Nordkorea:Sichern und Rückversichern

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Nordkoreas Diktator Kim Jong-un ließ sich bei seinem jüngsten China-Besuch die Segnungen des modernen Landwirtschafts-Anbaus erklären. (Foto: Reuters)

Machthaber Kim Jong-un reist kurz nach dem Singapur-Gipfel erneut nach Peking und zeigt damit, an wessen Seite er sein Land sieht. China lässt im Gegenzug Unterstützung für die Wirtschaft erkennen.

Von Kai Strittmatter, Peking

Nordkoreas Herrscher Kim Jong-un, der nach seinem Amtsantritt 201c1 mehr als sechs Jahre lang sein Land nicht verlassen hatte, war diese Woche zu Besuch in Peking, zum dritten Mal schon in diesem Jahr. Kim Jong-un machte Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping seine Aufwartung, eine knappe Woche nach dem Gipfel mit Amerikas Präsidenten Donald Trump in Singapur. Für den neugeborenen Staatsmann Kim Jong-un war der Chinabesuch ein weiterer Auftritt in einem diplomatischen Balanceakt, in dem er die USA und China gegeneinander auszuspielen sucht, ohne es sich mit einem von beiden zu verderben.

In Peking gaben sich beide Seiten Mühe, Eintracht und Partnerschaft zu signalisieren. Man habe eine Stärkung der "strategischen und taktischen Partnerschaft" beider Staaten vereinbart, meldete die nordkoreanische amtliche Nachrichtenagentur KCNA am Donnerstag. Und Chinas Nachrichtenagentur Xinhua zitierte Kim mit dem Satz, China und Nordkorea seien "so eng und so freundlich wie eine Familie".

Kim war unter anderem nach China gereist, um Bericht zu erstatten über Singapur und den KP-Führern in Peking zu versichern, dass sie bei den Überlegungen über die Zukunft der Region eingebunden würden. Mit den Ergebnissen von Singapur zeigte sich Chinas Führer Xi Jinping sichtlich zufrieden. "China spricht in hohen Tönen von dem Gipfel", sagte Xi seinem Gast.

Tatsächlich ist Peking mehr als nur erleichtert ob der Resultate von Singapur: Nach den Atom- und Raketentests des letzten Jahres und den wüsten Drohungen die über den Pazifik hin- und herflogen, scheint im Moment Ruhe eingekehrt zu sein. Offiziell hat Peking ebenso wie die USA ein atomwaffenfreies Nordkorea zum Ziel. Noch wichtiger aber sind Ruhe und Stabilität vor der eigenen Haustür.

Trumps Versprechungen in Singapur brachten Peking noch viel mehr: Mit seiner Ansage, die gemeinsamen Manöver mit Südkorea einzustellen, erfüllte Trump China überraschend einen Herzenswunsch. "Der Prozess der Denuklearisierung scheint dem Plan Chinas zu folgen", schrieb während Kims Peking-Besuch die konservative südkoreanische Zeitung Joongang Ilbo. Die Zeitung warnte, China dürfe nun "nicht lockerlassen bei den Sanktionen, um nicht Kims Entschlossenheit zur nuklearen Abrüstung zu schwächen." Allerdings hatten China und Russland unmittelbar nach dem Gipfel in Singapur schon eine Lockerung der UN-Sanktionen gegen Nordkorea verlangt.

China schätze besonders, sagte Xi Jinping, dass Kim Jong-un "der strategischen Kommunikation" mit China "große Bedeutung einräumt". Übersetzt heißt das: Kim hat nicht vergessen, welche Rolle für sein Land das große und mächtige China spielt, über das im Moment 90 Prozent des nordkoreanischen Handels laufen. Und besonders viel Raum räumte Chinas Propaganda schließlich der Tatsache ein, dass man in Kim Jong-un - endlich - einen Wirtschaftsreformer nach chinesischem Vorbild zu erkennen glaubt. Kims Versprechen an sein Volk, der Wirtschaftsentwicklung in Zukunft ebenso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie der Armee und den Nuklearwaffen wurde in der Berichterstattung hervorgehoben, ebenso sein Besuch in einer Pekinger Hi-Tech-Verkehrsleitzentrale und einem landwirtschaftlichen Forschungsinstitut, in dem moderne Acker- und Aussaattechnologien entwickelt werden. Das Institut hatten die Chinesen 2006 auch schon einmal Kims Vater Kim Jong-Il vorgeführt - der Vater Kim allerdings hatte sich sehr zur Frustration Pekings sein Lebtag lang immun gezeigt gegen Chinas Versuche, Nordkorea zur Übernahme seines Modells zu bewegen.

Der Sohn ist da möglicherweise empfänglicher, zumal er in China vorgeführt bekommt, wie eine Diktatur wirtschaftliche Öffnung gestatten kann ohne die politische Macht zu gefährden. "Zu sehen, daß die Demokratische Volksrepublik Korea die wichtige Entscheidung getroffen hat, sich nun auf den Wirtschaftsaufbau zu konzentrieren, macht uns glücklich", sagte Xi der Nachrichtenagentur Xinhua zufolge.

Einige Anzeichen zumindest sind da. Nordkorea ist noch immer isoliert, die Sanktionen haben dem Land merklich zugesetzt. Die Vereinten Nationen schätzen, dass knapp 40 Prozent der Bevölkerung unterernährt sind. Das Bild in den Städten aber, vor allem in Pjöngjang, hat sich gewandelt seit Kim Jong-uns Amtsantritt. Die Kontrolle über die Wirtschaft wurde gelockert, überall entstanden Märkte und kleine Privatunternehmen, so dass vor allem die Elite des Landes in den letzten Jahren einem angenehmeren Leben frönen durfte. Das hat Erwartungen geweckt.

Kim drängt auf schnelle Lockerung der Sanktionen. Ansonsten wäre er angewiesen auf Chinas Unterstützung und dessen Willen, die Sanktionen wieder zu unterlaufen. Die USA jedenfalls, das stellte Außenminister Mike Pompeo letzte Woche erst klar, wollen die Sanktionen erst aufheben, wenn "die nukleare Abrüstung tatsächlich vollendet ist". Das Problem dabei: Kim und Trump verstehen unter dem Begriff "Denuklearisierung" nicht unbedingt dasselbe, weshalb ihr Abkommen von Singapur vage und ohne Zeitplan blieb. Das aber bedeutet auch, dass die Krise zwischen Pjöngjang und Washington jederzeit wieder ausbrechen kann. Auch deshalb braucht Kim die Rückversicherung in Peking.

© SZ vom 22.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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