NSA-Ausschuss:Der Ex-BND-Chef redet viel und sagt wenig

Ex-BND Präsident Hanning vor Untersuchungsausschuss

Geheimdienste hören eben ab, das ist ihr Job: Ex-BND Präsident Hanning vor dem NSA-Untersuchungsausschuss (Bild von 2012)

(Foto: dpa)

Abhören unter Freunden geht gar nicht, hat die Kanzlerin mal gesagt. Im NSA-Ausschuss lässt der ehemalige Geheimdienstchef Hanning durchblicken, was er von solchen Sätzen hält.

Von Thorsten Denkler, Berlin

August Hanning muss kurz mal auflachen. Ob er davon ausgeht, dass der US-amerikanischen Geheimdienst NSA deutsche Unternehmen ausspäht, lautet die Frage der Linken-Abgeordnete Martina Renner. Er hält wohl schon die Frage für hochgradig naiv. "Dass die NSA immer auch deutsche Firmen beobachtet, das ist sicher auch heute so", sagt Hanning, der von 1998 bis 2005 Präsident des Bundesnachrichtendienstes war. Und: "Der BND macht das im Übrigen ja auch." Nur im Rahmen der Rüstungsexportkontrolle natürlich. Alles normal also.

Hanning ist an diesem Freitag Zeuge im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Der versucht die von US-Whistleblower Edward Snowden aufgedeckte weltweite Geheimdienstaffäre aufzuklären, insbesondere die deutsche Beteiligung.

Geht Hanning also auch davon aus, dass die gesamte Bundesregierung von den Amerikanern ausgeforscht wird? Das legen Listen mit Suchbegriffen nahe, die im Sommer öffentlich wurden. Wohl mindestens genau so naiv, diese Frage. "Jeder, der offen kommuniziert, muss damit rechnen, dass er abgehört wird. Wer mit offenen Handys kommuniziert, der muss wissen, was er tut", sagt Hanning. In der Logik ist der Nutzer das Problem. Nicht der Geheimdienst.

Geheimdienste hören ab, das ist ihr Job

Geheimdienste hören halt ab. Das ist ihr Job. Um Gesetze scheren sie sich nur, wenn es um die Gesetze des Heimatlandes geht. So argumentiert Hanning. Dann ist es also rechtlich in Ordnung, wenn die NSA in Deutschland spioniert?, fragt Renner. Hanning reicht es langsam: "Die NSA hält sich an die amerikanischen Gesetze. Der BND hält sich an die deutschen Gesetze. Das ist meine Antwort."

Später hakt da der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz noch mal ein. "Merkels Satz, Abhören unter Freunden geht gar nicht, ist das aus Ihrer Sicht ein naiver Satz?" Hanning überlegt nicht lange. "Ich will den nicht kommentieren." Aber kann er was mit der Aussage anfangen? "Wenig." So mancher Geheimdienstler dürfe jetzt innerlich applaudieren.

Hat sich der BND wenigstens an deutsches Recht gehalten?

Damit sind die Standpunkte an diesem Freitagvormittag im großen Sitzungsaal des Marie-Elisabeth-Lüders Hauses schon mal geklärt. Hier der Ex-BND-Chef, der völlig in der Geheimdienstlogik aufgeht: Jeder darf nur das Nötigste wissen. Und für jeden Geheimdienst sind nur die eigenen Gesetze wichtig. Alles andere schert ihn nicht.

Auf der anderen Seite die Abgeordneten im NSA-Ausschuss. Von denen gehen die meisten heute davon aus, dass sich der BND in manchen Bereichen nicht mal an das deutsche Recht gehalten hat. Geschwiege denn die Amerikaner aktiv daran hinderte, deutsche Gesetze zu brechen. Der BND hat den Amerikanern sogar ermöglicht, von deutschem Boden aus gegen deutsche Interessen zu handeln. In einem Panzerschrank im Kanzleramt liegt eine Liste mit 40 000 Suchbegriffen, so genannten Selektoren, die die Amerikaner auf Analyserechnern des BND eingesetzt haben und die offenbar klar gegen deutsche Interessen verstoßen. Und damit gegen die vereinbarten Regeln der Zusammenarbeit.

