NPD:Wohlfühldiktatur ohne Mischlinge

Wer wissen will, was die NPD plant, muss keine Wanzen oder V-Männer einsetzen. Ein Blick ins Programm zeigt den wahren Charakter der Partei.

Steffen Kailitz

Wenn an diesem Donnerstag im Berlin-Pankower Ortsteil Heinersdorf die Khadija-Moschee eröffnet wird, will die NPD protestieren - mal wieder. Islamische Gebetshäuser gelten der Partei als Vorboten einer "Überfremdung", die Deutschland "durch kultur- und rassefremde Menschen" drohe.

NPD, ddp

Das nationalsozialistische Menschenbild der NPD ist eindeutig: "Der Mensch existiert nur in seiner je unterschiedlichen ethnisch-kulturellen Prägung und damit als Angehöriger eines bestimmten Volkes."

(Foto: Foto: ddp)

In den Ideen, die sie dazu entwickelt hat, wie mit diesen Menschen zu verfahren ist, zeigt sich deutlich: Die NPD ist eine nationalsozialistische Partei. Wie die NSDAP gehört sie zu einer Gruppe rechtsextremistischer Parteien, deren Programmatik eine völkische Ausrichtung mit einer starken Betonung sozialstaatlicher Elemente und dem Streben nach einer staatlichen Kontrolle der Wirtschaft kombiniert.

Das heißt nicht, dass es keine bedeutsamen Unterschiede zwischen der historischen NSDAP und der NPD gibt. Doch die gibt es auch in anderen Parteienfamilien. Auch die SPD der Weimarer Republik und die heutige Steinmeier-SPD haben keine identische Programmatik.

Wer die NPD als nationalsozialistisch bezeichnet, klebt ihr kein fremdes Etikett auf. Statt von Nationalsozialismus sprechen Anhänger und Funktionäre der NPD nur lieber von "nationalem Sozialismus" und "sozialem Nationalismus".

Die Göttinger Parteijugend bringt ihre Glaubensbekenntnis so auf den Punkt: "Wir sind nationale Sozialisten und wissen, dass nur der nationalistische Glaube Deutschland, Europa und den Rest der Welt in eine bessere, friedlichere und gerechtere Zukunft führen kann."

In ihrem "Politischen Lexikon" lobt die NPD die faschistischen und proto-faschistischen Regime Italiens, Spaniens und Portugals dafür, dass sie den romanischen Staaten "durch zeitweilige Ausschaltung liberalistischer und marxistischer Positionen, zu zeitweiliger Blüte verholfen haben".

Häufig beurteilen Funktionäre der NPD auch die nationalsozialistische Diktatur und ihre führenden Vertreter positiv. So bezeichnete der inzwischen verstorbene sächsische Vorzeigekandidat der Partei, Uwe Leichsenring, das "Dritte Reich" als "Wohlfühldiktatur mit 95 Prozent Zustimmung".

Udo Pastörs, Fraktionsvorsitzender der NPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, antwortete auf die Frage, ob er mit der Bezeichnung "Neonazi" leben könne: "Wenn Sie damit meinen, dass ich ein Mann bin, der national denkt und fühlt und sozial handelt, dann fühle ich mich durchaus richtig bezeichnet." Hitler sei für ihn ein Mann, der "wahnsinnige Pflöcke" eingerammt habe - "militärisch, sozial, ökonomisch".

Wer wissen will, was die NPD plant, muss keine Wanzen oder V-Männer einsetzen. Es genügt, das Partei-, das Aktions- und das Europaprogramm der Partei zu lesen und sich auszumalen, was es bedeuten würde, diese umzusetzen. Wie die NSDAP bekennt sich die NPD zur Volksgemeinschaft. Diese sei in Deutschland "durch bewusst herbeigeführten, fortgesetzten Ausländerzustrom" zerstört worden, an ihre Stelle eine Ansammlung von Individuen mit egoistischen Zielen getreten.

Aus dem dunklen Jetzt weist die NPD den Weg in die lichte Volksgemeinschaft. Zweierlei fordert sie dabei als Wegzoll ein: Wer einen deutschen Stammbaum hat, muss sich den Interessen der Volksgemeinschaft bedingungslos unterordnen. Wer keinen deutschen Stammbaum hat, muss verschwinden.

