Nordrhein-Westfalen:Innenminister von NRW kritisiert Kölner Polizeichef

Innenausschuss im NRW-Landtag

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) gibt nach der Sitzung des Innenausschuss im westfälischen Landtag ein Statement zu den Übergriffen in Köln ab.

(Foto: dpa)

Zuletzt war Ralf Jäger lange abgetaucht. Nun kehrt er zurück und vermeldet: Die Polizei ist schuld.

Von Bernd Dörries

Ralf Jäger steht vor einer großen Karte, einem Luftbild der Kölner Domumgebung, und macht ein nachdenkliches Gesicht. Neben ihm platzieren sich ein paar Leute von der Polizei, die dem Innenminister von Nordrhein-Westfalen irgendwelche Sachen erläutern. Jäger guckt gedankenvoll, stellt Nachfragen, nimmt die Hand ans Kinn. Kameras klicken. Die Karte hängt an einer Wand im Düsseldorfer Landtag, wo der Innenminister gleich seinen Bericht zur Kölner Silvesternacht abliefern soll.

Das Bild wird in den Erläuterungen des Ministers keine Rolle spielen, es dient als schöne Hintergrundoptik zum nachdenklichen Minister, der sich nun einen Aktenstapel vornimmt, der etwa 15 Zentimeter links vor ihm liegt, ihn entschlossen anhebt, um ihn sehr langsam und behutsam etwa 20 Zentimeter weiter wieder abzusetzen. Dazwischen klicken die Kameras gefühlte 200 Mal. Es soll also das Bild entstehen eines Ministers, der alles im Griff hat.

Zuletzt war Jäger tagelang abgetaucht

In den vergangenen Tagen konnten viele in Deutschland den Eindruck gewinnen, dass genau das Gegenteil der Fall war. Tagelang war Jäger abgetaucht, er, der sonst so gerne spricht, hatte sich selbst eine Nachrichtensperre verordnet. Nun ist er zurück und vermeldet: Die Kölner Polizei ist schuld.

Es ist eine ziemlich erstaunliche Kehrtwende im Vergleich zur vergangenen Woche, als Jäger (SPD) noch den Bundesinnenminister beschimpfte, der ausgesprochen hatte, was alle sahen. "So kann man nicht arbeiten", hatte Thomas de Maizière (CDU) über die Kölner Polizei gesagt, woraufhin Jäger ihm Stillosigkeit vorwarf.

North Rhine Westphalia state Interior Minister Jaeger arrives for an internal commitee meeting of North-Rhine Westphalia state parliament in Duesseldorf

Schonungslos bei den Fehlern der anderen: Ralf Jäger vor seinem Auftritt im Düsseldorfer Landtag.

(Foto: Ina Fassbender/Reuters)

Mittlerweile ist die Erkenntnis, dass die Polizei viele Fehler gemacht hat, die letztlich auch seinen Job gefährden können, auch bei Jäger angekommen. Er schwenkt nun umso entschlossener um: "Das Bild, das die Kölner Polizei in der Silvesternacht abgegeben hat, ist nicht akzeptabel."

Der Innenminister stellt den Bericht der Kölner vor und seine Bewertung der Ereignisse. Die Polizei habe es versäumt, in der Silvesternacht Verstärkung abzurufen, obwohl sie ihr angeboten worden sei. In der Tatnacht habe der eine nicht gewusst, was der andere tue. Und in der Aufarbeitung sei es erneut zu Pannen gekommen, weil die Herkunft der Verdächtigen nicht in aller Deutlichkeit offengelegt worden sei.

Jäger distanziert sich vehement von der Polizei

Im Kern waren das alles keine großen Neuigkeiten, interessant war vor allem die Vehemenz, mit der sich Jäger von der Kölner Polizei distanzierte, so, als sei es ein Missverständnis, dass er im Organigramm des Innenministeriums auch deren oberster Dienstherr ist. Aus Köln freilich kommen keine Widerworte, weil der Posten des Polizeipräsidenten derzeit vakant ist. Dabei hatte sich Jäger das Chaos in Köln tagelang angeschaut, ohne sichtlich darauf zu reagieren.

Kölns Polizeichef Wolfgang Albers stand schon lange davor in der Kritik, er hatte einen monatelangen Kleinkrieg mit seinen SEK-Beamten angezettelt und verloren.

Bei der Hogesa-Demonstration vor einem Jahr wurde seine Polizei von 500 Hooligans überrannt, woraufhin Albers den hervorragenden Einsatz lobte. Die Opposition habe Jäger schon vor den Attacken an Silvester oft gefragt, ob der Polizeipräsident noch das Vertrauen des Innenministers verdiene, sagt der CDU-Abgeordnete Theo Kruse am Montag. "Da haben Sie immer gelächelt, daher tragen Sie auch Mitverantwortung."

Jäger aber hielt sehr lange fest an dem verdienten Parteifreund, den er einst selbst ins Amt geholt hatte. Am Montag zeigt er sich umso entschlossener. Taten aufklären, Rechtsstaat verteidigen, Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen. Man könnte aus seinem Auftritt ein Musterbuch für Innenministerreden zusammenstellen.

Auch von Hannelore Kraft war seit Sylvester nichts zu sehen gewesen

Kurz vor Jäger war am Wochenende auch Hannelore Kraft (SPD) aus der Versenkung aufgetaucht, absolvierte ihren ersten öffentlichen Auftritt seit den Geschehnissen an Silvester. Kraft ist eigentlich als große Kümmerin bekannt, die sich gerne die Sorgen der Menschen auf dem Marktplatz von Mülheim anhört.

Über die sexuelle Massengewalt in Köln redete die ganze Welt, nicht aber die Ministerpräsidentin. Sie gab ein kleines Zeitungsinterview, doch ansonsten ordnete sie das Geschehen offenbar in den Bereich "Internationale Politik" und damit außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches ein.

Von Donald Trump bis Angela Merkel äußerten sich so ziemlich alle, über den Verbleib der Ministerpräsidentin war dagegen wenig bekannt. In ihrer Staatskanzlei nimmt die Zahl der Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit ständig zu, die Zahl ihrer öffentlichen Auftritte aber ständig ab. Situationen, die sie nicht völlig unter Kontrolle hat, mag Kraft immer weniger.

Am Samstag sagte sie dann doch ein paar Sätze. Nicht wie Jäger vor einem schicken Luftbild im Landtag. Sondern in Strickjacke vor einer etwas schiefen Stellwand in Gelsenkirchen. Die Landesregierung in Düsseldorf macht derzeit den Eindruck, als gehe es ihr vor allem um Selbsterhalt. Man sagt lieber nichts als etwas Falsches.

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