Nordrhein-Westfalen:Schwarz-gelbe Frustwelle

Ein Vierteljahr vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen haben CDU und FDP in Umfragen die Mehrheit verloren. Den Liberalen fehlt jedoch eine reale Machtoption jenseits der CDU.

Dirk Graalmann

Es ist wahrlich keine schöne Woche für die nordrhein-westfälische FDP. Am Montag wurde ihr Landesvorsitzender und Spitzenkandidat Andreas Pinkwart für seinen einsamen Vorstoß zur Aussetzung der Hotelsteuer im eigenen Bundespräsidium abgekanzelt, am Mittwoch folgte die nächste unerfreuliche Nachricht. Der Stern veröffentlichte die aktuelle Forsa-Umfrage zur NRW-Landtagswahl am 9. Mai, nach der die Liberalen auf sechs Prozent kämen. Damit wäre die schwarz-gelbe Regierungsmehrheit verloren. Stattdessen ergibt sich - wie bereits bei der letzten WDR-Umfrage - eine rechnerische Mehrheit von CDU (41 Prozent) und Grünen (elf Prozent).

Nordrhein-Westfalen: NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (li., CDU) und der FDP-Landesvorsitzende Andreas Pinkwart (re.).

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (li., CDU) und der FDP-Landesvorsitzende Andreas Pinkwart (re.).

(Foto: Foto: dpa)

Selbstbewusste Ansagen aus vergangenen Zeiten

Die Umfragewerte "beunruhigen mich keineswegs", sagt der nordrhein-westfälische FDP-Fraktionschef Gerhard Papke und spricht von "Momentaufnahmen". Doch im Moment, so viel steht fest, sieht es nicht gut aus für die Liberalen. Erst vor drei Wochen hatten Pinkwart und der FDP-Generalsekretär Christian Lindner "zehn Prozent plus X" als Wahlziel ausgegeben. Das ist nach 6,2 Prozent bei der vergangenen Landtagswahl eine durchaus selbstbewusste Ansage - sie wird aber von dem Rekordergebnis bei der Bundestagswahl gestützt, als die NRW-Liberalen 14,9 Prozent erreichten.

Diese Zahlen aber wirken, nur gut vier Monate nach der Wahl, wie aus längst vergangenen Zeiten. Seit die schwarz-gelbe Frustwelle aus Berlin nach Düsseldorf überschwappt, nimmt die Nervosität bei den Liberalen in NRW erkennbar zu. Nur so ist der unabgestimmte Vorstoß von Pinkwart zu erklären, der sogar die eigene Landtagsfraktion überraschte - und für die sich selbst der sonst so offensive Papke nicht öffentlich ins Zeug legen wollte."Ein Warnschuss für Berlin" sei Pinkwarts Vorstoß gewesen, sagen seine Getreuen. Es sei schließlich "die letzte Möglichkeit" gewesen, sich noch von dem Frust über die Berliner Regierung abzukoppeln.

Der "freie Fall der Liberalen"

In seiner Umgebung setzt man darauf, dass die nun geplante bürokratische Vereinfachung bei der Hotelsteuer - von der derzeit aber niemand weiß, wie sie am Ende konkret aussehen soll - auf das Konto der NRW-Liberalen gebucht wird. Das ist eine riskante Strategie, aber womöglich alternativlos. In vertraulichen Gesprächen beklagen sich NRW-Liberale "über die in Berlin, die unter ihrer Käseglocke leben. Die wissen gar nicht, was hier an Ort und Stelle los ist." Die Klage richtet sich an die eigene Bundespartei, sie zielt aber genauso auf die Union. Auch der CDU-Ministerpräsident und Regierungspartner Jürgen Rüttgers gehört für manche Liberale inzwischen zu denjenigen, die verdeckt an einer Schwächung der FDP arbeiten. Erzürnt registrieren die Parteistrategen, dass aus dem Rüttgers-Lager immer wieder Andeutungen über den "freien Fall der Liberalen" geraunt werden.

Vor fünf Jahren waren CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen nach 39-jähriger SPD-Vorherrschaft noch als "Koalition der Erneuerung" angetreten. Doch das Klima der einst von den Liberalen als "Blaupause für Berlin" gefeierten Verbindung wird rauer. "Die CDU tut so, als wäre sie noch in der großen Koalition", stöhnt ein FDP-Stratege. Und Ministerpräsident Rüttgers, so der Vorwurf, sei einer von denjenigen, die besonders stark auf das Bremspedal treten, um ihre Aussichten für den 9. Mai nicht zu verderben.

Offiziell setzt die NRW-CDU zwar auf eine Fortsetzung der Koalition, aber den Liberalen ist nicht entgangen, dass sich der geschickte Stratege Rüttgers mit den Grünen längst eine weitere Machtoption aufgebaut hat. Der FDP-Fraktionschef Gerhard Papke echauffierte sich bereits über das "schwarz-grüne Rumgeschmuse". Anders als Rüttgers aber fehlt den Liberalen eine reale Machtoption jenseits der Christdemokraten. Die FDP ist in ihrer Regierungsperspektive gefesselt an einen Partner, der sich mit der Bündnistreue schwertut. "Ich wünsche mir, dass sich die CDU genauso eindeutig zur gemeinsamen Koalition bekennt wie die FDP", sagte Papke der Süddeutschen Zeitung: "Teile der CDU laufen leider der SPD und neuerdings den Grünen hinterher. Umso klarer ist: Der eigentliche Stabilisator der bürgerlichen Mitte in NRW ist die FDP." Viele CDU-Wähler, so das liberale Kalkül, könnten sich am Wahlabend von der CDU abwenden, weil sie das Risiko scheuen, am nächsten Morgen mit einer schwarz-grünen Koalition aufzuwachen.

Und so befeuert die FDP mit Blick auf den 9. Mai nachhaltig einen Richtungswahlkampf mit der schwarz-gelben Koalition als der einzigen Alternative zu einem rot-rot-grünen Bündnis, das zwar bei SPD und Grünen kritisch gesehen, gleichwohl aber offiziell nicht ausgeschlossen wird. "Schwarz-Gelb hat Nordrhein-Westfalen zu einem Aufsteigerland gemacht. Die jetzt sichtbare Gefahr eines rot-blutrot-grünen Rückschlags wird unsere Wähler mobilisieren", sagt FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Die Frage ist, wie viele FDP-Wähler sich angesichts der Berliner Koalitionsquerelen bis dahin abgewandt haben.

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