Notopfer Griechenland:Angela Merkel findet einen roten Sündenbock

Die Kanzlerin hat hart einstecken müssen für Management der Griechenland-Krise. Jetzt dreht Angela Merkel den Spieß um: Schuld ist die SPD.

Thorsten Denkler

Guido Westerwelles Hand liegt entspannt auf seinem Pult auf der Regierungsbank im Bundestag. Nichts zu sehen von der "geballten Faust", die er angeblich in der Tasche hat - angesichts des Milliardenhilfsprogramms für Griechenland. Das wird der Bundestag diese Woche im Eilverfahren verabschieden.

Angela Merkel, dpa

Angela Merkel: Deutschland wird den Griechen in den Jahren 2011 und 2012 über die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 14 Milliarden Euro an Krediten gewähren.

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Der Außenminister und FDP-Parteichef hört gerade Kanzlerin Angela Merkel zu, die ihre Regierungserklärung zur Griechenland-Krise hält. Regierungserklärungen sind in der Regel nicht für ihren Unterhaltungswert bekannt. Diesmal aber scheint die Chefin auf Krawall gebürstet zu sein.

Angela Merkel muss seit Wochen einiges einstecken. Von der Bild-Zeitung zuerst als eiserne Kanzlerin in den Himmel geschrieben, weil sie versprach, es werde keinen Euro für Griechenland geben, muss sie sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen, zu spät und zu diffus auf die Krise reagiert zu haben. In der Bevölkerung bröckeln allmählich ihre gewohnt hohen Zustimmungswerte.

Im Bundestag hat sie darauf nur eine Antwort: Ich und meine Regierung haben richtig gemacht.

Merkel nennt die "nackten Zahlen, Daten und Fakten": Deutschland werde den Griechen in den Jahren 2011 und 2012 über die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 14 Milliarden Euro an Krediten gewähren. Dafür bürge der Bund und "in letzter Konsequenz der Steuerzahler".

Das sei alles in Ordnung, schließlich gehe es "um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft Europas und damit um die Zukunft Deutschlands in Europa." Das wäre also geklärt.

Für die Opposition aber hält sie noch ein besonderes Bonbon bereit. Vor allem für die Vertreter von SPD und Grünen im Bundestag.

Merkel macht auf Angriff

Noch bevor Griechenland in den Euro-Raum aufgenommen wurde, habe es Warnungen "zuhauf" gegeben, dass mit den Finanzdaten der Griechen etwas nicht stimmen kann, merkt sie an. Ausdrücklich weist Merkel auf das entscheidende Jahr 2000 hin - damals hat schließlich Rot-Grün das Land regiert.

Die Kanzlerin betont mehrfach, dass sie das natürlich nicht erwähne, um "Schuldzuweisungen etwa an die Adresse der damaligen rot-grünen Regierung richten zu können". Nein, nein, so eine Diskussion führe sie nicht. Das sei schließlich "rückwärtsgewandt" und "unergiebig".

Warum sie es dann erwähnt, verrät die CDU-Chefin nicht. Es sei denn, man hält einen Satz wie "Weil es hilft, dass wir uns dem Ernst der Lage stellen", für eine hinreichende Erklärung.

"Unglaublich" schmettert der angefressene SPD-Haushaltsexperte Joachim Poß zurück.

Angela Merkel lässt sich davon nicht beeindrucken: "Gut gemeint war nicht immer gut gemacht, meine Damen und Herren!" Tosender Applaus aus den eigenen Reihen. Merkel macht auf Angriff. Endlich schlägt das Imperium zurück. So denken ihre Parteifreunde.

Steinmeiers schäumt über Merkels "Frechheiten"

Später sekundiert Unionsfraktionschef Volker Kauder, es sei die rot-grüne Regierung gewesen, die mit ihrer laschen Haltung gegenüber dem Europäischen Stabilitätspakt den Keim gelegt habe, aus der sich die maßlose Überschuldung der Griechen erst habe entwickeln können.

Merkels Versuch, der SPD quasi ein Mitschuld an der griechischen Finanzkrise in die Schuhe zu schieben, verfängt bei den Angesprochenen. Der einstige Koalitionspartner heult auf.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier jedenfalls fällt es schwer, cool zu bleiben, als er ans Pult tritt: Nicht jedem in den Regierungsfraktionen scheine in den vergangenen Wochen bewusst gewesen zu sein, dass dies "die größte europäische Krise seit den Römischen Verträgen" sei, sagt er und dreht sich zur Kanzlerin um. Dabei stochert er mit dem Zeigefinger in der Luft herum, als fechte er mit einer bösen Merkel-Fee: "Deshalb verbitten wir uns jede selbstgerechte Belehrung. Das ist eine Frechheit!"

Angestachelt von Merkels Spitzen hält er ihr vor, sie habe in der Krise "geschwankt wie ein Rohr im Wind" und erkläre das jetzt zur Strategie. Er werfe ihr nicht vor, dass sie jetzt handele, "sondern dass Sie erst jetzt handeln und das Unheil, das Sie damit angerichtet haben". Merkels Strategie sei in Wahrheit: "Verschieben, verschleiern, schönreden".

Diese Regierung biete keinen "Brandschutz für Deutschland", sie habe die Dinge treiben lassen und "ruft jetzt nach der Feuerwehr, wo es lichterloh brennt". Keine Regierung zuvor habe es geschafft, "in kurzer Zeit so viel Ansehen und Vertrauen zu verspielen".

Am kommenden Freitag wird es wohl dennoch zu einer breiten Mehrheit im Parlament für das Griechenland-Rettungspaket kommen. Bis auf die Linke und einzelne Abgeordnete aus den anderen Parteien sehen alle ein, dass ohne die Kredithilfe für Griechenland der Euro in ernste Gefahr geraten könnte.

Steinmeier kündigte zwar an: "Eine Zustimmung zu einer reinen Kreditermächtigung wird es mit uns nicht geben." Aber davon ist auch längst keine Rede mehr. Die Kredite sind mit weitgehenden Auflagen an die Regierung in Athen verbunden. Der in solchen Fragen als unerbittlich geltende Internationale Währungsfonds (IWF) wird darüber wachen, dass die Griechen jetzt sparen, dass es kracht.

Guido Westerwelle hört sich das alles an, als hätte er Besseres zu tun. Vielleicht mal wieder ein Interview geben, in dem er etwas von der "Faust in der Tasche" erzählt. Die Leute mögen so was. Irgendwie muss sich schließlich die Griechenland-Krise für den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen nutzen lassen.

Wäre ja gelacht, wenn nicht.

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