Nordrhein-Westfalen:Machtkampf in der CDU

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Die CDU in Nordrhein-Westfalen ist zerrissen - ihre Funktionäre tricksen, taktieren und kalkulieren um Posten und Strategien. Es geht um die Zukunft der Partei.

Stefan Braun und Bernd Dörries

Christian Weisbrich ist lange dabei, aber noch nie zu den wirklich Mächtigen gezählt worden. Die Wahlniederlage seiner CDU und die anschließenden Turbulenzen haben den 67-Jährigen nun jedoch ins Blickfeld gerückt: Für ein paar Tage führt er kommissarisch die CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Und auf die Frage, ob die Fraktion am Dienstag überlegt habe, wer ihr neuer Chef wird, schnauzt Weisbrich: "Das machen wir unter uns aus."

Bis zu diesem Dienstag galten diese drei als mögliche Kandidaten für die Chefposition der CDU-Opposition in Nordrhein-Westfalen (l-r): Integrationsminister Armin Laschet, Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, und der Generalsekretär des CDU-Landesverbands Andreas Krautscheid. Letzterer hat nun erklärt, nicht für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. (Foto: dpa)

Wie Weisbrich ist derzeit die gesamte CDU in Nordrhein-Westfalen bemüht, ihre Zerrissenheit und ihre Suche nach der künftigen Führung nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Das ist so verständlich wie unrealistisch. Am 6. Juli wählt die Partei einen neuen Fraktionschef, und das wird eine Vorentscheidung.

Generalsekretär Andreas Krautscheid - einer der drei, die bisher als Kandidaten genannt werden - ist am Dienstag aus dem Fraktionssaal geschlichen. Drinnen hat er erklärt, für den Fraktionsvorsitz nicht zu kandidieren. Das hat viele überrascht, er gilt als kluger Kopf, der zuspitzen kann und wäre deshalb ein guter Fraktionschef für Oppositionszeiten.

Getrickst, taktiert und kalkuliert

Trotzdem macht Krautscheids Schritt fürs erste nur deutlich, was derzeit los ist. Nach der verheerenden Wahlniederlage am 9. Mai wird in der CDU getrickst, taktiert und kalkuliert, weil es um sehr viel geht. Es geht um die Macht im größten Landesverband der Christdemokraten. Es geht um die Frage, ob Fraktion- und Parteivorsitz getrennt werden. Es geht um die künftige Rolle der Landes-CDU in der Bundespartei. Und es geht um die Frage, wie die Partei schnell kampagnenfähig wird, sollte die rot-grüne Minderheitsregierung bald Neuwahlen anstreben. Nicht wenige in der Partei gehen davon aus - und wollen sich darauf vorbereiten.

Krautscheids Schritt ist deshalb nicht mehr als der Verzicht auf das Amt an der Fraktionsspitze. Ob er um den Parteivorsitz kämpfen wird, ist völlig offen - und durchaus möglich. Noch sitzt da Jürgen Rüttgers. Und mancher ahnt, dass Rüttgers dort am liebsten sitzen bleiben würde. Immerhin sichert ihm das auch seine Rolle als Parteivize in der Bundes-CDU.

Vor allem in Nordrhein-Westfalen wächst freilich die Zahl derer, die überzeugt sind, dass die Partei nur mit einem Neuen an der Spitze einen neuerlichen Wahlkampf bestehen könnte. Und das lässt die Spekulationen sprießen, zumal die beiden, die nun für den Fraktionsvorsitz bleiben, keine Kandidaten sind, die zugleich auch die Partei führen könnten.

Rüttgers Karriere in Bildern
:JR tritt ab

Der Machtkampf in NRW ist entschieden: Rot-Grün tritt an, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers tritt ab. Es ist der Tiefpunkt in der Karriere eines Politikers, der für seine Rolle als fürsorglicher Landesvater ebenso bekannt wurde wie für seine rhetorischen Ausfälle. In Bildern.

Der eine ist Integrationsminister Armin Laschet; der andere Sozialminister Karl-Josef Laumann. Der 52-jährige Laumann ist ein leutseliger Mensch und gelernter Maschinenschlosser, dessen Händen man die frühere Arbeit ansieht. Er steht für die ländliche CDU, was ihm in der Fraktion hilft, weil dort vor allem direkt gewählte Abgeordnete aus den (eher ländlichen) CDU-Hochburgen sitzen. Laumann könnte die Fraktion durch seine menschliche Art gut zusammenhalten. Für manchen Abgeordneten wäre er indes der falsche Mann für einen Neuanfang. Er gilt als Kandidat, um Rüttgers weiter alle Optionen offen zu halten. Zumal Laumann, der Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmerschaft, sich kaum um das Amt eines Spitzenkandidaten bewerben würde.

Rüttgers Wutausbruch zielt auf Laschet

Das sieht bei Laschet anders aus. Der 49-Jährige kommt eher aus dem städtischen Milieu und wäre mit seinen liberalen Ansichten nicht nur in der Ausländerpolitik am ehesten einer, der auch Richtung Grüne glaubhaft Kooperationssignale senden könnte. Nicht zuletzt deshalb hat Rüttgers am Dienstag in der Fraktion deutlich gemacht, dass er Laschet auf keinen Fall will. Es soll ein richtiger Wutausbruch gewesen sein, so schildern Teilnehmer Rüttgers' Auftreten. Die Partei brauche jetzt Ruhe und Geschlossenheit, so Rüttgers. "Es macht einen unruhig, wenn es Leute gibt, die es wichtiger finden, das genaue Gegenteil zu tun." Viele haben das als Abrechnung mit Laschet gelesen.

Dabei ist Laschet nicht der einzige, den so mancher in der CDU derzeit fürchtet. Seit klar ist, dass die Macht in der NRW-CDU neu verteilt wird, ist auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen ein Kandidat für den Parteivorsitz. Sein Ehrgeiz, sich in der CDU eine eigene Machtbasis zu schaffen, ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen, und dabei könnte er mit Laschet ein Duo bilden: Röttgen als Landesparteichef, der auch in der Bundespartei aufsteigt; dazu Laschet, der nicht nur Fraktionschef wäre, sondern im Fall der Fälle auch Spitzenkandidat werden dürfte. Dass Röttgen sich durch seine ziemlich kompromisslose Linie in der Atompolitik in Berlin eher weniger statt mehr Freunde gemacht hat, dürfte seinen Elan kaum bremsen.

Das im übrigen ist auch der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel nicht verborgen geblieben. Sie habe, so heißt es, am Montag mit Rüttgers gesprochen. Ihre Botschaft: Er möge bloß nichts überstürzen mit einem allzu hastigen Rückzug. Man ahnt, wie sie das gemeint hat.

© SZ vom 23.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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