldige Menschen nicht zu verletzen und nicht zu töten", heißt es in einer Erklärung Zschäpes, die ihr Verteidiger Mathias Grasel am Mittwoch im NSU-Prozess vortrug. Sie entschuldige sich bei allen Opfern der Straftaten, die Mundlos und Böhnhardt begangen hätten.

Erstmals brach Zschäpe damit am 249. Verhandlungstag das Schweigen. Die Bundesanwaltschaft sieht die 40-Jährige als Mittäterin von zehn Morden, 15 Raubüberfällen und zwei Sprengstoffanschlägen. Zschäpe gab aber lediglich zu, von Überfällen ihrer Freunde gewusst und profitiert zu haben. Sie sei kein Mitglied einer Terrorgruppe namens NSU gewesen, erklärte Zschäpe. Mundlos habe dieses Kürzel erfunden. Die Abkürzung steht für "Nationalsozialistischer Untergrund" und wurde unter anderem in dem Bekennervideo verwendet, das Zschäpe 2011 verschickte. Sie habe damit nur den letzten Wunsch ihrer Freunde erfüllt und den Inhalt des Videos nicht gekannt, teilte die Angeklagte mit.

Angeblich hatte sie nach dem Untertauchen im Jahr 1998 mehrmals erwogen, sich der Polizei zu stellen. Allerdings habe sie nicht ins Gefängnis gehen wollen. "Ich hatte mit den Morden nichts zu tun - aber das würde mir wohl niemand glauben." Zudem hätten Mundlos und Böhnhardt sie unter Druck gesetzt: Sie hätten gedroht, sich umzubringen, sollte Zschäpe das Leben im Untergrund aufgeben. Sie habe Angst davor gehabt, die beiden zu verlieren, vor allem Uwe Böhnhardt, den sie geliebt habe.

Vom ersten NSU-Mord, verübt im September 2000 an Enver Şimşek in Nürnberg, will Zschäpe von ihren Freunden erst mehrere Monate später erfahren haben. Sie sei "regelrecht ausgeflippt". Zschäpe habe über die Gefühllosigkeit der beiden Männer nachgedacht, "die Kraft, mich zu trennen, hatte ich jedoch nicht". Immer wieder hätten Mundlos und Böhnhardt in den folgenden Jahren von weiteren Taten berichtet. "Ich war unglaublich enttäuscht darüber, dass sie erneut gemordet hatten."

Zschäpe bestätigte, dass ihre Freunde auch den Mordanschlag auf die Polizisten Martin A. und Michèle Kiesewetter in Heilbronn verübt haben. Mundlos und Böhnhardt hätten Polizeipistolen erbeuten wollen, weil sie unzufrieden mit ihren eigenen Waffen gewesen seien. Zschäpe erklärte, sie sei dann hysterisch geworden und habe sogar versucht, ihre Freunde zu schlagen.

Angehörige der NSU-Opfer reagierten enttäuscht. Gamze Kubaşık, deren Vater 2006 in Dortmund ermordet wurde, sagte, Zschäpe versuche, sich aus der Verantwortung zu stehlen. "Dieser Aussage glaube ich kein Wort." Sie wirke "total konstruiert". Der Nebenklage-Anwalt Yavuz Narin sagte, Zschäpe habe sich keinen Gefallen getan. Richter Manfred Götzl kündigte eine Befragung Zschäpes an. Die Angeklagte will jedoch nur schriftlich und auf Fragen aus dem Kreis der Opferfamilien überhaupt nicht antworten.

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