Nordkoreas Atomtest:"Sanktionen machen großen Sinn - wenn China mitmacht"

Nordkorea lässt mit einem Atomtest die Muskeln spielen. Asienexperte Gottfried-Karl Kindermann erklärt, warum Wirtschaftssanktionen sinnvoll wären, und welche Probleme ein Regimewechsel mit sich bringen würde.

Oliver Das Gupta

sueddeutsche.de: Nordkorea hat seine Bombe getestet. Warum?

Nordkoreas Atomtest: Kim Jong-il

Kim Jong-il

(Foto: Foto: AP)

Gottfried-Karl Kindermann: Pjöngjang ist verunsichert. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat das neue Russland den Bündnisvertrag mit Nordkorea aufgehoben. Ein ähnlicher Vertrag mit China ist nun stark gelockert worden. Das heißt: Nordkorea ist sicherheitspolitisch stärker auf sich selbst gestellt.

Es ist ein verarmtes Land und in jeder Hinsicht Südkorea unterlegen. Die nordkoreanische Führung sagt sich: Wenn wir uns atomar bewaffnen können, dann haben wir einen Punkt, in dem wir dem Süden machtmäßig absolut überlegen sind.

sueddeutsche.de: Wie kam es dazu, dass das Militär einen dermaßen großen Stellenwert in Nordkorea bekommen hat?

Kindermann: Nordkoreas Gründer Kim il-Sung prägte die Staatsphilosophie von "Chuch'e" des Selbstverlasses, der Autarkie. Seit seinem Tod regiert Sohn Kim Jong-il und dessen Prinzip lautet "Songun": Alles hängt vom Militärischen ab. Das ganze Volk muss sich nach der Armee richten.

Kim stützt sich also nicht mehr auf die Partei, sondern auf die Armee. Und das Militär fordert die bestmöglichen Waffen.

Es ist also ein Gefühl der Unsicherheit, das die Nordkoreaner zum Atomtest veranlasst hat. Und der Wille, eine weltpolitische Rolle zu spielen.

Der zweite Mann im Staate Nordkorea, Kim Yong-nam, sagte mir einmal: Unser Ziel ist, mit Amerika auf bilateraler Ebene zu verhandeln, von gleich zu gleich, auf einer Augenhöhe. Nordkorea ist auf einen Friedensvertrag mit den USA aus, der den Truppenabzug der Amerikaner aus Südkorea mit sich bringt.

sueddeutsche.de: Der UN-Sicherheitsrat befasst sich am Montagabend mit der Causa. Welche Art von Sanktionen wären in diesem Fall sinnvoll?

Kindermann: Wirtschaftssanktionen machen ganz großen Sinn - wenn die Chinesen wirklich mitmachen. Denn: Zu 70 Prozent ist Nordkorea von Energielieferungen von China abhängig, bei den Lebensmitteln sind es 30 Prozent. China könnte mit einem Schlag dies alles stoppen und so Nordkorea in kürzester Zeit in die Knie zwingen.

Nur: China hat im Koreakrieg zwei Millionen Soldaten geopfert, um Nordkorea an seiner Seite zu halten. Aus der Pekinger Perspektive gesehen wird man diesen Staat nicht leichtfertig aufgeben.

"Die Armee und die Elite werden bestens gefüttert"

sueddeutsche.de: Wäre ein "neues" Nordkorea für Peking nicht von Interesse?

Parade der Volksarmee Nordkoreas in Pjöngjang

"Die Armee und die Elite werden bestens gefüttert" - Parade der Volksarmee Nordkoreas in Pjöngjang

(Foto: Foto: AFP)

Kindermann: Wenn die Chinesen tatsächlich Nordkorea in die Verzweiflung treiben, dann gäbe es dort einen Volksaufstand, dann stürzt die Regierung, dann wird ein Chaos entstehen. Aus diesem Chaos wird ein Hilfeschrei nach Südkorea dringen: Brüder, helft uns. Das bedeutet mittelfristig gesehen ein vereinigtes Korea unter der Führung des Südens.

sueddeutsche.de: Soll die internationale Gemeinschaft also auf einen Regimewechsel hinarbeiten?

Kindermann: Die USA wollen das, die Südkoreaner möchten das nicht aus lauter Furcht, ein Regimewechsel könnte zu Anarchie führen, die für Seoul Aufgaben mit sich bringt, denen es nicht gewachsen ist. Südkoreas letzter Präsident, Friedensnobelpreisträger Kim Dae-Jung, propagierte ja die so genannte "Sonnenscheinpolitik", die der Ostpolitik Willy Brandts nachempfunden ist. Das heißt: Freundschaftliche Gesten in der Hoffnung, dass eines Tages eine Erwiderung aus dem Norden kommt. Das ist das Problem: Die USA sind gehandicapt durch den eigenen Verbündeten.

sueddeutsche.de: Was kann die internationale Staatengemeinschaft nach dem Atomtest sonst noch tun?

Kindermann: Man kann maritime Kontrollen durchführen, man kann den wenigen Handelspartnern Nordkoreas drohen, man kann den Rest der humanitären Hilfe einstellen. Aber die Regierung hat eine bis zwei Millionen Menschen dort verhungern lassen...

sueddeutsche.de: ...und trotzdem gab es keinen Aufstand.

Kindermann: Denn die Armee und die Elite werden bestens gefüttert. Die Oberen wissen: Sollte das Volk eines Tages erfahren, wie die Welt aussieht, dass der Lebensstandard der Südkoreaner 20mal höher liegt als der ihre, dann hängt die Elite an den Bäumen.

sueddeutsche.de: Inwieweit verändert sich die Sicherheitsarchitektur im Südostasiatischen Raum durch Nordkoreas Atom-Aufstieg?

Kindermann: Es bedeutet vor allem, dass - wie soeben angekündigt - Japan aufrüstet. Der neue japanische Premier Abe hatte schon zuvor Befürchtungen geäußert, dass die Verteidigung zu defensiv ist.

Gottfried-Karl Kindermann, Jahrgang 1926, besetzte den ersten Lehrstuhl für Internationale Politik am Geschwister-Scholl-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zuvor war er Forschungsassistent bei dem legendären Politologen Hans J. Morgenthau, dem Mitbegründer der Schule des klassischen Realismus.

Kindermann spezialisierte sich auf das Forschungsgebiet Asien. Im vergangenen Jahr erschien sein Buch "Der Aufstieg Koreas in der Weltpolitik" im Münchner Olzog Verlag.

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