Hanning redet viel und sagt wenig

Aber das war nach Hannings Amtszeit. Sagt er zumindest. Oder besser: Sagt er nicht. Das Repertoire der Satzbausteine von Hanning ist auf ein paar wenige Floskeln beschränkt: "Ich vermute. Ich nehme an. Ich kann das nicht erinnern. Warum, wieso, weshalb, das weiß ich nicht." Der frühere BND-Präsident lässt sich auf nichts festnageln.

Ja klar, die Operationen Eikonal, in der der BND für die NSA Informationen am Datenknoten Frankfurt abgefischt hat, die kennt er. Ihm ist auch bekannt, dass es da ein paar rechtliche Probleme gab. Aber Einzelheiten? Bitte nicht, das ist zu lange her.

Hanning ist geübt darin. Hanning war vor seiner Zeit im BND Geheimdienstbeauftragter im Bundeskanzleramt. Und nach der Zeit Staatssekretär im Bundesinnenministerium, dort auch mit Geheimdiensten befasst. Er hat schon in anderen U-Ausschüssen viel geredet und wenig gesagt. Das ist diesmal nicht anders.

Als BND-Chef trieb Hanning die Zusammenarbeit mit der NSA voran

Dabei fällt in seine Amtszeit als BND-Chef eine besondere Intensivierung der Zusammenarbeit des BND mit der NSA: Hanning etwa hat darauf gedrungen, dass die frühere US-Satelliten-Abhörstation Bad Aibling unter deutsche Aufsicht gestellt werden müsse. Damit die USA nicht länger von deutschem Boden aus eigenständig in der Welt herumspionieren. 2004 übergab die US-Seite die Station in die Obhut des BND. Die weitere Zusammenarbeit mit den Amerikanern wurde in einem geheimen Abkommen geregelt, dem Memorandum of Understanding (MoA).

Zum anderen hat Hanning die technische Zusammenarbeit mit der NSA vorangetrieben. Der BND hatte Schwierigkeiten, mit der technischen Entwicklung mitzuhalten. Das Internet wurde immer wichtiger, dem BND aber fehlten die Möglichkeiten Internet-Kommunikation abzugreifen. Die NSA konnte das, hatte die richtigen Programme und die richtige Hardware. "Ich habe immer scherzhaft gesagt, die Amerikaner sind der Elefant und wir sind das Pony", sagt Hanning. "Aber Ponys sind auch nicht schlecht, die sind im Zweifel schneller als der Elefant." Technik gegen Information lautete also der Deal, den er mit der NSA gemacht hat.

Wenn heute über Fragen diskutiert wird, ob der BND für die Zusammenarbeit eine ausreichende rechtliche Grundlage hat, interessiert das Hanning wenig. Er war an Ergebnissen interessiert. Und die waren, aus seiner Sicht, unterm Strich gut. Viele Anschläge seien mit Hilfe der Amerikaner verhindert worden. In Deutschland. Und im Einsatzgebiet Afghanistan. "Die Zusammenarbeit mit der NSA war für den Schutz unserer Soldaten von erheblicher Bedeutung", sagt Hanning. Ohne die Kooperation "wäre der BND nicht in der Lage gewesen, seine Aufgaben zu erfüllen".

Bei den Datenmassen lassen sich Fehler nicht vermeiden, sagt Hanning

Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit ist da offenbar schnell in den Hintergrund gerückt. Die Datenerfassung im Internet macht es etwa unmöglich, zwischen Daten von Deutschen und von Ausländern zu unterscheiden. Der BND aber darf nur Ausländer ausforschen. Mit verschiedenen Filtertechniken hat der BND versucht, das Problem zu lösen. Aber lässt sich das auch sicher umsetzen angesichts der Terabyte großen Datenmengen, um die es hier geht?

Hanning sieht das nicht so streng: "Na gut, das ist ein Massengeschäft, das ist immer etwas schwierig. Da ist immer das Risiko, dass Sie Fehler machen, das lässt sich überhaupt nicht vermeiden." Er hält dagegen, dass die "Sensibilität" in seinem Haus für den Schutz von Deutschen "sehr hoch" war. Und wenn die Sensibilität nicht ausreicht und der BND doch Daten Deutscher an die Amerikaner weitergibt? Das sind dann wohl nur Kollateralschäden. Dumm gelaufen eben.

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