NSA-Affäre:SPD prangert "ungestörtes Eigenleben" des BND an

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Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann und Generalsekretärin Yasmin Fahimi unterhalten sich in Berlin vor einer Fraktionssitzung. (Foto: dpa)
  • Am Donnerstag wurde bekannt, dass der BND offenbar weder das Kanzleramt noch den NSA-Ausschuss darüber unterrichtet hat, dass die NSA den BND genutzt hat, um europäische Rüstungskonzerne wie EADS und Eurocopter, Politiker und Beamte auszuspähen.
  • Die SPD zeigt sich nun entsetzt. Fraktionschef Oppermann, Generalsekretärin Fahimi und Partei-Vize Schäfer-Gümbel üben heftige Kritik am deutschen Geheimdienst und schließen personelle Konsequenzen nicht aus.
  • Für BND-Chef Schindler könnte es jetzt eng werden. Die Union verteidigt ihn.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Unerfreuliche Post von der Bundesregierung

In der jüngsten BND-Affäre erhöht die SPD den Druck auf Bundeskanzleramt und Bundesnachrichtendienst (BND), den deutschen Auslandgeheimdienst. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte Spiegel Online: "Ich bin entsetzt über das Ausmaß der Desorganisation." Im BND scheine es Bereiche zu geben, "in denen sich ein von Vorschriften und Rechtslage ungestörtes Eigenleben entwickelt hat". Zu einem ähnlichen Schluss kam am Donnerstag Regierungssprecher Steffen Seibert. Er hatte in einer schriftlichen Stellungnahme im Namen der Bundesregierung dem BND "technische und organisatorische Defizite" attestiert. Das Kanzleramt habe Weisung erteilt, diese zu beheben.

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Vergangenen Mittwoch hatte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) die Fraktionschefs im Bundestag, die Mitglieder des parlamentarischen Kontrollgremiums sowie die Obleute im NSA-Untersuchungsausschuss vertraulich über einen höchst delikaten Vorgang unterrichtet. Offenbar soll der BND weder das Kanzleramt noch den NSA-Ausschuss darüber unterrichtet haben, dass die NSA den BND genutzt hat, um europäische Rüstungskonzerne wie EADS und Eurocopter, Politiker und Beamte auszuspähen. Darunter wohl auch Deutsche. Die NSA hat dem BND über Jahre Hunderttausende so genannter Selektoren übermittelt. Suchbegriffe, mit denen das Internet am Frankfurter Datenknoten De-Cix nach verdächtigen Inhalten durchkämmt worden ist.

Mehr als 40 000 verdächtige Selektoren soll der BND in den vergangenen Jahren aus der Flut an Suchbegriffen der NSA herausgefiltert haben. Einige davon könnten bereits aktiv gewesen sein, vermutet die Opposition. Nach den Enthüllungen von US-Whistleblower Edward Snowden im Sommer 2013, hat der BND sich die Selektoren noch einmal genauer angesehen und weitere 2000 aktive und hochproblematische Begriffe gefunden. Damit soll die NSA ohne Wissen des BND gezielt nach Informationen etwa über den Rüstungskonzern EADS, über Eurocopter oder französische Behörden gesucht haben.

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Welche Rolle das Kanzleramt in der Sache tatsächlich gespielt hat, lässt sich derzeit noch nicht ausmachen. Sollte sich der Verdacht verfestigen, dass BND-Mitarbeiter vorsätzlich Falschaussagen gegenüber dem NSA-Ausschuss und dem Bundeskanzleramt gemacht haben, dann dürfte es für BND-Chef Gerhard Schindler eng werden. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi schließt in der Berliner Zeitung personelle Konsequenzen "ausdrücklich nicht aus". Sollten sich die jüngsten Enthüllungen bestätigen, "entwickelt sich der NSA-Skandal zu einem handfesten BND-Skandal", sagte sie.

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SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel sagte, das Kanzleramt müsse "jetzt mit höchster Priorität und ohne Ansehen der Person für Aufklärung vor dem Untersuchungsausschuss sorgen". Wenn sich bewahrheite, dass der US-Militärgeheimdienst NSA Wirtschaftsspionage in Europa betrieben hat, "muss das Konsequenzen haben", forderte Schäfer-Gümbel.

Ausschusschef Sensburg spricht von Missbrauch durch die NSA

Bereits am Donnerstag hatte Martina Renner, Obfrau der Linken im NSA-Ausschuss, in der SZ den Rücktritt von Schindler gefordert. Grünen-Obmann Konstantin von Notz hielt sich da noch zurück, hielt einen sofortigen Rücktritt Schindlers für verfrüht. Am Freitag legte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nach. "Ich fordere die Bundeskanzlerin auf, BND-Chef Gerhard Schindler sofort zu entlassen", sagte er der Bild-Zeitung. Die Kanzlerin müsse zudem erklären, "warum die Bundesregierung die Kontrolle über den BND verloren hat", sagte Hofreiter. Der BND sei "ganz offensichtlich zum verlängerten Arm der NSA geworden". Die Zusammenarbeit der Geheimdienste sei "offenkundig völlig aus dem Ruder gelaufen".

Die Union verteidigt sowohl Schindler als auch den BND. NSA-Ausschusschef Patrick Sensburg (CDU) sprach von einem möglichen organisatorischen "Versehen" im BND. Wenn, dann habe die NSA den BND für ihre Zwecke "missbraucht".

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