Das nationalsozialistische Menschenbild der NPD ist eindeutig: "Der Mensch existiert nur in seiner je unterschiedlichen ethnisch-kulturellen Prägung und damit als Angehöriger eines bestimmten Volkes." Als Konsequenz plant die NPD, Millionen Menschen aus Deutschland zu vertreiben. "Ausländerrückführung" nennt sie das beschönigend.

"Ausländer" ist, wen die NPD nicht als völkischen Deutschen akzeptiert. So beklagt sie in ihrem Aktionsprogramm, dass die offizielle Zahl der Ausländer in Deutschland nicht die "Ausländer mit BRD-Pass" umfasse. Wer aus Sicht der NPD nicht "germanischstämmig" ist, bleibt für diese Partei "körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper".

Die Verleihung eines "bedruckten Papiers", sprich der deutschen Staatsangehörigkeit, ändere nicht die "biologischen Erbanlagen". Ein Farbiger kann daher für die NPD, unabhängig von seinem Geburtsort und seiner Staatsangehörigkeit, niemals Deutscher sein.

Fast jeder fünfte Mensch in Deutschland hat nach Angaben des Statistischen Bundesamtes einen Immigrationshintergrund. Deutlich mehr als die Hälfte dieser rund 15,1 Millionen Menschen sind deutsche Staatsbürger. Vier von zehn sind in Deutschland geboren. Bis zu elf Millionen dieser Menschen will die NPD vertreiben.

Die Bestimmung der konkreten Zahl ist schwierig, da die Partei offen lässt, wer genau zu den so genannten "ethnisch-kulturell verwandten europäischen Völkern" zählt. Die NPD will nämlich in erster Linie "kultur- und rassefremde Menschen" aussondern. Zuwanderer aus Österreich oder Dänemark müssten wohl kaum fürchten, aus dem Land gejagt zu werden, wohl aber jene aus der Türkei und Osteuropa.

Wohlfühldiktatur ohne Mischlinge

Auch die rund vier Millionen Spätaussiedler seit 1950 und ihre Nachkommen müssen wohl nicht mit einer Vertreibung rechnen. Auch wenn die Spätaussiedler von vielen NPD-Anhängern kaum anders wahrgenommen werden als etwa Zugewanderte aus der Türkei, müssen sie nach der Logik der Partei als völkische Deutsche gelten. Obwohl - anders als bei der NSDAP - der Antisemitismus in ihrer Propaganda keine große Rolle spielt, lässt die NPD keinen Zweifel daran, dass sie auch die Juden vertreiben will.

NPD: NPD-Fahne auf einer Demonstration in Berlin

NPD-Fahne auf einer Demonstration in Berlin

(Foto: Foto: ddp)

Sie werden von den Funktionären der Partei stets als Angehörige eines anderen Volkes dargestellt, ganz gleich, ob ihre Familien seit Generationen in Deutschland leben. Weil all die Menschen kaum freiwillig gehen dürften, wäre die NPD wohl "gezwungen", Gewalt anzuwenden - und möglicherweise Lager einzurichten.

Was mit den Millionen deutscher Staatsbürger, die von anderen Ländern nicht aufgenommen werden würden, geschehen soll, bleibt offen. Vielfach geht die NPD in ihren Forderungen sogar weiter als die NSDAP in ihrem Programm von 1920. So wollte die NSDAP Nicht-Deutsche nur als Gäste im Land leben lassen. Die NPD will es grundsätzlich untersagen; wer kein völkischer Deutscher ist, soll höchstens drei Monate im Land bleiben dürfen.

Menschen, bei denen ein Elternteil die Kriterien einer deutschen Volkszugehörigkeit der NPD erfüllt und das andere nicht-europäischer Herkunft ist, nennt die NPD in einem Argumentationspapier für Funktionäre voller Verachtung "Mischlinge" und "Bastarde". Ihnen soll das Leben durch Diffamierungen und die Deportation eines bedeutenden Teils ihres sozialen Umfelds unmöglich gemacht werden. Ziel ist es, sie in die Emigration zu zwingen in Länder, "in denen Bastarde zum Alltagsbild gehören" und die "damit verbundene ethno-kulturelle Verwahrlosung und Bindungslosigkeit allgegenwärtig ist".

Wie die NSDAP einen Ariernachweis brauchte, würde die NPD einen "Germanischen Stammnachweis" benötigen, um die völkischen Deutschen systematisch von den anderen zu scheiden. Konkret fordert die NPD etwa in einem Wahlkampfblatt eine völkische Trennung von Ausländern und Deutschen an den Schulen.

