NSU-Prozess:Höchststrafe für Beate Zschäpe

Schuldig des Mordes in zehn Fällen: Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Wegen besonders schwerer Schuld kommt vorzeitige Entlassung nicht infrage.

Von Annette Ramelsberger und Wiebke Ramm

Urteilsverkuendung NSU Prozess Angehoerige der Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe NSU und Unters

Vor dem Gericht halten Wartende Bilder der Menschen hoch, die von den NSU-Terroristen getötet wurden.

(Foto: imago/Christian Mang)

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess Beate Zschäpe muss lebenslang in Haft. Nach mehr als fünf Jahren Verfahrensdauer verurteilte das Oberlandesgericht München die 43 Jahre alte Rechtsterroristin wegen Mittäterschaft an zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen zu lebenslanger Haft. Es stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Das bedeutet, dass Zschäpe nicht schon nach 15 Jahren im Gefängnis Aussicht auf ein Leben in Freiheit hat.

Die vier weiteren Angeklagten wurden zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb und zehn Jahren verurteilt. Den Haftbefehl gegen den Angeklagten André Eminger, den engsten Vertrauten des NSU-Trios, setzte das Gericht überraschend außer Vollzug: Eminger kam sofort frei. Diese Entscheidung wurde von den zahlreichen Neonazis, die auf der Besuchertribüne standen, lebhaft beklatscht.

Obwohl Zschäpe an keinem einzigen Tatort war, sah es das Gericht als erwiesen an, dass sie gemeinsam und arbeitsteilig mit ihren Gefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Taten geplant und mit ihnen über 13 Jahre hinweg die rechtsterroristische Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) aufrechterhalten hat. Aus rassistischer Ideologie heraus habe der NSU neun Menschen mit ausländischen Wurzeln getötet, sowie eine Polizistin aus Thüringen. Damit ist das Gericht dem Strafantrag der Bundesanwaltschaft weitgehend nachgekommen. Nur in Sicherungsverwahrung, wie von der Anklage beantragt, kommt Zschäpe nicht.

Mit diesen Schuldsprüchen geht nach fünf Jahren ein historischer Prozess zu Ende, der sich einreiht in die großen Verfahren der Nachkriegszeit wie den Auschwitzprozess und die RAF-Verfahren, die jeweils ihre Epochen aufarbeiteten. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sagte, der NSU habe durch die Morde die ausländische Bevölkerung verunsichern, ihre Schutzlosigkeit beweisen und die Hilflosigkeit des Staates zeigen wollen. Er habe eine nationalsozialistische Ordnung aufbauen wollen. Zschäpe sei die gleichberechtigte Mittäterin ihrer Männer gewesen.

Das Gericht sprach auch über die anderen vier Angeklagten das Urteil: Der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben muss wegen Beihilfe zum Mord für zehn Jahre in Haft - er hatte die Tatwaffe für neun Morde an Migranten vermittelt und die Hilfe für den NSU organisiert. Der bekennende Neonazi André Eminger muss nur für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis, hat aber bereits mehr als ein Jahr davon abgesessen und kam sofort auf freien Fuß. Der Angeklagte Holger Gerlach, der seinen Führerschein und seinen Pass zur Tarnung zur Verfügung gestellt hatte, erhielt eine Haftstrafe von drei Jahren. Und auch der jüngste Angeklagte Carsten Schultze, der seine Tat bereut und aus der rechten Szene ausgestiegen war, muss ins Gefängnis - obwohl viele Angehörige der Opfer für ihn eine milde Strafe erbeten haben. Schultze hatte als 20-Jähriger die Mordwaffe an den NSU überbracht. Das Gericht verurteilte ihn zu drei Jahren Jugendhaft. Viele der 14 Verteidiger kündigten umgehend an, in Revision zu gehen.

Die von weither angereisten Angehörigen der Mordopfer reagierten mit Erleichterung, aber auch mit Enttäuschung auf das Urteil. Gamze Kubaşık, die Tochter eines Ermordeten, sagte, sie habe Angst, dass draußen noch immer Helfer des NSU herumlaufen. "Solange diese Lücken in der Aufklärung bleiben, können meine Familie und ich nicht abschließen."

Menschenrechtsorganisationen und Politik begrüßten das Urteil, riefen aber auch dazu auf, mit der Aufklärung nicht aufzuhören. Auf einer Kundgebung in München und Demonstrationen in ganz Deutschland riefen Demonstranten zum Kampf gegen Rechtsradikalismus auf. Die Bundesregierung reagierte mit dem Versprechen, weiter gegen Extremismus vorzugehen. Der Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan nannte das Urteil "alles andere als zufriedenstellend".

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