NPD will Verfassungstreue prüfen lassen:"Das ist reines Theater"

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Will NPD-Chef Apfel mit dem Antrag beim Verfassungsgericht vom jämmerlichen Zustand seiner Partei ablenken? Der Schritt, von Karlsruhe die Verfassungstreue überprüfen zu lassen, klingt zwar spektakulär. Rechtsexperten und Innenpolitiker räumen ihm jedoch keine Chance ein.

Oliver Das Gupta und Oliver Klasen

Ein letzter verzweifelter PR-Coup von Holger Apfel? (Foto: AFP)

Als Holger Apfel vor einem Jahr den Vorsitz der NPD eroberte, verkündete er seinen Kameraden einen Strategiewechsel. Mit "seriösem Radikalismus" wollte der neue starke Mann seine Rechtsextremen zum Erfolg führen. Dazu passt Apfels Aktion zum ersten Jahrestag seiner Amtsübernahme: Er möchte mit einem Antrag beim Bundesverfassungsgericht die Verfassungstreue der NPD prüfen lassen.

Der aktuelle NPD-Antrag beim Bundesverfassungsgericht geht vielleicht auf einen ähnlichen Schritt von 1981 zurück, unterscheidet sich allerdings inhaltlich. Die damaligen Lenker der NPD scheiterten, auch der aktuelle Versuch von Apfel und seine Mannen dürfte sich als Rohrkrepierer erweisen.

Der Berliner Staatsrechts-Professor Ulrich Battis hält das Ansinnen der NPD für völlig aussichtslos: "Das ist reines Theater, völliger Humbug", sagte Battis zu Süddeutsche.de und verwies auf die Gesetzeslage: Nur drei Antragsteller seien berechtigt, beim höchsten Gericht in Karlsruhe eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit von Parteien zu beantragen, nämlich der Deutsche Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung.

Der entsprechende Passus findet sich in Paragraf 43 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht. Dort wird auch auf Artikel 21 das Grundgesetzes verwiesen, nachdem es allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist, über das Verbot einer Partei zu entscheiden.

Parteien im Bundestag sind wenig besorgt

Selbst wenn sich die NPD und ihre Funktionäre durch Äußerungen über ihre Verfassungsfeindlichkeit in ihren Rechten verletzt sähen, so Battis, müssten sie zunächst den normalen Rechtsweg über die Verwaltungsgerichte bestreiten und könnten nicht sofort Karlsruhe als höchste Instanz anrufen. "Die Verfassungsbeschwerde ist hier subsidiär", erklärt der Staatsrechtler. Sie greife also erst, wenn alle anderen Rechtsbehelfe erfolglos ausgeschöpft sind.

Der Schachzug der NPD, selbst nach Karsruhe zu gehen, mag spektakulär klingen, weil er nach Lesart der Rechtsextremen einem möglichen NPD-Verbotsverfahren zuvorkommt. Vor allem aber soll das Manöver wohl darüber hinwegtäuschen, in welchem Zustand sich die Partei nach einem Jahr Apfel befindet.

Die Entwicklung der vergangenen Monate ist aus Sicht der strammen Nationalisten desolat: Finanziell darbt die NPD, die Mitgliederzahl schrumpft, diverse Touren der Parteispitze brachten keinen Erfolg. Gegen Vorstandsmitglieder liefen Gerichtsverfahren, bei anderen fanden Polizisten durch Razzien Schusswaffen. Mit Andreas Molau, der wie Apfel aus Niedersachsen stammt, verließ ein angeblicher Vordenker und ehemaliger Funktionär die NPD - und lästerte ungehemmt über Veruntreuung von Geldern, Allmachtsphantasien und Gesinnungsgenossen, die "völkischen Taliban" glichen.

Alle Wahlen 2012 gingen für die NPD verloren

Die mutmaßliche Verwicklung langjähriger NPD-Funktionäre in die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) dürfte mögliche Sympathisanten abgeschreckt haben. Apfels Eheprobleme konterkarieren obendrein das propagierte Bild der heilen germanischen Familie. Mag die Europa-Skepsis der Deutschen auch steigen und die Ausländer- und Islamfeindlichkeit verbreitet sein: Die NPD profitiert nicht davon. Bei allen drei Landtagswahlen des Jahres 2012 lag der Stimmenanteil weit unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Den demokratischen Parteien im Bundestag scheint der Apfel-Antrag wenig Sorge zu bereiten, sie sprechen von einer "erbärmlichen" PR-Aktion (Volker Beck, Grüne) und schierem "Unfug" (Michael Hartmann, SPD). Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) nennt den NPD-Gang nach Karlsruhe "reinen Populismus".

Bund und Länder sollten stattdessen wie geplant weiter an der Einleitung eines NPD-Verbotsverfahrens arbeiten. Anfang Dezember werde die Bund-Länder-Arbeitsgruppe bei der Innenministerkonferenz eine Empfehlung abgeben, ob das vorliegende Material für ein Verbot ausreicht.

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