NSA-Ausschuss:Grüne und Linke klagen gegen Peter Altmaier

BND - Außenstelle Bad Aibling

BND-Außenstelle Bad Aibling - unter anderem hier arbeitete die NSA mit den deutschen Behörden zusammen.

(Foto: dpa)

Der Streit im NSA-Ausschuss spitzt sich zu: Weil die Bundesregierung ihnen Einsicht in umstrittene Spählisten des Nachrichtendiestes verwehrt, zieht die Opposition vor Gericht.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die Klage ist kurz und bündig formuliert. Grüne und Linke ziehen mit einer Organklage "wegen Nichtvorlage sächlicher Beweismittel an den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages" vor das Bundesverfassungsgericht. Angeklagte sind die Bundesregierung im Allgemeinen und der Chef des Bundeskanzleramtes, Peter Altmaier, im Besonderen.

Der 1. Untersuchungsausschuss, das ist der NSA-Ausschuss, der seit bald eineinhalb Jahren die von US-Whistleblower Edward Snowden aufgedeckte, weltweite Geheimdienstaffäre untersucht. Im vergangenen Jahr beschäftigte sich der Auschuss vor allem mit der Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) in der Affäre. Und förderte Erstaunliches zutage: Der BND hatte offenbar über Jahre hinweg Suchbegriffe, sogenannte Selektoren, des US-Geheimdienstes NSA auf seinen Analyserechnern eingesetzt, und damit gegen deutsche Interessen verstoßen.

Denn auf den Spählisten waren auch Suchbegriffe, die auf europäische Unternehmen wie EADS und Eurocopter sowie französische Behörden hinweisen. Nicht ausgeschlossen, dass sich auch deutsche Unternehmen und Personen auf den Listen befinden. 40 000 solcher faulen Suchbegriffe sind im BND spätestens Anfang März bekannt geworden.

Am Anfang hat die Bundesregierung und speziell Peter Altmaier noch in Aussicht gestellt, dass die Mitglieder des NSA-Ausschusses schnell Einsicht in die Liste bekommen könnten. Das müsse aber erst mit den Amerikanern abgesprochen werden.

Aus den wenigen Tagen wurden Wochen, wurden Monate. Inzwischen sollen die Ausschuss-Mitglieder die Liste gar nicht mehr einsehen können, hat die Bundesregierung entschieden. Stattdessen hat sie mit dem Juristen Kurt Graulich eine "Vertrauensperson" ernannt, die die Liste prüfen und dem Ausschuss dann als Sachverständiger zur Verfügung stehen soll.

Für Grüne und Linke ein unmöglicher Vorgang. An diesem Freitag stellten sie in Berlin ihre Klage vor. Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, erklärt, der Ausschuss werde daran gehindert, seinem Untersuchungsauftrag nachzukommen. "Das ist ein völlig inakzeptabler Vorgang."

Für ihre Kollegin Petra Sitte von der Linken berührt das Vorgehen der Bundesregierung "den Kernauftrag des Untersuchungsausschusses". Die Bundesregierung habe zwar durchaus eine souveräne Entscheidung gefällt. "Aber nur gegenüber dem Bundestag, nicht gegenüber den USA."

Für die Linken-Obfrau im Ausschuss, Martina Renner, haben die Bundesregierung und die Ausschuss-Mehrheit von Union und SPD die "Kontrollrechte des gesamten Parlamentes verletzt". Für sie kann es "keinen Bereich des Regierungshandelns geben, der sich der Kontrolle des Parlamentes entzieht".

Grünen-Obmann Konstantin von Notz ist sich nicht mehr sicher: "Kontrolliert das Parlament die Bundesregierung, kontrolliert das Parlament die Geheimdienste? Oder kontrolliert die Regierung sich selbst, kontrollieren die Geheimdienste sich selbst?" Der Regierung zumindest scheint "kein Konstrukt zu absurd", um die Kontrollrechte des Parlamentes auszuhebeln. Sie sei offenbar "bereit, verfassungsrechtliche Normen zu umschiffen".

Grüne, Linke und ihr gemeinsamer Prozessbevollmächtigter Wolfgang Ewer sind sich einig: "Die Verweigerung der Vorlage ist rechtswidrig", sagt Ewer. Die Selektorenliste müsse also dem Ausschuss vorgelegt werden. Die Klage ist mit einem Dringlichkeitsvermerk versehen. Renner: "Wir brauchen die Selektorenlisten jetzt." Ewer macht da allerdings wenig Hoffnung. Weniger als sechs Monate bis zu einer Entscheidung hält er für unrealistisch.

Doppelter Tresor und 24-Stunden-Überwachung

Ein Problem der Klage ergibt sich aus den strengen Geheimhaltungsvorschriften. Anwalt Ewer: "Sowohl die entscheidenden Begründungen der Bundesregierung für die Vertrauensperson und die entscheidenden völkerrechtlichen Abkommen unterliegen ganz überwiegend dem Geheimschutz." Mit dem Nachteil, dass sich öffentlich über die Klageaussichten nur spekulieren lässt.

Die Geheimhaltungsvorschriften hätten nicht zuletzt das Erstellen der Anklageschrift erheblich erschwert. Er hätte einen doppelt gesicherten Tresor und eine 24-Stunden-Überwachung seiner Kanzlei vorhalten müssen, um die Unterlagen in seinem Büro einsehen zu können. Er habe dann lieber Räume des Verfassungsschutzes in Anspruch genommen und sich die Akten an ein dortiges Krypto-Faxgerät übermitteln lassen.

Mitarbeiter durfte er nicht in die Arbeit einbinden. Am Ende musste er die Klageschrift dem Präsidenten des Verfassungsgerichtes in Karlsruhe, Andreas Voßkuhle, persönlich überreichen. Ewer ist deswegen an diesem Mittwoch nach Karlsruhe gereist. Ein eher ungewöhnlicher Vorgang. Das Verfassungsgericht wird wegen der Geheimschutzfragen vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Die Klageschrift lässt sich zwar auf den Internetseiten der Fraktionen von Linken und Grünen herunterladen. Große Teile der 159 Seiten dicken Klageschrift sind aber geschwärzt.

Anwalt Ewer, der schon manches Mal mit Staatsgeheimnissen zu tun hatte, hält die Geheimhaltung für übertrieben. Für ein "Verwaltungsabkommen, das abgeschlossen wurde vor dem Bau der Berliner Mauer, drängt es sich nicht zwingend auf, dass das geheimhaltungswürdig ist." Auf dieses Abkommen aber beruft sich die Bundesregierung in erheblichem Umfang.

Es ist die dritte Klage, die Grüne und Linke gemeinsam anstrengen. Und die zweite im Zusammenhang mit dem NSA-Ausschuss. Die Klage gegen die Nichteinladung von Edward Snowden nach Berlin hat das Verfassungsgericht im Dezember vergangenen Jahres abgewiesen.

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