NRW: CDU-Strategie:"Wir sind beide Profis"

Vor den ersten Sondierungsgesprächen in Düsseldorf umwirbt Wahlverlierer Jürgen Rüttgers die SPD-Chefin Hannelore Kraft.

Bernd Dörries und Johannes Nitschmann

Sie beobachten sich. Die Landesgeschäftsstelle der SPD in Düsseldorf liegt in einem 60er- Jahre-Bau, umgeben von vielbefahrenen Straßen. Gleich um die Ecke residiert die CDU in einem Jugendstilgebäude an einem kleinen Teich. Das sagt schon viel aus über die beiden Parteien und wie sie gesehen werden wollen.

Kraft und Rüttgers

Kraft und Rüttgers ARCHIV - Die Landesvorsitzende der NRW-SPD und Spitzenkandidatin zur Landtagswahl, Hannelore Kraft, und CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers stehen am Sonntag (09.05.2010) im Landtag in Düsseldorf im Fernsehstudio. In NRW treffen sich kommende Woche SPD und CDU zu ersten Sondierungsgesprächen. Foto: Marius Becker dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++

(Foto: dpa)

Weit auseinander liegen CDU und SPD, die ab dem heutigen Donnerstag über eine große Koalition verhandeln, nicht - rein räumlich gesehen zumindest. Die SPD kann die etwa hundert Meter in die Räume der CDU schauen und umgekehrt. Bei den Christdemokraten soll es jüngst zu großer Geschäftigkeit gekommen sein, berichtet man bei der SPD.

Die CDU sei wohl vom schnellen Ende der rot-rot-grünen Sondierungsgespräche überrascht worden. Sie brauchte einige Tage, um eine neunköpfige Verhandlungskommission zu bestimmen. Parteichef Jürgen Rüttgers wird ihr natürlich angehören, der noch am Wahlabend seinen Rücktritt angeboten hatte und der auch in den Tagen danach als angeschlagen galt. Mittlerweile gibt es in der CDU aber nur noch wenige, die glauben, dass der Ministerpräsident bald aufgeben muss. "Wenn, dann hätte man sein Rücktrittsangebot gleich nach der Wahl akzeptieren müssen", sagt einer aus der CDU. Jetzt sei es zu spät. "Rüttgers stabilisiert sich mit jedem Tag."

Und auch die Stimmung in der CDU wird mit jedem Tag zuversichtlicher, obwohl sich am Wahlergebnis wenig geändert hat. Während einige in der Partei noch vor einigen Tagen durchaus der Ansicht gewesen waren, man könne Rüttgers sozusagen als Verhandlungsmasse in den Gesprächen über eine große Koalition opfern, glaubt man nun, dass es für die SPD schwer sein würde, der Öffentlichkeit klarzumachen, warum man in den Zeiten der Krise eine große Koalition an der Person Rüttgers scheitern lasse - wenn die CDU doch sonst zu weitgehenden Zugeständnissen bereit sei.

Man schaut hinüber zur SPD und versucht, sich hineinzufühlen in den Gegner, der bald Partner sein könnte. Für die SPD sei doch eine große Koalition mit einem geschwächten Rüttgers viel besser als ein Bündnis mit einem unverbrauchten CDU-Regierungschef, sagt ein führender Christdemokrat. Letztlich, so spekulieren manche in der CDU, sei dies auch der Plan der Sozialdemokraten: Neuwahlen - entweder gleich oder nach ein paar Jahren großer Koalition.

Passive Strategie der CDU

Viel entgegensetzen kann die Union dem derzeit nicht. Ihre Strategie ist eher eine passive, sie reagiert auf das, was die SPD plant. Sie will versuchen, den Sozialdemokraten keine inhaltlichen Gründe für ein Scheitern der Gespräche zu liefern, die Hürde hoch zu legen für Neuwahlen. "Es ist nur eine große Koalition denkbar, um in diesem Land zu stabilen Verhältnissen zu kommen", sagte Rüttgers am Mittwoch vor der 67-köpfigen, neu formierten CDU-Landtagsfraktion. Der CDU-Landeschef signalisierte den Genossen weitgehendes Entgegenkommen auf strittigen Politikfeldern. In der Industrie- und Umweltpolitik sehe er große Gemeinsamkeiten. Bei aller Kompromissbereitschaft der CDU müsse den Sozialdemokraten aber klar sein, "dass Nordrhein-Westfalen nicht neu erfunden wird."

Rüttgers warb bei seinen Parteifreunden um Verständnis für die "schwierige Rolle", in der sich derzeit SPD-Verhandlungsführerin Hannelore Kraft befinde: Für Teile der Partei sei es "eine Zumutung", als gefühlter Wahlsieger mit der CDU verhandeln zu müssen. Er könne nachvollziehen, dass Kraft ihre Parteibasis einbinden wolle - etwa über die Veranstaltung von Regionalkonferenzen. Sein Verhältnis zur SPD-Chefin nannte Rüttgers "gut und professionell". Die anstehenden Sondierungen werde er auf Augenhöhe mit Kraft führen: "Wir sind beide Profis."

Einen neuen Wahlgang in NRW halten viele in der Union für unrealistisch und glauben an das Beharrungsvermögen viele Abgeordneter im Landtag, denen ihr sicheres Mandat wichtiger ist als eine erneute Wahl. "Ich sehe nicht, dass es im Landtag so ohne weiteres eine Mehrheit für Neuwahlen gibt", sagte Rüttgers. Wenn es aber doch dazu kommen sollte, dann wird in der CDU aber auch über die Person Rüttgers neu nachgedacht werden. Am Wochenende traf sich der Regierungschef zum Essen mit den Ministern Armin Laschet und Karl-Josef Laumann, sowie dem Generalsekretär Andreas Krautscheid. Es soll Gulaschsuppe gegeben haben und darüber gesprochen worden sein, wer denn künftig was machen soll.

Laumann könnte Fraktionschef werden und Laschet ein größeres Ministerium bekommen. Entschieden wurde nichts, weil man ja noch gar nicht weiß, ob man wieder mit dabei ist in der Regierung, und was aus Rüttgers wird. Laschet und Laumann wollen bis zum 24. Juni im Amt bleiben, damit sie nach fünf Jahren ihre volle Ministerpension bekommen. Trotz dieses informellen Charakters des Gesprächs gab es gleich einigen Ärger in der CDU. "So nicht", soll sich Wirtschaftsministerin Christa Thoben bei Rüttgers beschwert haben. Es brodelt in der CDU unter dem zur Schau getragenen Optimismus.

Da sich der neue Landtag am 9. Mai konstituiert hat, und der alte CDU-Fraktionschef in den Ruhestand ging, wählte die Fraktion am Mittwoch Christian Weisbrich zu ihrem Übergangsvorsitzenden. Weisbrich ist 68 Jahre alt und scheiterte vor anderthalb Jahren bei der Wahl zum Landesvorsitzenden der Senioren-Union. Jetzt darf er ein paar Wochen oder Monate kommissarisch Fraktionschef sein. Es zeigt, dass die Personaldecke der Union doch recht dünn ist.

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