Nordkorea:Stabiler als der Vater

Nordkorea: Hochfliegende Pläne: Koreaner beobachten auf einem Fernsehschirm den Start einer nordkoreanischen Testrakete.

Hochfliegende Pläne: Koreaner beobachten auf einem Fernsehschirm den Start einer nordkoreanischen Testrakete.

(Foto: Jung Yeon-Je/AFP)

Ist Nordkoreas Diktator berechenbar? Die USA glauben: nein. Ein Experte glaubt: ja. Er sei kein verrückter, irrationaler und gefährlicher Führer, sagt er. Kim wolle die USA und Südkorea nur abschrecken.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Beim ersten Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping an diesem Donnerstag und Freitag stehen auch die Spannungen mit Nordkorea im Zentrum, nachdem Trump gesagt hat, notfalls würden die USA das Problem Nordkorea allein und ohne China lösen. Doch so groß die Differenzen zwischen Trump und Xi sind, in ihrer Verachtung für Kim Jong-un sind sie sich einig. Xi soll den Namen des jungen Diktators noch nie öffentlich genannt haben, Trump schimpft über Kims "sehr schlechtes Benehmen". Dabei geht es beiden nicht um Menschenrechte, sondern um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm. Senator John McCain nannte den 33 Jahre alten Kim einen "verrückten fetten Bengel".

Auch Narushige Michishita, Nordkorea-Experte bei Japans nationalem Institut für Politikstudien, glaubt, Pjöngjangs Atomwaffen würden stets bedrohlicher. "Aber Kim ist kein verrückter, irrationaler und gefährlicher Führer", schränkt der Wissenschaftler ein. Seiner Meinung nach ist er sogar rationaler und stabiler als sein Vater Kim Jong-il. Michishita glaubt, dass die Raketentests "aus nordkoreanischer Sicht" sogar "rational" seien. Kim wolle die USA und Südkorea abschrecken, damit sie nicht versuchten, sein Regime zu stürzen.

Nordkorea verfüge bereits über 50 mobile Abschussrampen, die nicht alle gefunden und getroffen werden könnten, rechnet der Professor vor. Ein wirksamer Präventivschlag schließe sich damit aus. "Die gute Nachricht, so Michishita, sei lediglich: "Nordkoreas Tests scheitern meist." Wenn das Regime auch Japan bedrohe, dann nicht nur, weil hier US-Truppen stünden, sondern auch, um Tokio abzuschrecken, im Konfliktfall Südkorea zu Hilfe zu eilen.

Als Belege für Kims Irrsinn gelten seine "Säuberungen" im Politapparat, eine neue Dimension war auch der Mord an seinem Halbbruder. Dabei werde vergessen, so Michishita, dass früher alles noch schlimmer war. Vater Kim Jong-il ließ Japaner und Südkoreaner nach Norden verschleppen. Außerdem verübten seine Agenten 1983 einen Anschlag auf Südkoreas Präsidenten Chun Doo-hwan. 21 Menschen kamen um, unter ihnen Südkoreas Außenminister Lee Beom-seok. 1987 bombten Nordkoreas Agenten eine südkoreanische Boeing vom Himmel: 115 Menschen starben. Der junge Kim dagegen "testet nur", so stellt es jedenfalls der japanische Professor dar. Die Ränge der Elite hätten sein Vater und Großvater Kim Il-sung noch radikaler "gesäubert". "Das ist kein Zeichen der Instabilität, es hat sich nichts geändert." Kim entledige sich der Leute, die ihm kritisch gegenüberstünden. Vater Kim richtete Nordkorea ganz auf die Armee aus, der Sohn dagegen habe das Machtzentrum auf die Partei verschoben. Bemerkenswert sei auch, dass seine Propaganda Trump bisher nicht direkt angegriffen habe, so Michishita.

Die Europäische Union verschärft ihre Sanktionen gegen das Regime

Dagegen drohen Trump und sein Außenminister Rex Tillerson aus seiner Sicht leichtfertig mit einem Präventivschlag. Den hätten einst auch Bill Clinton und George W. Bush erwogen, sich aber anders entschieden. Dabei hätte ein Militärschlag damals noch eher Erfolgschancen gehabt, meint der Professor. Das neue Raketenabwehrsystem, das die USA in Südkorea stationieren, stehe so weit südlich von Seoul, dass es die Hauptstadt nicht gegen nordkoreanische Raketen schützen könne.

Trump will China in Verhandlungen einbinden, denn wenn Amerika das Problem wirklich alleine löste, so hat der US-Präsident gesagt, dann "wäre das für niemanden gut". Sollte Trump Nordkorea angreifen, "wird das ein Fiasko wie Bushs Irakkrieg", sagt Nordkorea-Experte Michishita. 1999 mahnte der ehemalige US-Verteidigungsminister William Perry: "Wir müssen mit Nordkorea so umgehen, wie es ist - nicht mit einem Nordkorea, das wir uns wünschen." Doch dazu müsste man versuchen, Kims Motive zu verstehen.

Die Europäische Union hat bereits für sich Konsequenzen gezogen und am Donnerstag Sanktionen gegen Nordkorea verschärft: es gibt neue Investitionsverbote für Chemie-, Bergbau- und Luftfahrtbetriebe. Und das Vermögen von vier Mitarbeitern des Rüstungsprogramms wird eingefroren.

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