Nordkorea:Kim Jong Uns Krönung im Morgenrot

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Der erste Parteitag seit 36 Jahren soll die Macht des nordkoreanischen Diktators festigen - und die Macht seiner Familie. Schwester Kim Yo Jong wird ein hohes Amt übertragen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

In Pjöngjang läuft der erste Parteitag der Arbeiterpartei Nordkoreas seit 36 Jahren. Seit Freitag tagen die etwa 3000 Delegierten hinter verschlossenen Türen. Einen Tag nach dem Beginn berichteten die Staatsmedien nun über erste Programmdetails. Demnach sollen die Delegierten auch über die Bestätigung des Machthabers Kim Jong Un an der Spitze der Partei beraten.

Beobachter gehen davon aus, dass Kim mit der Bestätigung als Parteichef seine Stellung als oberster Machthaber zementieren wird. Ob Kim neue Titel erhält oder den des ersten Parteisekretärs behält, war zunächst unklar. Manche Beobachter sprachen schon vor dem Parteitag von einer anstehenden Krönung. Die wichtigste personelle Änderung dürfte die Ernennung von Kim Yo Jong, der jüngeren Schwester Kims, in ein hohes Parteiamt sein.

Allgemein wird erwartet, dass Jungdiktator Kim Jong Un seine Politik festigt, die eine parallele Entwicklung der Atommacht und eine weitere wirtschaftliche Liberalisierung vorsieht.

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Die Raketen- und Atomtests des Diktators sind primär eine Machtdemonstration, mit der er die Elite Nordkoreas in Schach halten will. Die kleinen Leute sind ohnehin voll damit beschäftigt zu überleben.

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Uneinig sind sich die Experten, ob der 33-Jährige eine versöhnliche Geste Richtung Südkorea machen wird. Beim letzten Parteitag 1980 hatte Kims Großvater Kim Il Sung dem Süden eine Wiedervereinigung in einer Föderation der beiden Koreas vorgeschlagen. Der japanische Nordkorea-Kenner Hajime Izumi glaubt, das Ausbleiben jeglicher Fortschritte in dieser für Pjöngjang zentralen Frage habe bisher einen weiteren Parteitag verhindert. Allerdings scheute Kims Vater Jong Il auch öffentliche Auftritte, vermied solche Großanlässe. Kim Jong Un dagegen sucht den Kontakt zum Volk. Und 1980 war er noch gar nicht geboren, er kann deshalb den Neuanfang postulieren.

Vor dem Parteitag schlug Nordkorea eine "70-Tage-Schlacht" zur Ankurbelung der Wirtschaft vor, in deren Rahmen die meisten Nordkoreaner zu Fronarbeit gezwungen wurden. Sie sollte die Leistung der staatlichen Unternehmen verbessern, und das Land, vor allem die Hauptstadt Pjöngjang, herausputzen.

Pjöngjangs Raketenversuche und der Atomtest Anfang Januar, die im Ausland so viel Unruhe ausgelöst hatten, spielten in der Inland-Propaganda nur eine untergeordnete Rolle. Kims Säbelrasseln war diesmal vor allem an das Ausland gerichtet. Dennoch gibt es ihm nun die Gelegenheit, den "unblutigen Sieg" über die USA zu erklären. Nordkorea sei stark und sicher, jetzt könne es sich auf die Wirtschaft konzentrieren. Die Zeitung Choson Sinbo publizierte im März einen vom Machthaber gezeichneten Text, der die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel, also ein atomwaffenfreies Gebiet, zum Ziel der Staatsführung erklärte. Schon Ende Februar hatte Kim sich in einer offiziellen Verlautbarung bei 1,5 Millionen Studenten und Arbeitern bedankt, die sich angeblich nach der Verschärfung der UN-Sanktionen beim Armee-Kommando gemeldet hätten. Er bat sie, in der Schule und am Arbeitsplatz zu bleiben, und forderte sie auf, sich dort mit aller Kraft einzusetzen, "mit dem Gefühl, sie seien in den gleichen Schützengräben wie die Soldaten". Das ist durchaus eine Distanzierung von der "Songun-Politik" seines Vaters - übersetzt "die Armee zuerst".

Die Macht bleibt in der Familie

Sicherlich wertet Kim mit dem feierlichen Großanlass nicht nur sich selbst auf, sondern auch die "Arbeiterpartei", die nach der Verfassung das oberste Machtorgan Nordkoreas ist. Bilder vom Parteitag gibt es bislang fast keine, aber Fotos von der Gründungsversammlung der Partei und nostalgische Reminiszenzen früherer Parteitage. Dazu immer wieder feierlich ihr Symbol, Hammer, Sichel und Pinsel, im glühenden Morgenrot.

In Südkorea glauben Experten, die 29-jährige Schwester Kim Yo Jong habe die Leitung der Propaganda übernommen; sie diente ihrem Bruder auch schon als Stabschefin. Dafür dürfte sie nun mit einem Parteiamt geadelt werden. Die Geschwister lebten als Kinder zusammen in der Schweiz, Jong Un besuchte eine Mittelschule bei Bern, Yo Jong sechs Jahre die Primarschule. Sie soll später Englisch und Französisch studiert haben. Schon Vater Kim und der hingerichtete Onkel der beiden, Jang Song Taek, hatten sie in ihre Nachfolgeplanung einbezogen und sie seit 2009 in Regierungsstellen arbeiten lassen.

Nach Angaben aus Südkorea ist sie mit Choe Song verheiratet, dem zweiten Sohn von Choe Ryong Hae, der vor einigen Jahren vorübergehend einer der mächtigsten Männer hinter Kim Jong Un war. Sein Sohn Choe Song soll für das "Büro 39" arbeiten, die Geheimorganisation, die für die herrschende Clique Luxusgüter aus dem Ausland besorgt und beschuldigt wird, mit Falschgeld und Drogenhandel Devisen für Pjöngjang zu beschaffen. Das Machtgefüge in Pjöngjang bleibt eine Familienangelegenheit; der Kim-Clan erneuert seine absolute Kontrolle über das verarmte Land.

© SZ vom 07.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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