Nordkorea:Offizier läuft über

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Ein hochrangiger nordkoreanischer Militärvertreter setzt sich in den Süden der geteilten Halbinsel ab. Das ist ungewöhnlich. Und es könnte der konservativen Regierung helfen, ihre Anhänger bei der Wahl zu mobilisieren.

Ein hochrangiger Aufklärungsoffizier aus Nordkorea hat sich nach Angaben der Regierung in Seoul nach Südkorea abgesetzt. Der Soldat im Rang eines Oberst sei bereits im vorigen Jahr übergelaufen, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag mit. Er soll für das nordkoreanische Aufklärungsbüro gearbeitet haben, das unter anderem für Spionageeinsätze gegen Südkorea verantwortlich ist. Es könnten jedoch keine Einzelheiten veröffentlicht werden, hieß es.

Zwar gibt es immer wieder Berichte über geflüchtete nordkoreanische Soldaten von niedrigem Rang, doch dass ein Offizier in den Süden übergelaufen ist, gilt als ungewöhnlich. Südkoreanische Medien berichteten, es handele sich offensichtlich um den höchsten nordkoreanischen Militärvertreter, der die Seiten gewechselt habe. Als der bisher hochrangigste Überläufer des kommunistischen Regimes gilt der frühere Sekretär der Arbeiterpartei, Hwang Jang Yop. Er hatte sich 1997 nach Südkorea abgesetzt und starb 2010 im Alter von 87 Jahren in Seoul. Zudem sei jetzt bekannt geworden, dass sich ein nordkoreanischer Diplomat, der mit seiner Familie in einem afrikanischen Land gelebt habe, im Mai vergangenen Jahres nach Südkorea abgesetzt habe, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap.

Die Situation in der Region ist derzeit sehr angespannt. Als Reaktion auf einen neuen Atomtest Nordkoreas im Januar und einen ebenfalls umstrittenen Raketenstart hat der UN-Sicherheitsrat jüngst die Sanktionen gegen Pjöngjang verschärft. Südkorea verhängte zudem eigene Sanktionen gegen den nördlichen Nachbarn.

Erst am vergangenen Freitag teilte Südkorea mit, dass eine Gruppe von 13 nordkoreanischen Angestellten eines von Pjöngjang im Ausland betriebenen Restaurants nach Südkorea geflüchtet sei. Der Zeitpunkt der Mitteilung über die geflüchteten Nordkoreaner wurde auch kritisch gesehen. Am Mittwoch wird in Südkorea ein neues Parlament gewählt. Kommentatoren spekulierten, die konservative Regierung könnte ihr politisch nahestehende Bürger zur Wahl mobilisieren wollen, indem sie die Fälle flüchtender Nordkoreaner als Erfolg ihrer Sanktionen darstelle. Aus Nordkorea flüchten jedes Jahr zahlreiche Menschen wegen Hunger oder Unterdrückung, die meisten setzen sich über die Grenze nach China ab. Über dritte Länder gelangen viele später nach Südkorea.

© SZ vom 12.04.2016 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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