Altena:Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes

  • Die Staatsanwaltschaft Hagen ermittelt nach dem Messerangriff auf den Bürgermeister von Altena wegen versuchten Mordes.
  • Die Tat sei politisch motiviert und aus niederen Beweggründen verübt worden, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft, aber nicht unbedingt von langer Hand geplant.
  • Ein alkoholisierter Mann hatte den Bürgermeister am Montagabend in einem Dönerimbiss mit einem langen Messer leicht verletzt.
  • Als Motiv für seine Tat nannte er die Flüchtlingspolitik des Bürgermeisters, dieser hatte mehr Geflüchtete in der Stadt aufgenommen als laut Verteilschlüssel nötig.

Nach dem Messerangriff auf den Bürgermeister von Altena ermittelt die Staatsanwaltschaft Hagen wegen versuchten Mordes. Der Tatverdächtige habe in Tötungsabsicht und mit politischem Motiv gehandelt. Da der Beschuldigte seine Tat mit der Flüchtlingspolitik des Bürgermeisters gerechtfertigt habe, lägen zudem niedere Beweggründe vor, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Gerhard Pauli.

Ein Polizeivertreter wiederholte Details des Angriffs, die weitgehend bereits bekannt waren. Andreas Hollstein, der Bürgermeister der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Altena, war am Montagabend in einen Dönerimbiss in der Nähe seines Wohnhauses gegangen, um Essen für sich und seine kranke Frau zu holen. Kurz darauf betrat ein weiterer Gast den Laden. "Sie lassen mich verdursten und holen 200 Flüchtlinge nach Altena", soll der Mann gesagt haben, bevor er Hollstein mit einem 34 Zentimeter langen Messer angriff. Zusammen mit zwei Imbissbetreibern überwältige der Politiker den Angreifer bis zum Eintreffen der Polizei. Die Helfer wurden leicht verletzt, Hollstein erlitt eine Schnittwunde am Hals.

"Wir gehen auch davon aus, dass es sich hier um eine Spontantat handelt", erklärte Staatsanwaltschaftssprecher Pauli. Nur, weil der Tatverdächtige ein Küchenmesser im Rucksack mit sich geführt habe, könne nicht von einer geplanten Attacke ausgegangen werden.

Der Angreifer heiße Werner S. und sei 56 Jahre alt, gab die Staatsanwaltschaft bekannt. Er sei leicht alkoholisiert gewesen. In der Vergangenheit sei S. wegen Trunkenheit im Verkehr und einer "kleineren Körperverletzungsgeschichte aus dem Jahr 2013" mit der Polizei in Kontakt gekommen, bisher aber nicht vorbestraft. Verbindungen zur rechten Szene habe man S. bislang nicht nachweisen können.

Der Angreifer sitzt hinter Gittern. Er wurde mittags einem Richter vorgeführt, der einen Haftbefehl aussprach.

Hollstein ist bereits auf dem Krankenhaus entlassen und hatte sich am späten Vormittag auf einer Pressekonferenz geäußert: "Ich werde auf jeden Fall weitermachen!", sagte er in Bezug auf seine soziale und flüchtlingsfreundliche Politik. Er erklärte außerdem, keinen Hass auf den Angreifer zu hegen. Dieser sei lediglich ein Werkzeug. Verantwortlich für die Gewalt und die Verrohung der Gesellschaft seien jene, die Hass säten, besonders in den sozialen Medien. Dieser sickere dann in "simple Gemüter" ein; dazu zähle er auch den Angreifer. Die Pressekonferenz absolvierte er sichtlich angeschlagen, aber gefasst.

Kanzlerin Merkel zeigt sich bestürzt

Kanzlerin Angela Merkel hatte sich am Vormittag bestürzt über den Angriff gezeigt. "Ich bin entsetzt über den Messerangriff auf Bürgermeister Andreas Hollstein - und sehr erleichtert, dass er schon wieder bei seiner Familie sein kann." Ihr Dank gelte denen, die dem Politiker zu Hilfe eilten. Auch Hollstein dankte seinen Helfern: "Zusammen mit meiner Geburt und meiner überstandenen Krebserkrankung wurde mir gestern ein drittes Leben geschenkt", sagte er vor Kameras.

Der Fall erinnert an die Attacke auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die im Oktober 2015 während eines Wahlkampfauftritts niedergestochen worden war. Reker selbst warnte Hollstein nach dem Anschlag davor, sich einschüchtern zu lassen: "Ein solches Attentat verändert das Leben, aber es darf nicht unser Verhalten ändern." Hass und Gewalt seien keine Lösung, sondern das Problem.

Die 18 000-Einwohner-Stadt Altena wurde bundesweit bekannt, weil sie mehr Flüchtlinge aufnimmt, als sie nach dem Verteilschlüssel aufnehmen müsste. Im Mai war Altena von Kanzlerin Merkel dafür mit dem Nationalen Integrationspreis ausgezeichnet worden. Noch in der vergangenen Woche wollte Bundespräsident Steinmeier die Stadt ebenfalls wegen ihrer Verdienste um die Aufnahme von Flüchtlingen besuchen, musste die Visite jedoch wegen der schwierigen politischen Lage in Berlin absagen.

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