Der sächsische Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel erläuterte dazu kürzlich: "Eine Segregation von deutschen und nichtdeutschen Schülern wäre ein bildungspolitischer Segen, weil der Unterricht nicht länger durch sprachlich unterentwickelte Ausländer behindert würde." Zudem fordert die NPD seit langem, alle nicht völkischen Deutschen aus den Sozial- und Rentenversicherungssystemen auszuschließen. Auch Ehen zwischen völkischen Deutschen und nicht artverwandten Fremden müssten in einer NPD-Diktatur verboten werden.

Eine groß angelegte Vertreibung von Millionen von Menschen ist teuer. Doch die NPD weiß bereits, wie sich das gigantische Projekt finanzieren ließe: Zum einen sollen die Betroffenen - auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung! - ihre Vertreibung weitgehend selbst bezahlen. Zum anderen will die NPD von Firmen, die Menschen beschäftigen, die sie nicht als deutsch anerkennt, eine so genannte "Rückführungsabgabe" einfordern.

Damit sollen offenbar nicht nur Kosten gedeckt, sondern auch Gewinne gemacht werden. Im NPD-Aktionsprogramm heißt es: "Grund und Boden sind Eigentum des deutschen Volkes." Daraus wird nicht nur abgeleitet, dass als ausländisch definierte Personen künftig keinen deutschen Grund und Boden erwerben dürfen. Es heißt unmissverständlich: "Eventuell bestehende Besitzverhältnisse"von Ausländern "sind aufzulösen oder rückzuübertragen".

Parallelen zum Programm einer "Arisierung" jüdischen Eigentums durch die NSDAP fallen ins Auge. Ihren im Aktionsprogramm angekündigten Raubzug will die NPD nicht aufs Privateigentum nicht-"germanischstämmiger" Menschen beschränken. Die Partei will auch alle multinationalen Konzerne in Deutschland "nationalisieren". Als "multinational" gelten ihr Unternehmen oder Unternehmensteile in Deutschland, die nicht in der Hand von Deutschen im Sinne der NPD sind.

Das Zuckerbrot der NPD für die Mitglieder der deutschen Volksgemeinschaft ist ein großzügig ausgebauter Wohlfahrtsstaat. So fordert sie etwa ein "Recht auf Arbeit" für alle Deutschen und will sie am "Produktivvermögen" beteiligen. Rechtsextremistisch ist an den sozialpolitischen Forderungen der NPD nicht der Inhalt, sondern die völkische Bestimmung des Kreises der Personen, die begünstigt werden sollen.

Solche sozialen Parolen gehören zum Kern der Ideologie der Volksgemeinschaft. Schon die NSDAP führte für "Volksgenossen" soziale Vergünstigungen wie das Kindergeld und die steuerliche Bevorzugung von Ehegatten ein.

Um die Volksgemeinschaft zu verwirklichen, muss die NPD die parlamentarische Demokratie abschaffen. Wer wie sie glaubt, ein "lebensrichtiges Menschenbild" zu haben, kann Parteien mit anderen Vorstellungen keinen Raum lassen. Der Parteivorsitzende Udo Voigt drohte für den Fall einer NPD-Herrschaft bereits allen Politikern Konsequenzen an, die ihren Amtseid, "Schaden vom deutschen Volk" abzuwenden, verletzt haben - aus Sicht der NPD betrifft dies nahezu alle demokratischen Politiker.

So klagt der Landtagsabgeordnete Gansel auf der Homepage der NPD die "Kaste von Polit-Kriminellen" an, "das Land absichtsvoll einer tödlichen Verausländerung, einem neototalitären EU-Regime und einer sozial zerstörerischen Globalisierung" ausgesetzt zu haben. Käme die NPD an die Macht, würde sie den Pluralismus nicht nur beschränken, sondern abschaffen. Platz hätten in dieser Diktatur nur noch Vereinigungen "nationaler Kräfte" mit einer ähnlicher Programmatik. Das nationalrevolutionäre Projekt der NPD würde in einer totalitären Herrschaftsordnung münden.

Steffen Kailitz forscht am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden und ist Sprecher der Gruppe "Vergleichende Diktatur- und Extremismusforschung" der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft.

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