NRW-Linke: Ulrich Maurer:Oskars Aufpasser will Rot-Rot-Grün schmieden

Die Linke hat eine neue Spitze - bei Koalitionssondierungen in NRW sitzt mit Ulrich Maurer ein Mann, auf den sich Ex-Parteichef Lafontaine verlassen kann.

Oliver Das Gupta

Am Abend des Triumphes fand Ulrich Maurer prophetische Worte. Seit ein paar Stunden war an jenem 30. August 2009 klar, dass mehr als jeder fünfte saarländische Wähler für die Linkspartei gestimmt hat. Oskar Lafontaine hatte es in seiner Heimat geschafft: Von null auf Volkspartei - und das in einem westdeutschen Flächenland.

Ulrich Maurer Linke Beuermann NRW Sonderierungsgespräche dpa

Ulrich Maurer (li.) nach der NRW-Wahl mit Linken-Spitzenkandidatin Bärbel Beuermann und Oskar Lafontaine (Mitte).

(Foto: Foto: dpa)

Auf der Wahlparty der Linken umjubelten die Lafontaine-Fans "de Oskar". Und Ulrich Maurer ragte hinter seinem Parteichef hervor; wenig später ging er wieder aus dem Zelt, der Jubel blieb drinnen beim Wahlsieger. Maurer stand etwas abseits und steckte sich eine Zigarette an.

Der Beauftragte der Linken für den Parteiaufbau West genoss seinen persönlichen Triumph: "Das", verkündete Maurer mit ernster Miene, "das ist erst der Anfang." Von nun an würde die Partei in alle anderen Landesparlamente einziehen. "Wir werden auch in Nordrhein-Westfalen reinkommen", erklärte er im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Der Mann behielt recht: Bei der Wahl an Rhein und Ruhr erreichte die Linke mehr als fünf Prozent der Stimmen - und könnte theoretisch sogar mitregieren. Am Donnerstag findet das erste Sondierungsgespräch mit SPD und Grünen statt - Ulrich Maurer wird mit dabei sein.

Wie die Berliner Linken-Zentrale sueddeutsche.de bestätigte, wird der 61-Jährige an dem Treffen teilnehmen - das sei eine alleinige Entscheidung des Landesverbandes, beteuert der Parteisprecher.

NRW-Landeschef Wolfgang Zimmermann wiederum erklärt, Maurer sei "keine Polit-Nanny". Angesichts der berüchtigten dunkelrot-orthodoxen NRW-Kader liegen diejenigen wohl richtig, die Maurer sehr wohl in der Rolle des Aufpassers sehen. Oskars Aufpasser. Die beiden eint ein gemeinsames politisches Leben, das sich lange Zeit in der SPD abspielte. Lafontaine war die Nummer eins im Saarland und brachte es zum Parteivorsitzenden, Maurer dirigierte den Landesverband Baden-Württemberg.

Der selbsternannte Prätorianer-Führer

Als Lafontaine auf dem Rostocker Linken-Parteitag seinen Abschied von der Parteispitze feierte, rief er: "Macht's gut, macht's besser." Der Vorsitzende a. D. scheint mit Maurer nun auf Nummer sicher zu gehen. Nur nichts falsch machen, lautet die Devise. Dass die Linke nicht nur opponieren, sondern auch regieren will, hat Lafontaine unlängst im Interview mit sueddeutsche.de klargemacht.

An Gerhard Schröder hat sich Maurer schon Jahre vor dessen Kanzlerschaft abgearbeitet. Schon in Juso-Tagen waren die beiden sich einig in gegenseitiger Abneigung. Als Schröder 1993 SPD-Chef werden wollte, engagierte sich Maurer in einem Abwehrbündnis gegen den Niedersachsen. SPD-Kanzlerkandidat Rudolf Scharping nahm den Rechtsanwalt Maurer 1994 dafür sogar in sein Schattenkabinett als potentiellen Innenminister auf.

Aus dem Jahr 2000, da war Lafontaine schon aus Parteivorsitz und Finanzministerium geflohen, ist der kernige Ausspruch überliefert: "Wer mich als Prätorianer-Führer hat, der hat fast schon gewonnen." Doch sein Stern sank. Der verheiratete Familienvater verlor seinen Sitz im SPD-Präsidium, den Chefsessel in der baden-württembergischen Landtagsfraktion und 2003 schied er aus dem Bundesvorstand aus.

Ulrich Maurer stand vor der Bedeutungslosigkeit, genauso wie Lafontaine. 2005 verschickte Maurer Brandbriefe an Genossen, in denen er die Agenda 2010 geißelte. Kurz darauf trat er aus der SPD aus und der WASG bei. Dort trafen sich Maurer und Lafontaine wieder.

Der Prätorianer hatte einen neuen Chef gefunden, Maurer galt bald als Lafontaines Vertrauter. Seitdem sind fünf Jahre vergangen, WASG und die ostdeutsche PDS sind längst zur Linken verschmolzen. Inzwischen ist Maurer längst wieder zum Spitzenfunktionär avanciert. Er sitzt im Bundestag als Fraktionsvize, außerdem bekleidet er seit 2007 einen Posten mit dem klingendem Titel "Parteibildungsbeauftragter, Parteibildung West".

Vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen war er das Echo Lafontaines: Sprach der Parteichef vom Willen zum Mitregieren, sekundierte der Schwabe. Manchmal gleichen sich sogar die Worte: Maurer tadelte im Wahlkampf die "Eierei" der SPD in NRW - Lafontaine sprach von "Eiertänzen", die Hannelore Kraft aufführe. Maurer lag stets auf Lafontaine-Linie.

Die SPD-Spitzenkandidatin und der ehemalige SPD-Mann Maurer werden sich am Donnerstag treffen. In der Partei ist Kraft übrigens erst seit rund 15 Jahren - Lafontaine und Maurer bringen es je auf mehr als doppelt so viele Mitgliedsjahre.

Damit die Annäherung leicht fällt, bringt der Sonderbeaufragte Maurer eine Stasi-Überprüfung der nordrhein-westfälischen Linken-Abgeordneten ins Spiel. "Wir wollen, dass der gesamte NRW-Landtag von der Birthler-Behörde überprüft wird. Das muss Teil einer Vereinbarung werden", sagte Maurer dem Tagesspiegel. Und: "Die Ex-K-Gruppen-Kader von den Grünen und der SPD sind die eigentlich interessanten Überprüfungsobjekte. Seit Günter Guillaume wissen wir, dass sich Stasi-IM im Westen vor allem hinter rechten Sozialdemokraten verbergen können."

Dann kann beim Sondierungsgespräch von SPD, Grünen und Linkspartei am Donnerstag ja nicht mehr viel schiefgehen.

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