Norwegen:Von Reue keine Spur

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In ihrer Amtszeit testete sie immer wieder die Grenzen zur Fremdenfeindlichkeit aus. Jetzt ist Justizministerin Sylvi Listhaug zurückgetreten.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Von Reue war keine Spur, als Sylvi Listhaug am Dienstag ihren Rücktritt erklärte. Sie sei das Opfer einer "Hexenjagd", sagte die Justizministerin, im norwegischen Parlament gehe es zu wie im Kindergarten. Dort drohte der Justizministerin ein Misstrauensvotum, sie hätte es wohl verloren. Womöglich wäre dann die gesamte Regierung zurückgetreten. Listhaug inszenierte sich nun als die Vernünftige, die die Situation rette.

Es ist eine Rolle, die ihr niemand abnehmen dürfte. Sylvi Listhaug ist das schillerndste Mitglied der Fortschrittspartei; Norwegens Rechtspopulisten sind seit fast fünf Jahren Regierungspartner von Premierministerin Erna Solberg. Die 40-jährige Listhaug hat sich als Ministerin darauf konzentriert, das norwegische Einwanderungsrecht zu verschärfen. Mit ihren Aussagen testete sie immer wieder die Grenzen zur Fremdenfeindlichkeit aus. Vor zwei Wochen etwa beschuldigte sie die sozialdemokratische Arbeiterpartei, die Rechte von Terroristen über die nationale Sicherheit zu stellen. Viele empfanden das als besonders geschmacklos, weil der rechtsextreme Terrorist Anders Breivik die Arbeiterpartei 2011 gezielt angegriffen und 77 Menschen getötet hatte. Listhaug entschuldigte sich erst Tage später und unter Druck für ihre Aussage.

Das reichte jedoch selbst den politischen Partnern der Minderheitsregierung nicht aus. Mit dem Misstrauensvotum riskierten sie, die gesamte Regierung zu stürzen. Premierministerin Solberg hatte sich zwar nicht öffentlich dazu geäußert. Norwegische Medien berichteten aber, dass das gesamte Kabinett zurücktreten werde, falls Listhaug gehen muss. Deren Rücktritt könnte nun vor allem für die Fortschrittspartei zum Problem werden. Sylvi Listhaug ist beim rechten Parteiflügel beliebt und setzt die gemäßigtere Parteichefin Siv Jensen dadurch unter Druck. Sie kündigte an, dass sie ihren "Kampf" für strengere Asylpolitik im Parlament fortsetzen wolle - nun ohne die Einschränkungen des Ministeramtes. Wie das aussehen könnte, hat ihre Abschiedsrede gezeigt: Listhaug warf den Sozialdemokraten vor, diese würden mit ihrer Reaktion gegen sie die Meinungsfreiheit angreifen.

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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