NPD in Sachsen-Anhalt:5000 Stimmen fehlen

Die Rechtsextremen scheiterten knapp am Einzug in den Magdeburger Landtag. Von einer Niederlage wollte die versammelte NPD-Elite dennoch nicht sprechen - sie planen bereits für eine wichtigere Landtagswahl.

Christiane Kohl, Magdeburg

Die Luft ist stickig in dem gelb getünchten Hinterzimmer. Rot leuchten die Plakate an der Wand, ein Redner schreit mit heiserer Stimme etwas von der "nationalen, sozialistischen Revolution", die bevorstehen soll.

Landtagswahl 2011 Sachsen-Anhalt

Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Wahlverlierer NPD ist mit 4,8 Prozent glücklich. Spitzenkandidat Matthias Heyder und NPD-Chef Udo Voigt (r.) beglückwünschen sich.

(Foto: SEYBOLDTPRESS)

Zur Straße hin sind die Jalousien der Gaststätte "Hot Stone", die an einer Ausfallstraße am Rande von Magdeburg liegt, heute heruntergelassen. Im Hinterzimmer aber ist was los: Hier feiert die NPD an diesem Sonntagabend ihr Ergebnis der Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt. Breitnackige Türsteher mit kurzgeschorenen Haaren fangen unerwünschte Besucher am Eingang ab.

Drinnen ist die Stimmung zwar nicht überschäumend - immerhin bleiben die Rechtsradikalen unter der Fünf-Prozent-Hürde und können nicht in den Landtag einziehen. Von einer Niederlage aber wollen die aus der ganzen Bundesrepublik angereisten Parteifunktionäre nicht sprechen. "Es ist ein Ergebnis, auf das sich aufbauen lässt", sagt Udo Pastörs, der NPD-Fraktionschef im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern mit Blick auf die im Herbst im Norden anstehenden Landtagswahlen.

"Knapp danebengegangen", kommentiert der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, und Holger Apfel, NPD-Chef in Sachsen, meint: "Wir lagen gut, nur die Städte haben uns das Genick gebrochen." Knapp 46.000 Menschen haben in Sachsen-Anhalt der NPD die Zweitstimme gegeben; es waren 4,6 Prozent der Wähler. Fünftausend Stimmen mehr, und die Partei säße nun im Landtag von Magdeburg.

Vor allem in ländlichen Regionen konnten die Rechtsextremen punkten. Hingegen landeten sie in den beiden Großstädten Magdeburg und Halle zumeist nur bei zwei bis vier Prozent. Mit erheblichem finanziellen Aufwand, massenweise Druckschriften und massiven Rednereinsätzen von Parteiprominenten hatte die NPD versucht, über die Wahlen in Sachsen-Anhalt einen Einstieg ins Landesparlament zu bekommen.

Das ist zwar misslungen, indes konnten die Rechtsradikalen vor allem im Süden des Landes in zahllosen Gemeinden und in vielen Wahlkreisen teils erhebliche Stimmprozente einfahren. So übersprang die NPD in 18 der insgesamt 45 Wahlkreise in Sachsen-Anhalt bei den Zweitstimmen die Fünf-Prozent-Hürde. Im Wahlkreis Nebra westlich von Halle kamen die Rechtsradikalen sogar auf 8,4 Prozent.

Schornsteinfeger mit Hitler-Schnurrbart bekommt über 18 Prozent

In dem Städtchen Nebra an der Unstrut selbst, das vor Jahren durch den spektakulären Fund einer Himmelsscheibe bekannt geworden war, kamen die Neonazis auf knapp zehn Prozent. Noch besser fiel das Ergebnis für die NPD in dem etwas weiter südöstlich gelegenen Ort Laucha aus, wo die NPD mit dem Schornsteinfeger Lutz Battke einen örtlich bekannten Kandidaten aufweisen konnte.

Der Mann, der einen Hitler-Schnurrbart trägt, bekam 16,3 Prozent der Zweitstimmen und sogar 18,8 Prozent der Erststimmen - von den 1380 Bürgern, die in dem ebenfalls an der Unstrut gelegenen Ort zur Wahl gingen, wählten 259 den Rechtsradikalen, Schornsteinfeger, der in Laucha lange Zeit auch als Fußballtrainer aktiv war. Überhaupt scheinen im landschaftlich herrlichen Unstrut-Tal viele Bewohner empfänglich für rechtslastiges Gedankengut zu sein.

So wählten im Weinstädtchen Freyburg 8,2 Prozent der Bürger die NPD. Im nahegelegenen Naumburg an der Saale mit seinen rund 30 000 Wahlberechtigten bekam die NPD 6,5 Prozent der Zweitstimmen, weil hier 772 Naumburger Bürger die rechtsradikale Partei gewählt haben.

Wer aber sind die Menschen, die trotz aller Appelle der demokratischen Parteienvertreter den Rechtsextremen ihre Stimme gegeben haben? Nach den Untersuchungen der Wahlforscher sind darunter viele junge Männer mit niedrigem Bildungsniveau. So haben laut Befragungen landesweit etwa 18 Prozent der Männer zwischen 18 und 24 Jahren NPD gewählt. Unter den rund 312.000 Hartz-IV-Empfängern im Land kamen die Rechtsradikalen auf elf Prozent der Stimmen.

Und bei den Erstwählern erhielten sie sogar 14 Prozent aller Stimmen. Nach einer Untersuchung der Forschungsgruppe Wahlen kommt die NPD bei allen unter 30-Jährigen mit niedrigem Bildungsniveau auf ein Viertel der abgegebenen Stimmen. NPD-Chef Udo Voigt sieht seine Anhänger vor allem in den Plattenbausiedlungen der kleineren Städte: "Wenn man da nur mit dem Lautsprecherwagen hineinfährt", erzählt er in dem Magdeburger Hinterzimmer, "dann spürt man schon den Zuspruch - oft treten die Leute auf den Balkon und winken."

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