Nordkorea: Zweiter Atomtest:Kim und das Kalkül mit der Bombe

Nordkorea hat einen zweiten Atomtest unternommen. Diktator Kim Jong Il spielt damit eine seiner wenigen Trumpfkarten aus. Es wäre fatal, die militärische Bedrohung durch Pjöngjang zu unterschätzen.

Henrik Bork

Für Nordkoreas Diktator Kim Jong Il ist jeder Atomtest eine gute Investition, egal wie viel Geld sein bitterarmes Land dafür ausgeben muss. Der Rest der Welt mag verwundert den Kopf schütteln, aber aus der Perspektive Pjöngjangs ist eine solche Detonation gleich mehrfach nützlich.

Nordkorea: Zweiter Atomtest: Provoziert den Westen: Nordkoreas Diktator Kim Jong Il

Provoziert den Westen: Nordkoreas Diktator Kim Jong Il

(Foto: Archiv-Foto: AFP)

Militärisch gesehen gibt es nichts, was das Überleben des isolierten und von den USA gehassten kommunistischen Regimes besser garantieren könnte als echte nukleare Abschreckung. Seit dem Koreakrieg, als die USA kurz den Einsatz taktischer Atombomben gegen Nordkorea erwogen hatten, strebt Pjöngjang nach dem Besitz einer eigenen Bombe.

Seither hatte es sein Nuklearprogramm zwar immer wieder als politisches Drohmittel eingesetzt und vorübergehend eingeschränkt, aber nie wirklich komplett aufgegeben.

Pjöngjang sucht Aufmerksamkeit

Und dann ist da der politisch-strategische Nutzen. Kim will direkte Verhandlungen mit Washington. Die neue US-Regierung von Barack Obama hat bislang nur sehr moderat und kühl auf bisherige Provokationen Nordkoreas reagiert, etwa auf den Test einer nordkoreanischen Langstreckenrakete im April.

Egal ob internationale Wirtschaftskrise, Afghanistan oder Iran, aus Sicht des Diktators in Pjöngjang wird in Washington über alles Mögliche, aber nicht genug über Nordkorea geredet. Kim sucht die ungeteilte Aufmerksamkeit Obamas. Was wäre besser als ein Atomtest, um sie sich zu ertrotzen?

Weil der Test für Nordkorea sowohl militärisch wie strategisch unbestritten von Nutzen ist, wäre es falsch, den Diktator als "verrückt" einzuschätzen, wie dies Obamas Vorgänger George W. Bush lange Zeit getan hatte. Kim ist nicht verrückt, sondern spielt eine der wenigen Trumpfkarten seines wirtschaftlich weitgehend isolierten Landes mit großer Finesse aus - eben die nukleare Karte.

Reale Bedrohung

Auch jede Reaktion auf den Atomtest sollte beide genannten Komponenten dieser Herausforderung in Betracht ziehen. Es wäre fatal, die militärische Bedrohung zu unterschätzen, die von Nordkorea ausgeht. Kim und seine Bombe haben in der Tat mehr Aufmerksamkeit seitens der USA verdient, ob sich das nun mit den Wünschen des Diktators deckt oder nicht.

Die USA sollten direkt mit Nordkorea verhandeln, zusätzlich oder an Stelle der Sechs-Länder-Gespräche, ganz wie Kim es wünscht. Das wäre kein Eingeständnis eigener Schwäche oder ein "Einknicken" gegenüber Drohungen, wie es die kalten Krieger in Washington oft sehen.

Es wäre einfach ein Eingeständnis, wie real diese Bedrohung ist. Verhandeln, egal in welchem Rahmen, ist viel besser ist als jegliche militärische Option.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: