NSU-Prozess:Auffallend unauffällig

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Er hatte Beate Zschäpe vor sich und hielt sie für Lisa Dienelt: Im NSU-Prozess sagt ein Kriminalbeamter aus, der den drei mutmaßlichen NSU-Terroristen einst durch einen Zufall sehr nahe kam.

Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger

Am 9. Januar 2007 klingelte es plötzlich an der Tür von Beate Zschäpe in der Polenzstraße in Zwickau. Ein Polizist stand vor ihr und sagte, er ermittele wegen des Wasserschadens in der Wohnung über ihr. Die Nachbarn hätten gesagt, sie sei doch viel Zuhause und könnte mitgekriegt haben, wer da in der Wohnung die Wasserhähne aufgedreht habe.

Man kann sich nun sehr gut vorstellen, wie erschrocken eine Frau sein muss, die seit neun Jahren im Untergrund lebt und deren Freunde bis dahin schon neun Menschen ermordet hatten. Trotzdem muss diese Frau extrem nervenstark sein. Obwohl sie im ganzen Haus als Lisa Dienelt bekannt war und dieser Name auch an der Tür stand, sagte sie dem Beamten, sie sei gar nicht Frau Dienelt, sondern eine Bekannte, die die Katzen in der Wohnung versorge. Und sie komme dann zwei Tage später aufs Polizeirevier.

An jenem 11. Januar 2007 kam dann Beate Zschäpe tatsächlich zur Polizei. Sie legte einen Ausweis auf den Namen Susann E. vor und brachte auch gleich noch ihren angeblichen Mann mit, André E., zumindest zeigte der Mann diesen Ausweis vor. Heute sitzt André E. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung mit Zschäpe auf der Anklagebank im NSU-Prozess.

Dieses Paar schien dem ermittelnden Polizisten nicht sonderlich auffällig zu sein. Und so ließ sich der Polizist ganz schnell von der angeblichen Lisa Dienelt weglotsen. "Die Frau sagte, Liese sei ihr Spitzname. Und am Klingelschild steht Dienelt, deswegen würden alle davon ausgehen, dass sie wohl Dienelt heiße", sagte der Polizist. "Haben Sie Erinnerungen an die Vernehmung?" fragte Richter Manfred Götzl. "Es war ganz kurz, nicht einprägsam. Es ging darum, ob sie Schritte in der Wohnung darüber gehört hatte. Als sie sagte, dass sie an diesem Vormittag nicht in der Wohnung war, da war sie für die Sache nicht mehr so wertvoll." So wurden Beate Zschäpe und ihr Begleiter wieder entlassen - und der NSU wurde wieder einmal nicht entdeckt.

50 Euro für eine Unterschrift

Beate Zschäpe muss geradezu auffallend unauffällig gewesen sein. Auch eine junge Frau, die im Jahr 2003 für sie einen Handyvertrag unterschrieb, sagte, die Frau, die sie vor einem Telekomladen in Zwickau ansprach, müsse wohl freundlich und nett gewesen sein - "sonst wäre ich nicht mit ihr mitgegangen". 50 Euro gab Zschäpe der damals 17-jährigen Zwickauerin für die Unterschrift. Ihre Erklärung: Sie habe ihren Ausweis vergessen. Das Mädchen sagt als Zeugin vor Gericht, sie habe damals aus jugendlichen Leichtsinn unterschrieben.

© SZ vom 10.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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