Nordkorea:Pjöngjang kündigt Raketenstart an

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Mitte Februar will Nordkorea einen Satelliten starten. International wird dies als verdeckter militärischer Test gewertet. Japan und das benachbarte Südkorea reagieren mit scharfen Warnungen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea wird Mitte Februar einen Satelliten starten, hat das Land den zuständigen UN-Stellen am Montag gemeldet. Da die Trägerrakete baugleich ist mit seinen militärischen Langstreckenraketen, verstößt das Regime gegen jene UN-Resolutionen, die Pjöngjang ballistische Tests verbieten. Ohnehin glauben viele Experten, der Beobachtungssatellit sei bloß ein Vorwand. Tokio drohte umgehend, es werde eine nordkoreanische Rakete abschießen, wenn sie Japan bedrohe, und forderte den Verzicht auf einen Test. China verlangte von Pjöngjang "Zurückhaltung - aber auch von allen anderen Seiten".

Mit dem Raketentest wurde seit einigen Wochen gerechnet. Wie auf kommerziellen Satellitenaufnahmen zu sehen ist, sind in Sohae, dem Raketenzentrum des Nordens, wichtige Strukturen abgedeckt, sodass sie von oben nicht eingesehen werden können. Dagegen wurden Aktivitäten um das VIP-Zentrum von Sohae beobachtet. Überdies gilt ein Raketentest als Fortsetzung des angeblichen H-Bomben-Versuchs. Mit dem Raketenstart ist am ehesten am 16. Februar zu rechnen, am Geburtstag von Kim Jong Il, dem Vater des jetzigen Diktators. Der Tag wurde schon früher mit militärischem Feuerwerk gefeiert.

Angesichts von Kims jüngstem Säbelrasseln hat die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye zu Fünfparteiengesprächen aufgerufen. Damit will sie an die Sechsergespräche zwischen den beiden Koreas, den USA, China, Japan und Russland anknüpfen, die seit 2009 offiziell als unterbrochen gelten. Sie "waren ein nützliches Forum zur Denuklearisierung Nordkoreas", so Park vor einigen Tagen. Jetzt sollen die fünf übrigen Teilnehmer ohne Nordkorea "verschiedene und kreative Wege" suchen, um Druck auf Pjöngjang auszuüben, seine Atomwaffen aufzugeben.

Peking und Moskau haben den Vorschlag abgelehnt. Der Russe Andrej Lankov, Professor an Südkoreas Kookmin-Universität und einer der besten Kenner Nordkoreas, notierte nach einem Besuch bei seinen Expertenkollegen in Peking kürzlich, China hätte seinen Kurs erneut korrigiert. Seit Kims Amtsantritt hatte es sich deutlich von Pjöngjang distanziert und Kims Provokationen verurteilt. Neuerdings jedoch sei Peking dem Land gegenüber konzilianter. Als Grund nennt Lankov die Intensivierung der Rivalität zwischen China und den USA.

Pekings Kurswechsel macht Fünfparteiengespräche dringlicher denn je, allerdings nicht, wie Park meint, um die Bestrafung Nordkoreas zu koordinieren. Sondern um Szenarien für den derzeit zwar nicht wahrscheinlichen, aber nicht ganz auszuschließenden Kollaps von Kims Regime auszuarbeiten. Wenn in Nordkorea ein Chaos ausbräche, etwa ein Bürgerkrieg samt einer mit Syrien vergleichbaren Notlage der Zivilbevölkerung - in einem Land, das Atom-, Chemie- und Biowaffen besitzt -, würde Peking eingreifen. Allein schon, um Flüchtlingsströme über den Tumen-Fluss zu verhindern. Bereits vor zwei Jahren hat es diesen Ernstfall mit 100 000 Soldaten geübt.

Eingreifen würden allerdings auch Südkorea und die USA, schon um die Massenvernichtungswaffen zu sichern - und weil ein Bürgerkrieg fast zwangsläufig auf Südkorea übergreifen würde. Dann könnten sich in Nordkorea plötzlich chinesische und amerikanische Truppen gegenüberstehen, ohne auf eine solche Situation vorbereitet zu sein.

Seoul, Peking und Washington sollen in geheimen Gesprächen einmal versucht haben, solche Pläne zu entwerfen, aber es blieb angeblich beim gescheiterten Versuch. Fünfparteiengespräche böten dafür ein Forum.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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