NSA-Ausschuss im Bundestag:Mutter von Whistleblower angeblich auf IS-Todesliste

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  • Wenige Stunden nachdem ihr Sohn, der frühere US-Drohnenpilot Brandon Bryant, vor dem NSA-Ausschuss des Bundestages ausgesagt hat, bekommt seine Mutter in den USA unangenehmen Besuch von US-Offiziellen.
  • Ihr wird eröffnet, ihr Name befinde sich auf einer Todesliste des Islamischen Staates.
  • Bryants Anwältin und er selbst halten das für einen Einschüchterungsversuch der US-Regierung.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Wenige Stunden nach seiner spektakulären Aussage vor dem NSA-Untersuchungsausschuss in der vergangenen Woche hat die Mutter des US-Zeugen und früheren Drohnenpiloten Brandon Bryant offenbar Besuch von Vertretern der US-Regierung bekommen. LanAnn Bryant, Lehrerin an einer High School in Missoula im US-Bundesstaat Montana, berichtet in einem Interview, dass am 15. Oktober zwei Männer bei ihr klingelten, um ihr mitzuteilen, sie stünde auf einer "Todesliste" des Islamischen Staates.

Die Männer hätten sich als Mitarbeiter einer US-Behörde mit dem Kürzel OSI ausgewiesen. Einer habe auch eine Visitenkarte hinterlassen. "Ich hatte keine Ahnung, wer sie waren", sagt LanAnn Bryant dem journalistischen US-Blog "Shadowproof". Eine Sprecherin von Brandon Bryant in Deutschland bestätigte gegenüber der SZ den Bericht. Bryant befindet sich derzeit noch in Deutschland.

Der Name seiner Mutter sei durch ein "Leck" in einer Datenbank an die ISIS gelangt, teilten ihr die beiden US-Offiziellen mit. Gemeint sei der öffentlich gewordene OPM-Hack, mit dem Millionen Daten von US-Bundesangestellten aus der Datenbank des Office of Personnel Management (OPM) abgesaugt wurden.

LanAnn Bryant habe gefragt, was jetzt getan werde, um sie zu schützen. Die Männer hätten ihr dann eine Broschüre in die Hand gedrückt mit Tipps, wie sie sich in den sozialen Medien verhalten solle. Obwohl ihr zu 99,99 Prozent nichts passieren würde, rieten sie ihr, die nationale Notrufnummer 911 zu wählen, falls sie etwas Ungewöhnliches beobachten sollte. Wirkung hatte der Besuch offenbar. "Ich habe schreckliche Alpträume," sagte LanAnn Bryant. Sie achte jetzt auf jedes "noch so kleine Geräusch".

Bestätigung über 1636 getötete Feinde Amerikas

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:Ehemaliger US-Drohnenpilot: Zwölfjährige galten als legitime Ziele

Brandon Bryant flog Drohnenangriffe für die USA, bevor er aus Gewissensgründen ausstieg. Im NSA-Ausschuss spricht er über die grausamen Details seines Jobs.

Ihr Sohn Brandon war von 2006 bis 2011 Drohnenpilot der US-Luftstreitkräfte Air Force. In der Zeit hat er 6000 Stunden lang Kampf-Drohnen auch für geheime Operation der CIA in Krisengebiete in aller Welt gesteuert. Er quittierte am Ende den Dienst aus Unbehagen über seine Arbeit. Zum Abschied wurde ihm ein Zertifikat überreicht, in dem ihm die Tötung von 1636 getöteten Feinden Amerikas bestätigt wird. Tatsächlich war er zwar an vielen den Tötungen beteiligt, hat aber in der Regel nicht den Abzug gedrückt.

Seitdem hat er in zahlreichen Medienauftritten die schmutzige Seite des Drohnen-Krieges hervorgehoben. Vor dem NSA-Ausschuss des Bundestages hat er am vergangenen Donnerstag zudem die wesentliche Bedeutung des deutschen US-Militärstützpunktes Ramstein bestätigt. Über Ramstein laufen demnach alle technischen Signale, um die Kampfdrohnen im Nahen Osten zu steuern.

Die Aussagefreude ihres ehemaligen Beschäftigten ist den US-Behörden ein großes Ärgernis. Bryants Anwältin Jessely Radack vermutet deshalb hinter der Kontaktaufnahme zu Bryants Mutter einen gezielten Einschüchterungsversuch der Familie Bryant. Sie sagte zu Shadowproof: "Angesichts der Aussage von Mr. Bryant vor dem deutschen Parlament und der raschen Reaktion der Regierung darauf, ist dies sicher der Versuch einer Zeugen-Manipulation." Für sie sieht der Besuch aus wie ein Vergeltungsakt, wenn auch "ein amateurhafter", sagte Radack. Die Anwältin vertritt noch weitere US-Whistleblower wie den ehemaligen NSA-Agenten Thomas Drake.

Erster Treffer bei Google, sofort auffindbar bei Facebook

Die Aktion wirkt schon wegen der Begründung seltsam: LanAnn Bryant wurde mitgeteilt, die Behörden würden ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen, wenn sie sie darüber informierten, dass im Zuge des OPM-Hacks vom Frühjahr ihr Name auf eine IS-Todesliste stehe. Damals sind 20 Millionen Namen abgeflossen. Wenn jede einzelne Person mit einem Hausbesuch bedacht wird, hätten die Behörden einiges zu tun.

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Außerdem wurde LanAnn Bryant mitgeteilt, dass sie schwer ausfindig zu machen gewesen sei. LanAnn Bryant ist allerdings ein auch für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlicher Name. Ihre Selbstbeschreibung auf der Internetseite ihrer "Big Sky High School" ist der erste Treffer, wenn sie via Google gesucht wird. Sie ist außerdem sofort auf Facebook zu finden.

Anwältin Radack hält das Ganze für eine Machtdemonstration, die auch das FBI schon an Brandon Bryant probierte. Im März habe das FBI dem früheren Drohnen-Piloten mitgeteilt, er stünde auf einer "Todesliste" des Islamischen Staates. Später sei allerdings nur noch die Rede davon gewesen, eine "Terrorgruppe im Nahen Osten" habe nach seinem Namen gesucht. Auf ihre Frage, wie die Regierung ihren Mandanten schützen wolle, hieß es lapidar, er solle in den sozialen Medien nicht so sehr mit seiner Vergangenheit als Drohnenpilot prahlen.

Brandon Bryant sieht sich durch das Vorgehen der US-Behörden nur bestärkt: "Wenn dies ein Akt der Vergeltung war, dann werden sie wissen, dass ich Recht habe", sagte er zu shadowproof.

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