NSU-Ausschuss:Schily übernimmt Verantwortung für Ermittlungsversagen

NSU-Ausschuss - Otto Schily

Kann sich nicht an Details erinnern: Otto Schily vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin.

(Foto: dpa)

Dass die Neonazi-Morde nicht verhindert wurden, sei "höchst schockierend" und "besonders deprimierend". Ex-Innenminister Schily hat vor dem NSU-Ausschuss die politische Verantwortung für das Versagen der Sicherheitsbehörden übernommen und eingestanden, dass die rechtsterroristische Gefahr zu seiner Amtszeit unterschätzt wurde.

Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin steht an diesem Freitag der Mann, in dessen Amtszeit die meisten der von der rechtsextremen Terrorzelle verübten Morde fallen: Otto Schily (SPD), Innenminister in der rot-grünen Regierung von 1998 bis 2005.

In der Rückschau zeigt sich Schily betroffen darüber, dass die Rechtsextremen so lange unerkannt agieren konnten. Dass es über Jahre nicht gelungen sei, der Neonazi-Terrorzelle auf die Spur zu kommen und ihre Morde zu verhindern, sei "höchst schockierend" und "besonders deprimierend und bitter", sagte der 80-Jährige.

Dem "Nationalsozialistischen Untergrund" werden in den Jahren 2000 bis 2007 neun rassistisch motivierte Morde an türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie der Mord einer Polizistin zur Last gelegt. Schily räumte ein, die Sicherheitsbehörden hätten in dem Fall offensichtlich versagt und einen "absoluten Misserfolg" eingefahren. Dies sei eine schwere Niederlage für den Rechtsstaat. Er trage dafür gemeinsam mit den damaligen Landesinnenministern die politische Verantwortung. "Sie können sich vorstellen, dass mich das sehr belastet", sagte Schily.

Die Ausschussmitglieder wollten von Schily erfahren, warum er 2004 als Innenminister nach einem Nagelbombenattentat in Köln einen rechtsterroristischen Hintergrund ausgeschlossen hatte. Damals war vor einem türkischen Friseursalon in der Keupstraße ein Sprengsatz explodiert, 22 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Die Tat wird inzwischen dem Nationalsozialistischen Untergrund zugeschrieben.

Rechtsterror unterschätzt

Schily hatte am Tag nach der Tat gesagt, er gehe nicht von einem terroristischen Hintergrund aus; die Ermittlungsergebnisse deuteten eher auf einen kriminellen Hintergrund hin. Bereits im vergangenen Jahr hatte der SPD-Politiker diese Einschätzung in einem Interview als Fehler bezeichnet. Dies wiederholte er nun im Ausschuss.

Schily betonte aber, er habe damals lediglich die vorläufige Bewertung der Sicherheitsbehörden wiedergegeben und nie einen fremdenfeindlichen Hintergrund ausgeschlossen. Er habe lediglich Lagebilder der Ermittlungsbehörden weitergegeben, sagte Schily. Als Innenminister könne er nicht selbst Ermittlungen führen. Wenn die Behörden sagen, dass nicht von einem rechtsextremen Hintergrund auszugehen sei, dann "muss ich davon ausgehen, dass das nicht ohne Grundlage ist".

Einzelheiten zu der Frage, von wem die Informationen genau stammten und wie sie ihn erreichten, nannte der Ex-Minister allerdings nicht und verwies auf Erinnerungslücken. Details zu der Angelegenheit seien ihm nicht vorgelegt worden.

Darüber hinaus ging es auch um die Frage, ob Schily dem Rechtsterrorismus in seiner Amtszeit von 1998 bis 2005 genug Aufmerksamkeit gewidmet hat. Der SPD-Politiker gestand ein, die Sicherheitsbehörden hätten die rechtsterroristische Gefahr zu seiner Amtszeit unterschätzt. Die Strukturen seien zu zersplittert gewesen und die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Stellen nicht ausreichend.

Die jüngsten Reformschritte des jetzigen Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU) - wie die Einrichtung einer zentralen Neonazi-Datei und eines Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus - lobte Schily. Auch eine Zentralisierung der Sicherheitsbehörden hält der ehemalige Innenminsiter für sinnvoll. Dazu sollten die 16 Landesämter für Verfassungschutz dem Bundesamt angegliedert werden.

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