NRW:Herz im Grünen

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Im Zentrum von NRW – 51° 28,4‘ Nord und 7° 33,1‘ Ost. (Foto: Christian Wernicke)

Nordrhein-Westfalens geografischer Mittelpunkt soll markiert werden - mit einem Denkmal auf einer matschigen Wiese im Dortmunder Stadtteil Aplerbeck.

Von Christian Wernicke

Der Mittelpunkt ist ein Rechteck, 15 mal 20 Meter misst die Grünfläche. Eine Eiche steht im matschigen Gras, am Rand wuchern Brombeersträucher. Vögel zwitschern, ein Hund bellt, als ein Auto durch die schmale Gurlittstraße von Dortmund-Aplerbeck rollt. Es ist ein unscheinbarer Flecken im Nirgendwo, aber das soll sich ändern: Ein Kunstwerk soll den Ort ehren. Denn genau hier, zwischen Einfami-lienhäusern und einem Wanderweg hinüber ins Naturschutzgebiet, liegt das geografische Zentrum von Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland. Die Mitte von Nordrhein-Westfalen.

Es passt zu NRW, diesem meist zu drei Buchstaben verkürzten Bindestrich-Land, dass sein innerster Kernpunkt nichts hermacht. Schon mehr als sieben Jahrzehnte sind zwar vergangen, seit die britische Besatzungsmacht per Militärverordnung die Grenzen dieses Gebildes zog. Aber Rheinländer, Westfalen und Lipper fanden bis heute keine gemeinsame Identität. Keine Mitte eben. Genauso typisch für Nordrhein-Westfalen ist: Nie kam irgendeine Regierung in Düsseldorf auf die Idee, dem Herzen des eigenen Landes ein Denkmal zu setzen. Bayern, Sachsen oder Niedersachsen haben längst solche Orte. Nicht NRW.

Nun jedoch haben drei Lokalpolitiker aus Aplerbeck die Initiative ergriffen. Bezirksbürgermeister Jürgen Schädel und Michael Rohde, der Verwaltungschef im historischen Amtshaus am Marktplatz, sowie dessen Vorgänger Ulrich Köhler räumten bürokratische Hürden aus dem Weg, kratzten Zuschüsse zusammen - und schrieben einen Wettbewerb aus: 15 000 Euro winken für jene Skulptur, die "künstlerisch symbolhaft den Mittelpunkt Nordrhein-Westfalens" inszeniert. Bis Ende Juni müssen die Entwürfe vorliegen, danach beugt sich eine Jury über alle Ideen.

Es ist weniger Landesliebe als Lokalpatriotismus, der das Trio aus Aplerbeck antreibt. Das Denkmal soll mehr Besucher in den Südosten Dortmunds locken. Wanderer vor allem oder Schülergruppen, für große Busse ist die Gurlittstraße eh zu eng. "Wir wollen hier keinen Rummelplatz schaffen", sagt Bürgermeister Schädel, "die Anwohner möchten ihre Ruhe behalten." Aplerbeck, der Stadtbezirk mit 55 000 Einwohnern, ist kein Paradies. Aber heile Welt: gutbürgerlich, geringe Kriminalität, wenige Arbeitslose.

Das Gerücht, es sei vor 20 Jahren der legendäre Landesvater Johannes Rau (Motto: "Wir in NRW") gewesen, der Nordrhein-Westfalen vermessen ließ und Aplerbeck als Mittelpunkt entdeckte, können die Initiatoren nicht bestätigen. "Bekannt ist das schon lange", sagt Verwaltungschef Rohde, "nur hat sich der genaue Ort mehrmals verschoben." Eingemeindungen und neue Straßen an der Landesgrenze erzwangen immer wieder Korrekturen. Bis 2009 etwa lag das NRW-Zentrum 100 Meter weiter südöstlich im Tal des Nahtebachs. Die Reise zum NRW-Mittelpunkt führte bis dahin in den modrigen Sumpf eines Regenrückhalte-Beckens.

Nun aber ist die Zeit reif. 51 Grad 28,4' nördlicher Breite und 7° 33,1' östlicher Länge - diese "Geobasisdaten" hat eine für die Vermessung des gesamten Bundeslandes zuständige Abteilung der Bezirksregierung Köln hochamtlich bestätigt. Das Denkmal auf der grünen Wiese kann kommen. Und NRW seine endlich erkennbare Mitte schenken. Für die Bürger von Aplerbeck wird sich nicht viel ändern: "Köln war schon immer das kirchliche Zentrum von NRW, Düsseldorf das politische," sagt der Verwaltungschef Köhler. "Und Dortmund ist eben das emotionale Zentrum des Landes", ergänzt Bürgermeister Schädel, ein leidenschaftlicher BVB-Fan. Der Mann blickt zufrieden die Gurlittstraße hinab: 50 Meter vom Herzen NRWs flattert eine schwarz-gelbe Fahne im Wind.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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